Räumung brutal! Wie ein MS-Kranker Wohnung, Hausstand und Therapiegerät verlor
Leipzig – Leipzig wächst - und der Mietwohnungsmarkt wird immer enger. Wie Verdrängung ein Leben schlagartig verändern kann, erfuhr Olaf Hoffmann (53) am eigenen Leib. Der an Multipler Sklerose (MS) erkrankte Frührentner verlor nicht nur seine Wohnung, sondern auch Teile seines Hausstandes, darunter ein wichtiges Therapiemittel.
Fast 24 Jahre lang lebte der einstige Industriekaufmann in einer einfachen, aber preiswerten Altbau-Dachgeschosswohnung in Leipzig-Plagwitz.
Seit sich der einstige Industrie-Stadtteil zur angesagten Hipster-Area wandelt, schießen auch hier die Immobilien- und Mietpreise in die Höhe. Auch das Haus, in dem Olaf Hoffmann lebte, wechselte den Besitzer. Heute gehört es einem jungen Privatier aus Nordrhein-Westfalen.
Schon bald gerieten beide in Streit. Hoffmann reklamierte eine undichte Balkontür sowie ein undichtes Dachfenster - und minderte eigenständig die Miete. Der Vermieter echauffierte sich über eine Holzbank mit Topfpflanze im Treppenhaus.
Als die durch die Minderung aufgelaufenen Mietrückstände 1200 Euro überschritten, flatterte dem Invalidenrentner (Pflegestufe 2) die Kündigung ins Haus. Die Sache landete vor Gericht.
MS-Kranker nach Gerichtsurteil ohne Wohnung
Und dort erlebte Hoffmann ein wahres Waterloo. Dem Gerichtsprotokoll zufolge unterließ es sein ehemaliger Anwalt, nach gescheiterter Güteverhandlung einen Klageabweisungsantrag zu stellen.
Die Folge: Hoffmann kassierte ein Versäumnisurteil auf Herausgabe seiner Wohnung - ein sofort vollstreckbares.
Am Morgen des 29. April klingelte es an der Tür des Invalidenrentners. "Da stand eine Gerichtsvollzieherin mit dem Räumungsbeschluss - ich hatte nur eine Stunde Zeit, um das Nötigste zusammenzupacken", erinnert sich Hoffmann.
Wenige Jahre nach der niederschmetternden MS-Diagnose war der früher kernige Mann, der bei akuten MS-Schüben heute auf einen Rollstuhl angewiesen ist, am Tiefpunkt seines Lebens angelangt - er sollte in eine Obdachlosenunterkunft ziehen.
Hoffmann fand zunächst Unterschlupf bei Freunden. Sein Rollstuhl und der Großteil seines Hausstandes, darunter sein Therapie-Trainingsgerät, verblieben in der vom Vermieter verschlossenen Wohnung. "Ich wusste ja nicht, wohin damit." Ein Fehler. Zwar bekam Hoffmann nach langem Hin und Her im Juli seinen Rollstuhl zurück, doch vom therapeutischen Hometrainer fehlte plötzlich jede Spur.
Dabei soll Hoffmann nach Empfehlung seiner Ärzte täglich damit trainieren, um seine Mobilität zu erhalten.
Weitere Altmieterin bereits gekündigt
Auf Anfrage von TAG24 erklärte der Hausbesitzer, von Hoffmanns Erkrankung bis zur Räumung nichts gewusst zu haben.
Zum Verbleib des Hometrainers machte er keine Angaben. Nach seiner Darstellung hätte der frühere Mieter seit der Räumung mehrfach Gelegenheit gehabt, nicht pfändbaren Hausrat aus der alten Wohnung zu holen.
Hoffmann widerspricht dem. Da er auch seine Brillen, Uhren und Münzgeld im Wert von rund 300 Euro seit der Räumung vermisst, will er Strafanzeige gegen den Vermieter erstatten.
Während Hoffmann noch bei Bekannten auf der Couch lebt und nach einer bezahlbaren Wohnung sucht, sind in seine alte Wohnung längst neue Mieter eingezogen. Und die zahlen laut Immobilien-Anzeige heute mehr an Kaltmiete als das, was er als Bestandsmieter bis zum Rauswurf warm bezahlen musste.
Und die nächste Altmieterin im Haus habe bereits die Kündigung erhalten, so Hoffmann.
Titelfoto: Alexander Bischoff