Neugeborenes in Halle gestorben: Mutter wegen Totschlags am eigenen Kind zu Haftstrafe verurteilt

Halle (Saale) - Das Landgericht in Halle hat am Dienstag eine 38-jährige Frau wegen Totschlags ihres eigenen Kindes zu vier Jahren und drei Monaten Haft verurteilt.

Der Prozess um ein getötetes Neugeborenes ist mit einem Schuldspruch gegen die Mutter Sandra K. (38) beendet worden.
Der Prozess um ein getötetes Neugeborenes ist mit einem Schuldspruch gegen die Mutter Sandra K. (38) beendet worden.  © Christian Grube

Der Vorsitzende Richter sah es als erwiesen an, dass Sandra K. im Dezember 2021 das Mädchen in Halle lebend geboren, in ein T-Shirt eingewickelt und anschließend an einem Wertstoffhof abgelegt hat. Der Leichnam des Babys wurde Tage später von einer Spaziergängerin entdeckt.

Die große Kammer ging davon aus, dass die Angeklagte trotz Intelligenzminderung durchaus die Fähigkeit zur Einsicht gehabt habe. Der Vorsitzende Richter erklärte, dass sie durchaus den Tod mit einkalkuliert habe. Sie hatte demnach keinerlei Verbindung zu dem Kind und wollte es verdrängen.

Die Staatsanwaltschaft hatte wegen Totschlags fünf Jahre und sechs Monate Haft gefordert. Die Verteidigung forderte eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung und ein Strafmaß von zwei Jahren. Sie deutete bereits an, das Urteil anfechten zu wollen.

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Die Angeklagte nahm den Schuldspruch am Dienstag relativ gefasst auf. Schon während des Prozesses hatte sie sich vergleichsweise emotionslos gezeigt.

Geschilderte Umstände und Tragik des Falls lassen auch Publikum im Gerichtssaal nicht unberührt

Der an einem Wertstoffhof in Halle abgelegte Leichnam des Babys wurde im Dezember 2021 von einer Spaziergängerin entdeckt.
Der an einem Wertstoffhof in Halle abgelegte Leichnam des Babys wurde im Dezember 2021 von einer Spaziergängerin entdeckt.  © Heiko Rebsch/dpa-Zentralbild/dpa

Die Aufarbeitung des Falles hatte teilweise schockierende Details rund um den Fall an die Öffentlichkeit gebracht.

So sei nach wie vor nicht klar, wodurch das Kind letztlich gestorben sei. Durch die Wintertemperaturen zum Zeitpunkt der Ablage ist wahrscheinlich, dass das kleine Mädchen erfror. Allerdings wies der aufgefundene Leichnam Bissspuren von Tieren auf. Ein Gutachter vermutete, dass Füchse für diese verantwortlich waren. Die Tiere hätten demnach den Kopf und Gliedmaßen des Kindes abgetrennt.

Auch die persönlichen Lebensumstände der verurteilten Frau sind teilweise tragisch. Sie lebte in einem emotions- und lieblosen Umfeld ohne jegliche Unterstützung. Der Kindesvater hatte eine Affäre mit der Verurteilten und entzog sich der Verantwortung als er von der Schwangerschaft Kenntnis erlangte. Sie war mit der Situation völlig überfordert, die schließlich in dem Ablegen des eigenen Kindes am Wertstoffhof gipfelte.

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"Obwohl es gesund und lebensfähig war, musste es sterben", sagte der Richter in der Urteilsbegründung. Dabei hätte es viele Möglichkeiten gegeben, dass das Kind nicht hätte sterben müssen. "Das Ablegen am Wertstoff kam einem Todesurteil gleich." Es gebe nur ein einziges Foto von dem namenlosen Baby - und das "ohne Kopf und ohne Arm".

Der voll besetzte Gerichtssaal schwieg bei den Worten des Richters. Einige zeigten sich erschrocken und erschüttert über die Tragik und Details der Geschehnisse. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Originalmeldung von 11.22 Uhr; zuletzt aktualisiert um 13.53 Uhr

Titelfoto: Christian Grube

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