Charly Hübners "Krieg und Frieden" am Theater Magdeburg: Was kann der 4-Stunden-Koloss?

Magdeburg - Am Freitagabend feierte "Krieg und Frieden" Premiere am Theater Magdeburg. Damit gibt "Polizeiruf"-Star Charly Hübner (52) sein Theaterregie-Debüt.

"Krieg und Frieden" am Theater Magdeburg beginnt mit einer Geburtstagsfeier in 2025...
"Krieg und Frieden" am Theater Magdeburg beginnt mit einer Geburtstagsfeier in 2025...  © Theater Magdeburg/Kerstin Schomburg

"Krieg und Frieden", im Original von Lew Tolstoi, handelt von den Napoleonischen Kriegen und deren Auswirkungen auf Russland, konkret auf die wohlhabende Familie Rostow und den Fürst Bolkonski.

In der Überarbeitung von Roland Schimmelpfennig und mit Texten von Magdeburgs Schauspieldirektor Bastian Lomsché und Regisseur Charly Hübner wird aus der Geschichte eher eine allgemeine Auseinandersetzung mit Krieg und seinen, besonders persönlichen, Folgen.

Hübner gibt mit "Krieg und Frieden" sein Theaterregiedebüt - und legt mit dem über vierstündigen Stück einen ordentlichen Koloss vor.

"Für Terrorabwehr ist der Staat zuständig": Magdeburger Schausteller reden Klartext
Magdeburg Kultur "Für Terrorabwehr ist der Staat zuständig": Magdeburger Schausteller reden Klartext

Mit zwei losgelösten Szenen am Anfang und Ende des Stücks - eine Familienfeier in Magdeburg in 2025, die irgendwann richtig eskaliert - schlagen Lomsché und Hübner einen gelungenen Bogen, um das Schauspiel erschreckend aktuell zu machen.

Premiere von "Krieg und Frieden": Tolle Show, tolle Schauspielerei, aber...

...und schlägt dann zu den Napoleonischen Kriegen in 1800 um.
...und schlägt dann zu den Napoleonischen Kriegen in 1800 um.  © Theater Magdeburg/Kerstin Schomburg

Der Stückbeginn ist ein komödiantisches Feuerwerk mit einem detaillierten Bühnenbild, der die Aufmerksamkeit des Zuschauers von der ersten Sekunde an einfängt.

Der 80. Geburtstag der Oma spitzt sich bis zum Mord zu und geht dann mit einem Knall - wortwörtlich - in die eigentliche "Krieg und Frieden"-Handlung in Russland im 19. Jahrhundert über.

In den folgenden 200 Minuten Spieldauer versucht das Schauspielensemble bedeutsam und nachdrücklich den Text über die Bühne zu bringen. Der Souffleur hatte am Premierenabend gut zu tun, das sollte bei diesem Text aber auch kein Wunder sein.

"La Traviata" am Theater Magdeburg endet mit Standing Ovations - und Buhrufen!
Magdeburg Kultur "La Traviata" am Theater Magdeburg endet mit Standing Ovations - und Buhrufen!

Von Sprechchören über kraftvolle Monologe bis hin zu Echos aus dem Off wird mit allen Mitteln der Kunst der alte Stoff ganz neu verpackt. Es wird mit unzähligen Kostümen, einer wandelnden Bühne, Sound- und Lichteffekten gearbeitet. Neben der schwellenden und gelungenen Ernsthaftigkeit schafft die Inszenierung aber auch immer wieder herrlich komische und rührende Momente.

Das Stückende artet dann zu einem Rap-Konzert mit einem fabelhaften Gitarrensolo aus und ist sicherlich einer der Hauptgründe, warum beim Applaus einige Zuschauer begeistert aus den Sitzen hüpfen.

Die Inszenierung spielt mit einer wandelhaften Bühne, vielen Kostümen, Licht- und Soundeffekten.
Die Inszenierung spielt mit einer wandelhaften Bühne, vielen Kostümen, Licht- und Soundeffekten.  © Theater Magdeburg/Kerstin Schomburg

Ist "Krieg und Frieden" einen Besuch wert?

Besonders die Leistung des Schauspielensembles überzeugt.
Besonders die Leistung des Schauspielensembles überzeugt.  © Theater Magdeburg/Kerstin Schomburg

Besonders zu loben ist das zehnköpfige Schauspielensemble. Die schwierigen und facettenreichen Rollen werden mit Kraft, Überzeugung und vor allem ganz viel Durchhaltevermögen gespielt.

Dabei fordert Hübners Inszenierung für vier Stunden den vollen Körpereinsatz aller Anwesenden - was am Premierenabend bei 25 Grad in dicken Fellmänteln wahrscheinlich einem Marathon gleichkommt.

Gibt es was zu meckern? Man muss Tolstois Riesen-Geschichte über vier Stunden erstmal durchgehend spannend halten - das ist Regisseur Charly Hübner leider nicht immer gelungen.

Besonders in der zweiten Hälfte griff der "Polizeiruf"-Star öfter zu Inszenierungsansätzen, die nicht ganz nachvollziehbar waren und die Szenen wurden so langwierig, dass der ein oder andere Zuschauer eifrig auf die Uhr schaute und der Pause entgegenfieberte - der tollen Schauspielleistung zum Trotz.

Fazit: "Krieg und Frieden" ist ein Koloss eines Schauspiels, mit dem sich das Theater Magdeburg bald in die Spielzeitpause verabschiedet. Zwar wird sich nicht jeder mit der teils schrägen Inszenierung anfreunden oder vier Stunden ruhig im Zuschauerraum sitzen können, aber die Aktualität des Stückes überzeugt - Kloß im Hals inklusive. Allein aufgrund einer fantastischen, einmaligen, kraftvollen Ensemble-Leistung sollte man "Krieg und Frieden" keinesfalls abschreiben.

Weitere Vorstellungen findet Ihr auf dem Spielplan des Theaters.

Titelfoto: Theater Magdeburg/Kerstin Schomburg

Mehr zum Thema Magdeburg Kultur: