Happy "420"? Steigender Cannabis-Konsum alarmiert Behörden und Mediziner

Kiel/Hannover - Immer mehr Kinder und Jugendliche rauchen anscheinend Gras und auch in Deutschland wird das am 20.4. (in amerikanischer Schreibweise 4/20) zunehmend gefeiert.

Ein junger Mann hat gerade einen Joint gerollt.
Ein junger Mann hat gerade einen Joint gerollt.  © DPA

Jedes Jahr am 20. April zelebrieren vor allem junge Cannabis-Anhänger weltweit weniger das Osterfest als den "National Weed Day". Das Trend-Thema aus den USA und Kanada bringt das Internet heute unter dem Hashtag #420 (englisch ausgesprochen: "four-twenty") deshalb komplett zum Durchdrehen.

Und auch in Deutschland fasst der Protest für legalen Cannabis-Konsum zunehmend Fuß: Nach Polizeiangaben sind 420 Personen für eine Demo in Berlin angemeldet. Organisator ist nach eigenen Angaben die Ortsgruppe des Deutschen Hanfverbandes.

Doch Behörden und Mediziner sind angesichts solcher Trends alarmiert. Der Grund: Die aktuelle Kriminalstatistik, beispielsweise in Niedersachsen, zeigt, dass sich die Zahl der mit Drogen erwischten Minderjährigen seit 2010 verdoppelt hat.

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Die Dunkelziffer der tatsächlichen Konsumenten sei vermutlich noch höher. Die Präventionsbemühungen der Polizei an Schulen würden durch die immer wiederkehrende Debatte um eine Freigabe von Cannabis untergraben, klagen das Landeskriminalamt (LKA) in Hannover sowie Niedersachsens Landespolizeipräsident Axel Brockmann.

Seit 2016 versucht das LKA mit der Anti-Cannabis-Kampagne "Die Rauchmelder" an weiterführenden Schulen vor den Gefahren des Konsums zu warnen. Thüringen hat das Projekt inzwischen in Gänze und Baden-Württemberg teilweise übernommen. Ein vom LKA erstelltes Medienpaket für Lehrer wurde bundesweit zehntausendmal an Schulen verteilt.

Steigt die Zahl der jungen Konsumenten in Deutschland wirklich massiv?

Rauschgiftdelikte in Deutschland seit 2007 und 2017, sortiert nach Drogenarten. Cannabis sticht aus dieser Statistik eindeutig heraus.
Rauschgiftdelikte in Deutschland seit 2007 und 2017, sortiert nach Drogenarten. Cannabis sticht aus dieser Statistik eindeutig heraus.  © DPA

Schaut man etwas genauer in die Kriminalstatistik, zeichnet sich allerdings ein differenzierteres Bild:

Zwar habe sich die Anzahl der Konsumenten statistisch gesehen seit 2010 verdoppelt, im Vergleich zu 2017 zeigen die Zahlen aber auch einen erneuten Rückgang der Rauschgiftdelikte bei jungen Menschen – und das um fast 5 Prozent. Vor allem junge Mädchen konsumierten deutlich weniger.

Gründe für den langjährigen Anstieg sind nach LKA-Erkenntnissen angeblich unter anderem die Verfügbarkeit von Cannabis. Nach Auffassung von LKA-Präsident Friedo de Vries sei aber auch die andauernde Legalisierungsdebatte für den Konsumanstieg verantwortlich: "Diese suggeriert gerade jungen Menschen, dass etwas, dass legal erworben werden kann, ja für sie nicht schädlich sein kann."

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Im vergangenen Sommer waren im Landtag in Hannover FDP und Grüne mit ihrer Forderung nach einer legalen Abgabe von Cannabis an Erwachsene auf mehr Ablehnung als Zustimmung gestoßen. Die beiden Fraktionen hatten die Einrichtung eines wissenschaftlich begleiteten Modellprojekts vorgeschlagen.

An der Drogenpolitik scheiden sich auch im Kieler Landtag weiter die Geister (TAG24 berichtete). Ein Modellversuch zur kontrollierten Cannabis-Freigabe kommt zumindest in Norddeutschland vorerst nicht, obwohl ihn auch die mitregierenden Grünen und FDP in Kiel wollen. Der Ball liegt letztendlich in Berlin.

Kanada, die USA, Südafrika und andere Staaten haben schon mit der Legalisierung begonnen

Hanf-Pflanzen wachsen hier in Deutschland – nach wie vor illegal – in einem privaten Garten.
Hanf-Pflanzen wachsen hier in Deutschland – nach wie vor illegal – in einem privaten Garten.  © DPA

Die Legalisierung und die Entkriminalisierung von Cannabis-Produkten schreiten immer weiter voran:

Nach Kanada und einigen US-amerikanischen Ländern, schloss sich kürzlich beispielsweise auch Südafrika der Bewegung an.

In Deutschland rollt der Anbau für Medizinische Zwecke gerade an (TAG24 berichtete).

Die Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen und Vizepräsidentin der Bundesärztekammer, Martina Wenker, erklärte zum illegalen Konsum jungen Menschen in Deutschland:

"Mit zunehmend großer Sorge beobachte ich bereits jetzt die negativen Auswirkungen der Cannabis-Legalisierungsdebatte mit Verharmlosung der gesundheitlichen Folgen bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen."

Deutsche Politiker streiten über die Aufrechterhaltung des Konsumverbots

Eine aktuelle kanadische Studie warne angeblich erneut vor frühem Cannabiskonsum, da dieser einen weitaus größeren gesundheitlichen Schaden in der Entwicklung Heranwachsender verursacht als Alkoholmissbrauch. Wenker forderte statt einer Legalisierung von Cannabis deshalb eine deutlich stärkere Aufklärungs- und Präventionsarbeit.

Die schleswig-holsteinische CDU-Politikerin Andrea Tschacher schlägt in die selbe Kerbe: Cannabis sei eine Einstiegsdroge hin zu harten Drogen. Konsum und Wirkstoffgehalt hätten sich in den letzten Jahren vervielfacht.

Die Kriminalisierung des Konsums habe keine präventive Wirkung entfaltet, konterte Bernd Heinemann von der SPD in Schleswig-Holstein Anfang des Jahres. Er verwies auf Portugal: Nach einer Entkriminalisierung vor 17 Jahren sei der Konsum deutlich gesunken.

"Jegliche Prohibition von Genussmitteln nutzt nichts", meinte auch der Grüne Burkhard Peters. Nur negative Folgen seien belegt: So sei der Aufstieg der Mafia in den USA (1920 bis 1933) unmittelbar mit dem Alkoholverbot verbunden gewesen.

Der Stillstand in der Berliner Politik in Sachen Modellversuche, die endlich Klarheit bringen könnten, ist für einige Politiker jedenfalls unerträglich: "Die eigentlichen Einstiegsdrogen sind Tabak und Alkohol", betonte Peters.

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