Uni Leipzig löst ihre Totenschädel-Sammlung auf: Bestattung nach 150 Jahren
Leipzig/New Orleans - Es ist ein Erbe, auf das die Universität Leipzig gern verzichten würde. Im Anatomischen Institut lagern mehr als 1200 Totenschädel, die überwiegend im 19. Jahrhundert von Forschern und Kolonial-Expeditionen in aller Welt zusammengeklaubt wurden. Wissenschaftler wollen die Sammlung nun auflösen und die menschlichen Überreste an die Herkunftsländer zurückgeben. Kürzlich wurden 19 Schädel zur Bestattung in den Süden der USA überführt.

Der Dampfschiff-Decksmann William Roberts war erst 23, als er Ende 1871 im Charity Hospital New Orleans an der Ruhr verstarb. Kaum tot, wurde der Leiche der Kopf abgenommen und zusammen mit weiteren 18 Schädeln verstorbener Afroamerikaner nach Deutschland zu Emil Ludwig Schmidt (1837-1906) verschifft.
Der Leipziger Anthropologe nutzte diese wie Tausende weitere Schädel zur "Rassen-Forschung" - einer heute als unwissenschaftlich geltenden Suche nach Zusammenhängen zwischen Schädelgröße und Intelligenz.
Anderthalb Jahrhunderte später lagern noch immer über 1200 Schädel, größtenteils aus den Sammlungen Schmidts und des Dresdner Pathologen Carl Gustav Carus (1789-1869), im Anatomischen Institut.
Seit 2021 versuchen Wissenschaftler und Studenten dort, deren Herkunft zu entschlüsseln, um sie in Würde in die Heimat der Toten rückführen zu können.

19 Totenschädel nach New Orleans überführt und beigesetzt

Ende Mai wurden nun die Überreste von 13 Männern, vier Frauen und zwei Unbekannten nach New Orleans überführt und dort in einer traditionellen Jazz-Prozession feierlich beigesetzt.
Vorausgegangen war eine aufwendige Recherchearbeit der Leipziger Wissenschaftler mit Kollegen der Dillard University New Orleans.
"Fast zwei Jahre hatte es vom ersten Kontakt bis zur Überführung gebraucht", berichtete Professor Martin Gericke (40), Vize-Direktor des Instituts für Anatomie.
In historischen Akten des Charity Hospitals fanden die Amerikaner dann tatsächlich noch Informationen über die Toten, denen man so ihre Namen, ihre Biografien und letztlich ihre Würde zurückgeben konnte.

"Wir konnten mit unserer Provenienzforschung zur Klärung und ein wenig zur Heilung des begangenen Unrechts beitragen", sagte Gericke. Langfristiges Ziel sei es, die anthropologische Sammlung in Leipzig vollständig aufzulösen.
Titelfoto: Bildmontage: picture-alliance/ZB/dpa ; Jacob Cochran/Dillard University