3000 Arbeitsplätze fallen weg! Windkraftfirma Enercon gibt Schuld der Bundesregierung

Aurich/Magdeburg - Der deutschen Windkraft-Branche geht es nach etlichen guten Jahren immer schlechter. Nun hat mit Enercon einer der größten Anlagenbauer massives Stellenstreichen verkündet.

Ein Rotorblatt verlässt die mittlerweile stillgelegte Fabrik des Enercon-Zulieferers Aero Ems in Haren (Ems). (Archivbild)
Ein Rotorblatt verlässt die mittlerweile stillgelegte Fabrik des Enercon-Zulieferers Aero Ems in Haren (Ems). (Archivbild)  © dpa/Carmen Jaspersen

Nach der Ankündigung wollen Politik und Wirtschaft nach Auswegen aus der Krise suchen.

Kommende Woche seien dazu Gespräche mit der Landes- und Bundespolitik geplant, sagte ein Enercon-Sprecher am Samstag im ostfriesischen Aurich.

Enercon hatte am Freitag angekündigt, nach Einbrüchen beim Absatz bis zu 3000 Stellen abzubauen. Weltweit beschäftigt der Enercon-Verbund nach eigenen Angaben etwa 18.000 Mitarbeiter.

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"Der Abbau betrifft das eigene Unternehmen und direkte Produktionspartner", sagte Sprecher Felix Rehwald am Samstag.

Aber auch Zulieferer, Handwerksbetriebe und regionale Zeitarbeitsfirmen bekämen die Folgen zu spüren.

1500 Stellen alleine in Magdeburg in Gefahr

Am Hauptsitz in Aurich unterhält Enercon ein Besucherzentrums, das Energie-, Bildungs- und Erlebniszentrum (EEZ).
Am Hauptsitz in Aurich unterhält Enercon ein Besucherzentrums, das Energie-, Bildungs- und Erlebniszentrum (EEZ).  © dpa/Mohssen Assanimoghaddam

Ostfriesland und Magdeburg wären mit jeweils 1500 Arbeitsplätzen betroffen. Allein bei der zentralen Verwaltung in Aurich stünden bis zu 300 Arbeitsplätze auf der Kippe.

Der genaue Umfang an den einzelnen Standorten oder die Auswirkungen auf die Lieferketten seien jedoch derzeit nicht abzusehen.

Das Unternehmen habe 2018 erstmals ein Minus gemacht und einen Verlust von 200 Millionen Euro geschrieben, sagte Rehwald.

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Für das laufende Jahr werde ein noch höherer Verlust im dreistelligen Millionenbereich erwartet.

Deutschlandweit habe das Unternehmen in den ersten zehn Monaten dieses Jahres nur 65 Windkraftanlagen errichtet, 2017 seien es noch 711 gewesen.

Enercon-Geschäftsführer Hans-Dieter Kettwig hatte den Stellenabbau mit der Energiepolitik der Bundesregierung begründet, die zu einem Einbruch des Markts für Windenergie an Land geführt habe.

Enercon wollte bereits im vergangenen Jahr 800 Stellen abbauen und sich stärker internationale ausrichten.

Klimaschutzprogramm verschärft das Problem

Bei Enercon in Magdeburg stehen 1500 Jobs auf der Kippe.
Bei Enercon in Magdeburg stehen 1500 Jobs auf der Kippe.  © dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Die Zeiten, in denen Deutschland der größte Markt für Windkraftanlagen in Europa war, sind vorbei. Jetzt herrscht Flaute in der Branche.

"Die aktuelle Energie- und Klimapolitik gefährdet nicht nur über Jahre aufgebautes Know-how und Arbeitsplätze in unserer Branche, sondern auch den Klimaschutz und die Energiewende insgesamt", sagte Enercon-Manager Kettwig.

"Nach Vorlage des Klimaschutzpakets der Bundesregierung wird klar, dass die Probleme für uns sogar noch größer werden."

Der Bundesverband Windenergie sprach angesichts des Stellenabbaus bei Enercon von einem "letzten Weckruf".

Präsident Hermann Albers rief die Regierung auf, "das Wertschöpfungsnetzwerk Wind in Deutschland zu halten". Auch der Bezirksleiter der IG Metall Küste, Meinhard Geiken, warnte: "Es droht ein dramatischer Kahlschlag in der Windindustrie."

Enercon ist in der Misere nicht allein. Erst im April hatte Konkurrent Senvion aus Hamburg Insolvenz angemeldet. Bei Nordex mit Sitz in Rostock brach der Gewinn im ersten Halbjahr um mehr als die Hälfte ein. Als Hauptgründe für die Branchenkrise gelten lange Genehmigungsverfahren, zu wenig ausgewiesene Flächen und viele Klagen von Bürgerinitiativen.

Allerdings sind auch die Unternehmen selbst für den Niedergang verantwortlich. Wer sich vor allem auf den Inlandsmarkt konzentriert und wenig Offshore-Anlagen im Angebot hat, bekommt Probleme.

Nach der Solar-Branche nun die Wind-Industrie?

Bei Wartungsarbeiten wird die Rotornabe von einem Windrad entfernt. (Archivbild)
Bei Wartungsarbeiten wird die Rotornabe von einem Windrad entfernt. (Archivbild)  © dpa/Julian Stratenschulte

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte nach einem "Windkraftgipfel" Anfang September zwar ein Maßnahmenprogramm angekündigt, um den Ausbau zu beschleunigen - konkrete Ergebnisse gibt es bisher aber nicht.

Um die Akzeptanz für die Windräder zu erhöhen, hat sich die schwarz-rote Koalition in Berlin in ihrem Klimaschutzprogramm zudem auf verschärfte Vorgaben verständigt: Bis zu einem Mindestabstand von 1000 Metern zu Wohngegenden sollen künftig keine neuen Windkraftanlagen errichtet werden.

Die Windbranche sieht in dieser Abstandsregelung die Gefahr, dass der Ausbau weiter abgewürgt wird.

Der Grünen-Fraktionsvize im Bundestag, Oliver Krischer, machte die Energiepolitik der Bundesregierung auch für den Stellenabbau bei Enercon verantwortlich. "Während weltweit die Windenergie boomt, bricht in Deutschland die Industrie zusammen", sagte Krischer.

"Die Bundesregierung treibt nach der Fotovoltaik gerade eine weitere Zukunftsbranche aus dem Land." Altmaier warf Krischer vor, mehr Arbeitsplätze bei der Erneuerbaren Energie vernichtet zu haben als es in Kohle-Industrie überhaupt gebe.

Und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) warnte, es gehe nun "um die Glaubwürdigkeit der Klimaschutzpolitik insgesamt".

Titelfoto: dpa/Carmen Jaspersen

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