Vor Anschlag auf Weihnachtsmarkt: Polizei warnte früh vor Magdeburger Attentäter

Von Christopher Kissmann

Magdeburg - Polizeibeamte aus dem Salzlandkreis haben Monate vor dem Anschlag in Magdeburg eine Überprüfung angeregt, ob der spätere Täter in einem so sensiblen Bereich wie dem Maßregelvollzug als Arzt arbeiten sollte.

Schon weit vor dem Magdeburger Anschlag hat ein Polizist Bedenken geäußert, ob der spätere Attentäter Taleb A. (51) in einem Maßregelvollzug arbeiten sollte. (Archivfoto)  © Heiko Rebsch/dpa

Er und ein Kollege hätten die Bedenken gegenüber dem Revierleiter vorgetragen, sagte der Sachgebietsleiter polizeilicher Staatsschutz im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Anschlag.

Er habe angeregt, "dass diese Person kritisch zu betrachten ist an seiner Arbeitsstelle". Der Beamte ging davon aus, "dass der Revierleiter entsprechende Telefonate geführt hat". Wie es weitergegangen sei, wisse er nicht.

Eine höhere Ebene hätte gegebenenfalls an den Maßregelvollzug herantreten müssen, etwa das Innen- oder das Sozialministerium, sagte der Beamte.

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Zwei Beamte aus dem Bereich Staatsschutz hatten im Jahr 2023 eine Gefährderansprache gegenüber Taleb A. (51) durchgeführt. Hintergrund war, dass er mit der Behandlung eines Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft Köln unzufrieden war und dieser gedroht hatte.

In dem Zuge erfuhren die Beamten, dass der Mann im Maßregelvollzug in Bernburg (Salzlandkreis) tätig war. Er arbeitete als Stationsarzt, sein Aufgabengebiet umfasste die psychiatrische Betreuung von Straftätern.

Später war A. im Dezember 2024 mit einem Auto über den Weihnachtsmarkt von Magdeburg gefahren. Sechs Menschen wurden getötet, mehr als 300 wurden zum Teil schwerst verletzt. Derzeit läuft am Landgericht Magdeburg der Prozess gegen den Mann aus Saudi-Arabien.

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Politiker fordern besseren Informationsaustausch

Taleb A. (51) sitzt derzeit vor dem Landgericht Magdeburg auf der Anklagebank.  © Jan Woitas/dpa

SPD-Obmann Rüdiger Erben (58) sagte der Deutschen Presse-Agentur am Rande der Sitzung, dass man nun den Revierleiter im Ausschuss als Zeuge laden wolle. "Den wird man hören müssen", sagte Erben.

Grünen-Obmann Sebastian Striegel (44) betonte, erstmals sei deutlich geworden, dass im Polizeirevier Salzlandkreis über die Gefährlichkeit von A. gesprochen worden sei. Bisher sei offen, was danach geschehen und ob etwa der Arbeitgeber des Mannes gewarnt worden sei, so Striegel. Dies müsse jetzt aufgearbeitet werden.

Im Ausschuss ist zudem erneut deutlich geworden, dass A. vor dem Anschlag bei den Behörden mehrfach als Anzeigenerstatter sowie als Beschuldigter in Erscheinung getreten ist.

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Ein weiterer Polizeibeamter aus dem Salzlandkreis räumte ein, dass er zwar Anzeigen von A. bearbeitete, jedoch nichts davon wusste, dass der Mann gleichzeitig Beschuldigter in anderen Verfahren war. Auch im Zuge der Gefährderansprache im Jahr 2023 soll es keinen näheren Austausch zwischen dem Anzeigenbearbeiter und den Kollegen des Staatsschutzes gegeben haben, die die Gefährderansprache durchführten.

Politiker fordern einen besseren Informationsaustausch innerhalb der Polizei. Im Polizeirevier Salzlandkreis sei einiges liegen geblieben, sagte FDP-Obmann Guido Kosmehl (50). "Der Informationsaustausch muss dringend verbessert werden", so Kosmehl.

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