Besuch bei Hells Angels-Legende Sonny Barger

Die Rockerszene in Sachsen - sie ist bunt und vielfältig, aber auch verschlossen und voller Rätsel. In unserer neuen Serie wollen wir einen Einblick in eine faszinierende, teilweise auch verstörende Subkultur geben - unverstellt, ungeschönt und jenseits üblicher Klischees. Rockerclubs haben uns ihre Türen geöffnet, Polizisten ihre Akten, ein Philosoph seine Gedankenwelt.

Der berühmteste Höllenengel der Welt

Hells Angels-Legende Sunny Barger (76, l.) im Gespräch mit Morgenpost-Autor Jens Fuge.
Hells Angels-Legende Sunny Barger (76, l.) im Gespräch mit Morgenpost-Autor Jens Fuge.

Von Jens Fuge

Die Hells Angels: Größter und härtester Rockerclub der Welt. Ihre Ikone: Sonny Barger. Die Höllenengel verehren ihn wie einen Heiligen: Mitbegründer, Anführer, lebende Legende.

Der heute 76-Jährige war lange Präsident des Charters im kalifornischen Oakland. Er saß zehn Jahre im Knast, schrieb unter anderem das Buch „Hells Angel: Mein Leben“ und gilt weltweit als die Ikone des Clubs. Jetzt stand ich, der MOPO24-Reporter, in seinem Wohnzimmer.

Ich war mit einem Kontaktmann aus Tucson nach Phoenix gefahren, wo sich vor den Toren der Stadt das Anwesen der Bargers befindet.

Es hatte lange gedauert, ehe über einige Kontakte die Zustimmung kam, den berühmtesten Hells Angel der Welt besuchen zu können.

Nun kam er auf mich zu, streckte mir die Hand entgegen. Er trug ein ärmelloses T-Shirt, ich konnte das älteste Einprozenter-Tattoo der Welt erkennen, das seinen Oberarm ziert.

Ich konnte nicht nur das Anwesen Bargers besichtigen, sondern auch lange Interviews mit ihm führen. Wir sprachen vor allem übers Altern und die Gesundheit, denn Barger hat nicht nur einen Herzinfarkt und schwere Unfälle, sondern auch zweimal den Krebs überwunden.

Sonny mit seinen Hunden vor seinem Haus in Arizona.
Sonny mit seinen Hunden vor seinem Haus in Arizona.

Und noch heute fährt der berühmte Angel über 70 000 Kilometer auf seiner Victory - pro Jahr!

Ständig ist Barger unterwegs, entweder mit seinem Charter „Cave Creek“ (Arizona) oder auf Werbetour für seinen Film „Dead in 5 Heartbeats“, der letztes Jahr auf die Leinwand kam. Seit nunmehr 58 Jahren ist er Clubmitglied - weltweit einzigartig!

Eiserne Disziplin hilft Barger, so fit zu bleiben. Er steht jeden Morgen um fünf Uhr auf, versorgt die Pferde, mistet den Stall aus, reitet eine Runde.

Zudem geht er täglich in sein eigenes Fitness-Studio, bevor er mit dem Motorrad ausfährt. Gegen 21 Uhr geht er ins Bett. Ausnahme: wenn der Club ruft. Dann setzt er sich auf sein Bike und fährt ins Clubhaus.

Mit Blick auf die jüngere Generation sagt er: „Ich weiß nicht mehr, was 30-Jährige heute denken. Ich mache keine Politik mehr.“ Die beste Entscheidung seines Lebens sei gewesen, dass er in den 50er Jahren kein Beatnik geworden sei.

Die Sonny-Verehrung der Hells Angels geht zuweilen bis unter die Haut.
Die Sonny-Verehrung der Hells Angels geht zuweilen bis unter die Haut.

Damals hatte er die Schriftsteller Kerouac, Cassidy und Ginsberg kennen gelernt und ihre Schriften studiert, sich aber lieber dem Bikerleben zugewandt: „Nun bin ich über 57 Jahre später immer noch Biker, und die Beatniks gibt es schon längst nicht mehr.

Seine über zehn Jahre im Knast sieht er heute mit Abstand. „Das war ein wichtiger und wertvoller Teil auf dem Weg zum Erwachsenwerden“, sagt Barger.

Seinem Ansehen in den Vereinigten Staaten hat es nicht geschadet. Im Gegenteil: Autogramme und Fotos mit dem berühmten Hells Angel stehen auch beim „Normalbürger“ hoch im Kurs. Mittlerweile wird Sonny Barger als „Amerikanische Legende“ verehrt.

Sonny mit blonder Sozia auf seiner Victory auf dem Weg nach Phoenix.
Sonny mit blonder Sozia auf seiner Victory auf dem Weg nach Phoenix.

Was sind Einprozenter und Outlaw-Biker?

Das Einprozenter-Abzeichen an der Kutte eines Hells Angels.
Das Einprozenter-Abzeichen an der Kutte eines Hells Angels.

Wenn die Rede von besonders gefährlichen Rockern ist, fällt oft der Begriff „Einprozenter“. Das hat einen historischen Ursprung:

Im kalifornischen Städtchen Hollister hatte 1947 eine Gruppe wilder Biker zu heftig gefeiert, und die amerikanische Presse hatte groß darüber berichtet.

Die Vereinigung amerikanischer Motorradfahrer (AM) soll daraufhin versichert haben, dass nur ein Prozent der Biker zu Übertreibungen dieser Art neigen solle. Daraufhin reagierten die harten Jungs mit dem 1%-Aufnäher, dass sie seither voller Stolz trugen.

Die reine Provokation, ein Bekenntnis zum Außenseiter-Dasein.

Die Bedeutung heute ist leicht verändert: Wer dieses Zeichen offen trägt, zählt sich zum geringen Teil derer, die ihr gesamtes Leben den Werten der Rockerszene unterordnen.

Er lebt in einer eigenen Welt mit eigenen Regeln. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass der Träger kriminell ist und die deutschen Gesetze nicht anerkennt.

In der Szene gibt man sich gern hart und autonom. Letztlich ist es wie überall: es gibt solche und solche.

Den Begriff OMCG, „Outlaw Motorcycle Gangs“, verwenden ausschließlich die Behörden. Die Clubs beteuern, sie seien keine „Gangs“.

Der Begriff „Outlaw“ kommt ebenfalls aus den Nachkriegszeiten in den USA. Die vielen Rennen damals wurden von der AMA organisiert. Wer außerhalb dieses Reglements die Kräfte maß, fuhr ein „Outlaw-Rennen“.

Nun wird der Begriff für Rocker allgemein verwendet, wobei die Bezeichnung nicht richtig ist: Nur die allerwenigsten sehen sich als „Outlaw“, der außerhalb der Gesetze steht.

Weitere Teile der Serie:

HELLS ANGELS MC: DIE ROT-WEISSE MACHT AUS LEIPZIG

WIE KRIMINELL SIND DIE HELLS ANGELS WIRKLICH?

ALLE TEILE DER ROCKER-SERIE

Fotos: imago, Jens Fuge, Alexander Bischoff