Erstes Pilotprojekt zum autonomen Fahren: In Leipzig fährt der Bus bald ohne Fahrer

Leipzig - Als erste Kommune in Sachsen startet Leipzig ein Pilotprojekt für fahrerlose Busse im städtischen Straßenverkehr. Ab Herbst sollen die autonomen Gefährte zwischen dem Bahnhof der Neuen Messe und dem BMW-Werk pendeln - vorerst nur mit Technikern und Wissenschaftlern an Bord.

Vorreiter: Seit Februar 2020 verkehren bereits in der Altstadt von Monheim (NRW) autonome Busse - allerdings mit Maximalgeschwindigkeit 16 km/h und einem Operator an Bord.
Vorreiter: Seit Februar 2020 verkehren bereits in der Altstadt von Monheim (NRW) autonome Busse - allerdings mit Maximalgeschwindigkeit 16 km/h und einem Operator an Bord.  © imago images/Jochen Tack

Die Strecke ist sieben Kilometer lang, hat sechs Bushaltestellen und elf Ampelanlagen.

Voraussichtlich ab Oktober werden dort mit jeder Menge Sensoren bestückte Elektro-Kleinbusse verkehren. Und das nicht etwa im Schneckentempo - sondern mit "ortsüblichen" Geschwindigkeiten bis zu 70 km/h. "Das finden Sie bisher nirgendwo in Deutschland", sagt Leipzigs Verkehrsbetriebe-Sprecher Marc Backhaus.

Mit zehn Millionen Euro fördert der Bund das Zukunftsprojekt von insgesamt 14 Partnerfirmen. Maßgeblich an der Entwicklung beteiligt sind Wissenschaftler der TU Dresden.

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Eine der größten Herausforderungen ist etwa die Kommunikation der autonomen Busse mit den Ampelanlagen. So sollen die Lichtsignale den Bussen schon über Hunderte Meter Entfernung ihre aktuelle Schaltung verraten, damit die Fahrzeuge die Geschwindigkeit anpassen können.

Für das Pilotprojekt sollen ein e-Crafter von VW und ein französischer EasyMile-Kleinbus zum Einsatz kommen. Technisch ausgerüstet werden beide Busse von Fahrzeugmechatronik-Experten der TU Dresden. Sie werden auch zu den ersten "Fahrgästen" gehören, wenn das Pilotprojekt startet. "Die Erprobungsphase läuft ohne normale Fahrgäste, denn da werden erst einmal die ganzen Komponenten unserer Projektpartner getestet", erklärt Backhaus.

Erst, wenn der Testbetrieb erfolgreich verlaufen ist, könne man die Zulassung der Fahrzeuge und des Linienverkehrs beantragen - was Voraussetzung für die Fahrgastbeförderung sei.

2022 sollen die fahrerlosen Busse starten

So sieht er aus, der autonome Elektrobus der französischen Firma EasyMile, der in Leipzig eingesetzt werden soll.
So sieht er aus, der autonome Elektrobus der französischen Firma EasyMile, der in Leipzig eingesetzt werden soll.  © DPA

Mit zeitlichen Prognosen halten sich die Verkehrsbetriebe zurück. Avisiert ist das Jahr 2022. Im künftigen Linienbetrieb sollen die Fahrgäste die Busse dann via App anfordern können. Bis zu 16 Personen finden darin Platz.

Bereits 2017 experimentierten die Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) mit autonomen Bussen. Allerdings nur auf ihrem Betriebshof Trachenberge. Das Projekt mit einem Bushersteller aus der Schweiz wurde aber nicht weitergeführt.

"Hier gibt es einfach noch zu viele technische Herausforderungen oder ungeklärte Haftungsfragen bei Unfällen", erklärte DVB-Sprecher Falk Lösch auf Anfrage. Man verfolge die Entwicklung aber aufmerksam.

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Auch in Chemnitz und Zwickau gibt es nach Auskunft der örtlichen Verkehrsbetriebe aktuell keine Planungen zum autonomen Fahren.

Kommentar: Ist das die Zukunft?

TAG24-Redakteur Alexander Bischoff sieht den Einsatz von fahrerlosen Bussen in Großstädten eher skeptisch.
TAG24-Redakteur Alexander Bischoff sieht den Einsatz von fahrerlosen Bussen in Großstädten eher skeptisch.  © Ralf Seegers

In Leipzig wird jetzt eine Tür aufgestoßen - in die mobile Zukunft. Im Norden der Stadt werden bald fahrerlose Busse verkehren. Ein Pilotprojekt, in dessen Entwicklung der Bund zehn Millionen Euro steckt. Ingenieure und Wissenschaftler dürfen sich mal so richtig austoben und ihre Visionen umsetzen.

Was uns hinter der aufgestoßenen Tür erwartet, ist allerdings ungewiss. Denn nicht alles, was sich technisch umsetzen lässt, wird in der Praxis auch funktionieren.

Da ist zum einen die Komponente Wirtschaftlichkeit. Um autonomes Fahren in unseren Städten zu ermöglichen, sind tiefgreifende Veränderungen in der Verkehrsinfrastruktur vonnöten. Mit den Fahrzeugen "sprechende" Ampelanlagen, Fahrbahnleitsysteme, Sonderspuren für Autonome – und das in klammen Kommunen, denen oftmals schon das Geld für die Beseitigung von Schlaglöchern fehlt.

Auch der Faktor Mensch ist kaum kalkulierbar. Werden die Menschen fahrerlosen Bussen überhaupt vertrauen oder überwiegen Skepsis und Angst? Werden analoge Verkehrsteilnehmer die digitalen "Geisterfahrer" respektieren? Und wer haftet, wenn die Technik an ihre Grenzen stößt? Dieses Projekt wird ein riesiges Versuchsfeld - technisch, psychologisch und auch rechtlich.

Ganz persönlich kann ich mir autonome Busse schon vorstellen. Allerdings nicht im Großstadtgetümmel. Eher auf überschaubaren Strecken an der Peripherie, etwa als Zubringer zu Flughäfen oder Naherholungsgebieten. Vielleicht auch als Shuttle-Busse im ländlichen Raum.

Titelfoto: imago images/Jochen Tack

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