Tag 4 im Halle-Prozess: Mutter des Attentäters wollte sich umbringen

Magdeburg - Über den Anschlag redet er gern und viel - bei persönlichen Fragen wird der Angeklagte im Halle-Prozess aber schnell still. Nun sollen andere dem Gericht berichten, was für ein Mensch der Beschuldigte vor der Tat war.

Am Mittwoch soll Stephan Balliets (28) Umfeld im Prozess zu Wort kommen.
Am Mittwoch soll Stephan Balliets (28) Umfeld im Prozess zu Wort kommen.  © Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa

Ist der Angeklagte im Prozess zum rechtsterroristischen Anschlag von Halle ein Einzeltäter, wie er vorgibt? Wusste wirklich niemand, was der Mann vorhatte, so wie er behauptet? 

Die Nebenklage hat daran erhebliche Zweifel und will am Mittwoch Menschen aus dem persönlichen Umfeld des Beschuldigten befragen.

Geladen sind unter anderem Mutter, Vater und Schwester des 28-Jährigen. Es wird jedoch erwartet, dass sie von ihrem Zeugenverweigerungsrecht Gebrauch machen.

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Außerdem sollen Lehrerinnen und Mitschüler befragt werden, insgesamt sind nach Angaben eines Sprechers am vierten Prozesstag acht Zeugen geladen. 

Der Beschuldigte hatte bisher stets beteuert, allein gehandelt zu haben und dass niemand von seinem Plan gewusst hatte (TAG24 berichtete).

Der Angeklagte Stephan Balliet hatte zu Prozessbeginn eingeräumt, am 9. Oktober 2019 schwer bewaffnet versucht zu haben, in der Synagoge von Halle ein Massaker anzurichten. Dem Angeklagten gelang es jedoch nicht, in die Synagoge zu gelangen. Daraufhin erschoss er vor der Synagoge eine zufällig vorbeikommende 40-Jährige und später einen 20-Jährigen in einem Dönerimbiss.

UPDATE, 16.30 Uhr: Stephan Balliets Mutter wollte sich nach dem Vorfall umbringen

Im Prozess zum rechtsterroristischen Anschlag von Halle haben Zeugen von der Kindheit und Jugend des Angeklagten berichtet. 

Die ehemalige Grundschullehrerin des Angeklagten beschrieb den heute 28-Jährigen am vierten Prozesstag als klug und ehrgeizig. Er habe eine bessere Allgemeinbildung gehabt als seine Mitschüler, sei aber kleiner und auch sonst körperlich unterlegen gewesen. Eine andere Grundschullehrerin, eine Bekannte der Mutter des Angeklagten, bestätigte das und beschrieb den Beschuldigten als ausgesprochen aufgeweckt und interessiert.

Die zweite Lehrerin nahm außerdem die Mutter des Angeklagten in Schutz, die ebenfalls Lehrerin gewesen war. Sie habe sich niemals antisemitisch oder rassistisch geäußert und sich auch um Schüler mit Migrationshintergrund immer sehr gut gekümmert, sagte die Zeugin. 

Am Dienstag hatte das Gericht einen Brief der Mutter vorgelesen, den die Mutter vor einem Suizidversuch in Folge des Anschlags an ihre Tochter, die Halbschwester des Angeklagten, geschrieben haben soll. Der Text hatte antisemitische Sätze und Verschwörungstheorien enthalten.

UPDATE, 12.45 Uhr: Zeuge berichtet von Antisemitismus des Angeklagten

Ein Zeuge hat von einzelnen Vorfällen berichtet, bei denen der Angeklagte Stephan Balliet schon früher seine rechtsextreme Einstellung kundgetan hat. 

So habe der heute 28-Jährige im Supermarkt einmal zwei Menschen angebrüllt, weil sich diese nicht auf Deutsch unterhalten hätten. Ein anderes Mal habe sich Stephan Balliet auch antisemitisch geäußert, schilderte der 31-Jährige vor dem Oberlandesgericht Naumburg. 

Nach eigenen Angaben war der Zeuge jahrelang mit der Halbschwester des Angeklagten liiert, hat ein Kind mit ihr und ist dadurch auch noch immer eng mit der Familie verbunden.

Der Bekannte der Familie von Stephan Balliet berichtete vor Gericht von regelmäßigen gemeinsamen Essen. Daran hätten neben dem Beschuldigten auch immer die Eltern teilgenommen, die trotz ihrer Scheidung ein gutes Verhältnis hätten. 

Mutter und Vater hätten immer viel gearbeitet und seien gestresst gewesen, so der Zeuge. Gleichwohl hätten diese für ihre beiden Kinder immer Zeit gehabt. Der Angeklagte selbst sei ein Einzelgänger gewesen. 

UPDATE, 10.45 Uhr: Familie des Angeklagten schweigt

Eltern und Halbschwester des Angeklagten wollen sich im Prozess nicht äußern. 

Die drei erklärten zu Beginn des vierten Prozesstages am Mittwoch in Magdeburg, von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen. Der Vater nickte seinem Sohn kurz zu, die Halbschwester wich den Blicken des Angeklagten aus. 

Ein Anwalt der Nebenklage versuchte, die Halbschwester, welche die gleiche Mutter hat wie der Angeklagte, davon zu überzeugen auszusagen. Die Richterin unterband das. 

Im Anschluss sollten der Exfreund der Schwester, sowie ehemalige Mitschüler und Lehrer des Angeklagten vernommen werden.

Im Falle einer Verurteilung drohen dem Angeklagten eine lebenslange Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherheitsverwahrung.

Titelfoto: Ronny Hartmann/dpa

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