Prozess-Neuauflage nicht in Sicht - Rechtsanwalt: "Geschützt werden dort Neonazis"
Von Annett Gehler
Alles in Kürze
- Keine Neuauflage des Prozesses in Sicht
- Rechtsanwalt kritisiert Justiz in Mühlhausen
- BGH hatte Urteil wegen Rechtsfehler aufgehoben
- Zwei Journalisten 2018 schwer verletzt
- Rechtsanwalt: Neonazis werden geschützt
Mühlhausen - Eine Neuauflage des Prozesses wegen eines Angriffs von zwei Männern aus der rechtsextremen Szene auf zwei Journalisten im Jahr 2018 im nordthüringischen Fretterode ist derzeit weiterhin nicht in Sicht. Ein Rechtsanwalt übt Kritik an der Justiz in Mühlhausen.

Bislang sei nach wie vor noch kein Termin für die Hauptverhandlung festgesetzt worden, sagte ein Sprecher des Landgerichts Mühlhausen. Er begründete dies mit einer Vielzahl eilbedürftiger Verfahren wie Haft- und Unterbringungssachen sowie einer großen Anzahl älterer Fälle.
Bei Haftsachen gelte das Beschleunigungsgebot in besonderem Maße. Bei der zuständigen 1. Strafkammer handele es sich auch um die Schwurgerichtskammer. "Sobald es die Auslastung der Kammer zulässt, wird sie die Sache terminieren", so der Sprecher.
Bereits Anfang vergangenen Jahres hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom September 2022 wegen Rechtsfehlern in der Beweiswürdigung aufgehoben und den Fall zur erneuten Verhandlung an eine andere Kammer in Mühlhausen zurückverwiesen.
Die beiden Angeklagten waren damals wegen gemeinschaftlicher Sachbeschädigung und gefährlicher Körperverletzung zu milden Strafen verurteilt worden, was bundesweit auf massiver Kritik gestoßen war.
Das Gericht hatte weder einen schweren Raub noch ein politisches Tatmotiv als erwiesen angesehen. Staatsanwaltschaft und einer der Nebenkläger legten daraufhin erfolgreich Revision in Karlsruhe ein.
Rechtsanwalt: "Geschützt werden dort Neonazis"

Bei dem Übergriff 2018 waren zwei Journalisten aus Göttingen schwer verletzt worden. Diese waren in dem Prozess als Nebenkläger aufgetreten.
Bei dem Überfall seien die Journalisten nach einer Verfolgungsjagd durch die Verurteilten unter anderem mit einem langen Schraubenschlüssel und einem Messer attackiert und verletzt worden, hieß es in dem damaligen Verfahren. Außerdem verschwand eine Spiegelreflexkamera der Journalisten.
Einer der Nebenkläger hat inzwischen - wie vorher schon im ersten Verfahren - eine Verzögerungsrüge wegen des noch immer nicht angesetzten neuen Prozesses erhoben. Das Landgericht Mühlhausen bestätigte den Eingang der Rüge, die Voraussetzung für eine mögliche Entschädigungsklage wegen überlanger Verfahrensdauer ist.
Die Justiz in Mühlhausen versage in dem Verfahren, kritisierte der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam, der einen der Journalisten vertritt.
Die beiden Journalisten hätten von der Justiz in Mühlhausen weder Genugtuung noch Schutz zu erwarten. "Geschützt werden dort Neonazis." Ob sich die Nebenklage an einer Neuauflage des Prozesses noch einmal beteiligt, ließ er offen.
Titelfoto: Michael Reichel/dpa