Familie mit vier Kindern in den Irak abgeschoben - rettender Eilantrag kam wenige Stunden zu spät

Von Oliver von Riegen und Martina Herzog

Leipzig/Potsdam - Eine jesidische Familie mit vier minderjährigen Kindern aus Brandenburg ist in den Irak abgeschoben worden - auch wenn sie am selben Tag Erfolg mit einem Eilantrag gegen die Abschiebungsandrohung hatte.

43 Menschen wurden am Dienstag in den Irak abgeschoben.
43 Menschen wurden am Dienstag in den Irak abgeschoben.  © Hendrik Schmidt/dpa

Ein Sprecher des Brandenburger Innenministeriums sagte, die Familie sei am Dienstag mit einem Flug von Leipzig aus abgeschoben worden.

Für das Asylverfahren ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zuständig, für die Abschiebung das Land Thüringen.

Das Verwaltungsgericht Potsdam hob am Dienstag eine Entscheidung auf, nach der die Familie ausreisepflichtig war. Zuvor berichtete der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB).

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Das Bundesamt erklärte, in jedem Fall werde individuell geprüft, ob ein Schutz nach dem Asylgesetz erteilt werde. "Dabei dürfen Integrationsleistungen, so löblich sie auch sind, nicht berücksichtigt werden", teilte ein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur mit.

Die sechsköpfige Familie, die laut RBB seit 2022 in Lychen in der Uckermark lebte, klagte 2023 gegen die Ablehnung ihres Antrags auf internationalen Schutz und die Androhung der Abschiebung vor dem Verwaltungsgericht.

Da die Ansprüche auf Flüchtlingsschutz oder subsidiären Schutz aus Sicht des BAMF offensichtlich nicht vorlagen, wurde der Asylantrag als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt. Dies hatte eine Ausreisepflicht von einer Woche zur Folge.

Subsidiärer Schutz greift, wenn weder Flüchtlingsschutz noch Asylberechtigung gewährt werden können und ernsthafter Schaden droht.

An Bord befand sich auch eine sechsköpfige Familie.
An Bord befand sich auch eine sechsköpfige Familie.  © Michael Strohmeyer

Familie ist vor Gericht erfolgreich - wird aber trotzdem abgeschoben

Die Eltern mit ihren vier Kindern lebten seit drei Jahren in Lychen in der Uckermark.
Die Eltern mit ihren vier Kindern lebten seit drei Jahren in Lychen in der Uckermark.  © Hendrik Schmidt/dpa

Die Familie wollte per Eilantrag die aufschiebende Wirkung der Klage erreichen, das wies das Verwaltungsgericht im April 2023 ab. Damit war die Familie unabhängig vom Ausgang der Klage ausreisepflichtig.

Im April 2025 verhandelte das Gericht über die Klage auf Zuerkennung des internationalen Schutzes. Das Urteil dazu wurde der Familie noch nicht zugestellt.

Am Dienstag stellte die Familie dann beim Verwaltungsgericht einen Eilantrag, um den Eilbeschluss von April 2023 zu ändern.

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Doch da war die Abschiebung per Flug schon eingeleitet. Die Maschine startete nach Angaben von Flightradar um 10.52 Uhr - mit der Familie an Bord. Das Gericht hob die frühere Entscheidung nach Angaben eines Sprechers um 15.30 Uhr auf, weil es wegen neuerer Umstände Zweifel hatte, dass die Ablehnung des Flüchtlingsschutzes durch das BAMF als offensichtlich unbegründet rechtmäßig war.

Dabei ging das Gericht davon aus, dass das Bedürfnis nach Rechtsschutz noch besteht, weil es davon ausging, dass die Abschiebung nicht vollzogen war und die Familie die Transitzone des Flughafens Bagdad noch nicht verlassen hatte. Beim BAMF ging der Antrag um 12.17 Uhr ein.

Das Brandenburger Innenministerium hatte beim Bundesamt vor der Abschiebung nachgefragt, ob es Gründe dagegen gebe, was laut Ministerium verneint wurde. Zu welchem Zeitpunkt das war, war zunächst unklar.

Scharfe Kritik gegen BAMF

"Deutschland muss die jesidische Familie umgehend zurückholen, damit wir uns nicht am Genozid beteiligen", sagte der menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Max Lucks (28), dem Magazin "Focus" am Mittwoch. Er verlangte zugleich den Rücktritt des Präsidenten des BAMF, Hans-Eckhard Sommer (64).

Das Bundesamt breche mit der Abschiebung mit Recht und Moral. Sommer sei damit nicht länger tragbar in seinem Amt als Bamf-Chef, sagte Lucks.

Erstmeldung um 19.42 Uhr ; Update um 21 Uhr

Titelfoto: Michael Strohmeyer

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