Leipziger Traditions-Bäckerei zieht Reißleine und gibt nach 159 Jahren auf
Von Lutz Brose
Leipzig - Das Dunckerviertel im Leipziger Stadtteil Neulindenau feierte im vergangenen Jahr seinen 70. Geburtstag. Seit der Gründung des Wohngebietes war die Bäckerei Tippner in der Morgensternstraße fester Bestandteil der Nachbarschaft und versorgte Generationen mit frischem Brot und Gebäck. An Heiligabend schließt nun auch der letzte Laden von einst über einem Dutzend Geschäfte.
Am Sonntagnachmittag verabschiedeten sich die Tippners mit einem kleinen Weihnachtsmarkt aus dem Dunckerviertel.
Für Susanne Tippner (40) war es mehr, als nur Brot und Brötchen oder Kuchen und Torten zu backen. Ihr Laden war stets Treffpunkt, Seelentröster oder auch mal nur zum Aufwärmen da. Doch der Preis dafür war hoch.
"In der Regel gingen sechs Tage mit jeweils 14 Stunden in der Woche drauf", berichtet die Bäckermeisterin.
Sie führt den Laden zusammen mit ihren Eltern, die längst das Rentenalter erreicht haben. "Ich fühle mich total ausgelaugt und müsste in den nächsten Jahren über 250.000 Euro in den Betrieb investieren."
Ein Berater empfahl ihr schließlich, die Reißleine zu ziehen. Und so macht sie die Bäckerei und Konditorei jetzt schweren Herzens dicht.
Bäckerei Tippner überstand einige Krisen im Viertel, doch jetzt ist Schluss
1988 hatte die Bäckerei Tippner den Standort im Quartier übernommen. Mit ihr zog einer der ältesten Leipziger Handwerksbetriebe nach Neulindenau, denn der Stammbetrieb in Knauthain existierte schon seit 1866 (früher Geisler).
Dennoch erwies sich der erste nach dem 2. Weltkrieg errichtete siedlungsartige Wohnkomplex in Leipzig bald als schwieriges Pflaster. Von einem der beliebtesten Wohngebiete mutierte das Viertel nach der Wende zur Geisterstadt.
Immer mehr Läden machten dicht, viele Anwohner hatten keine Arbeit oder wollten nicht länger mit Kohle heizen, zogen schließlich weg. Mehr als 50 Prozent der über 1000 Wohnungen standen leer.
Mit Beginn der Sanierungen Ende der 1990-er Jahre siedelten sich zudem zwei Supermärkte im angrenzenden Gewerbegebiet an der Plautstraße an. Dennoch gelang es der Familie Tippner über Jahrzehnte die Kundschaft mit leckeren Backwaren nicht nur bei Laune zu halten.
Susanne Tippner wird nun künftig deutlich länger schlafen können, denn die 40-Jährige wird Filialleiterin in einer anderen Bäckerei und auch für die Backstube in der Morgensternstraße gibt es Hoffnung.
Im neuen Jahr soll dort ein bekannter Leipziger Bäcker einziehen, der die Hälfte des Personals übernimmt. Ein Termin steht aber noch nicht fest.
Titelfoto: Bildmontage: Lutz Brose

