Morbid, mystisch, verwunschen: Der Acker der verlorenen Seelen
Von Thomas Gillmeister
Leipzig - Dieser Friedhof trägt Trauer: verlassen, verwildert, verwunschen. Anfang der 1990er-Jahre wurde er geschlossen. Am Totensonntag pilgern besonders Lost-Places-Anhänger zum Gottesacker auf der Suche nach morbider Mystik.

Wie Lianen umschlängeln wilde Triebe von Bäumen, Büschen und Blumen die Grabsteine. Den von der kleinen Franziska beispielsweise. Sie wurde nur vier Jahre alt. Gleich daneben liegt ein umgekippter Grabstein. Der ihrer Eltern? Das bleibt im Dunkeln.
Denn niemand pflegt mehr den Acker der verlorenen Seelen. Naturgesetze gelten jetzt. Die strenge Friedhofsordnung hat ausgedient.
Die Ursprünge des Friedhofs der Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde im Leipziger Süden gehen auf das Jahr 1877 zurück. Der Alte Friedhof Dölitz wurde bis Anfang der 1990er Jahre betrieben und dann aus wirtschaftlichen Gründen aufgegeben.
Mehrere stattliche Erbgräber zeugen noch von der Bestattungskultur Wohlhabender aus dem ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts.
Während die zum Teil reich verzierten Wände relativ gut erhalten sind, verrosten die schmiedeeisernen Gitter drumherum.
Verlassene Welt unweit der Leipziger City: Verfall zieht Lost-Places-Anhänger magisch an


Der unaufhaltsame Verfall zieht vor allem Lost-Places-Anhänger magisch an. Und während sie sonst weite Strecken auf sich nehmen müssen, um in so eine verlassene Welt eintauchen zu können, befindet sich der Alte Friedhof Dölitz nur ein paar Kilometer von der Leipziger City entfernt. Hier in der Leinestraße fahren täglich Tausende Autos an dem unscheinbaren Waldstück vorbei.
Es selbst zu erkunden ist nach wie vor erlaubt, doch auf eigene Gefahr und mit Respekt vor den Toten.
Titelfoto: Montage: Thomas Gillmeister; 123RF