Von Sabine Dobel
München - Zwei Mal schon musste die Neue Prager Hütte am Großvenediger schließen. Anfang August, mitten in der Hauptsaison, fehlte in den vergangenen beiden Jahren das Wasser. Es war zu warm, der Gletscher hat sich weit zurückgezogen. Nun gibt es einen radikalen Umbau.
Ertüchtigung nennt der Deutsche Alpenverein (DAV) die Baumaßnahme an seiner Hütte, die insgesamt knapp eine Million Euro kosten wird.
2022 waren rund ein Dutzend DAV-Hütten von Wassermangel betroffen, 2023 etwa ein halbes Dutzend. Ein schneearmer Winter, ein regenarmes Frühjahr, viele Hitzetage - auch in dieser Saison gibt es Engpässe.
DAV-Vizepräsident Wolfgang Arnoldt sagt angesichts der massiven Erwärmung, womöglich müsse man irgendwann überlegen: "Welche Hütten sind überhaupt zu halten?" Hier müsse die Wissenschaft eingebunden werden, um zu entscheiden: "Lohnt das noch?"
Umdenken ist nötig - und umbauen. Solarmodule auf dem Dach hat die Neue Prager Hütte (2796 Meter) bereits. Das Ziel lautet jetzt: Viel Wasser sparen - und mehr Wasser speichern.
Wasser sparen und Würmer fürs Hütten-Klo
Ein Hauptverbraucher ist die Toilettenspülung. An die sechs Liter rauschen pro Spülung durch. Größere Wasserspeicher sollen nun Trockenzeiten überbrücken helfen, Trockentoiletten den Tagesverbrauch halbieren.
Einige Hütten haben schon Trockenklos. Gerade wird die Hochlandhütte im Karwendel umgerüstet, weitere sind in Planung.
Der Toilettenbetrieb in dieser Höhe ist eine Wissenschaft für sich. Die Feststoffe werden in Säcken gesammelt, teils kompostiert und derzeit per Helikopter ins Tal geflogen. "Das ist nicht unser ökologischer Standard. Deswegen wollen wir davon weg", sagt Moritz Pfeiffer, beim DAV zuständig für die Baumaßnahme.
Würmer sollen hier helfen. Sie sollen die Feststoffe so weit zersetzen, dass nur ein Häufchen Erde übrigbliebt. Der bei DAV für Hütten und Wege zuständige Robert Kolbitsch züchtet die Würmer derzeit im Innenhof der Bundesgeschäftsstelle in München in einem Kompostbehälter.
Gletscherschwund "schneller als je gedacht": Gefahren für Bergsteiger und Talorte
Fotos zeigen: Vor 150 Jahren begann der Gletscher auf knapp 2500 Metern Höhe direkt an der Alten Prager Hütte. Die Gletscherschmelze schreitet rasant voran - "schneller als je gedacht", sagt Florian Jurgeit vom Nationalpark Hohe Tauern.
Da, wo sich früher vermeintlich ewiges Eis mehrere Hundert Meter dick türmte, weiden heute Schafe. Und da, wo 2019 noch Gletscher war, hat sich ein 15 Hektar großer See gebildet.
In den Alpen ist die Erwärmung doppelt so hoch wie im globalen Schnitt, sagt der DAV-Geowissenschaftler Tobias Hipp. Die Hälfte der Gletscher wird hier Prognosen zufolge bis Mitte des Jahrhunderts verschwinden.
Auch der Permafrost, der den Boden in der Höhe zusammenhält, schmilzt. Berghütten werden instabil. Der Felssturz in Blatten in der Schweiz, der Bergsturz am Fluchthorn, der den Gipfel um 20 Meter niedriger machte, der Gletschersturz an der Marmolata mit elf Toten und gerade ein Felssturz im Nationalpark Berchtesgaden mit einem verletzten Wanderer - die Gefahren steigen.
Eine Reihe klassischer Hochtouren ist nicht mehr machbar. Unbegehbar, zu gefährlich. Bergführer Hans Hocke sagt: "Wir müssen Wege verändern, wir müssen Routen verändern, wir müssen Zeiten verändern. Und wir müssen verzichten."