Unterricht mal anders: Lehrerin schockt Schüler mit Fotos gequälter Tiere

München - Zusammengepferchte Hühner auf dem Gitterrost und Kälbchen ohne Mama - sollte man Kindern die oft gar nicht bullerbühafte Welt der Tiere in Schulen vermitteln?

Die Tierschutzlehrerin Melanie Reiner, Geschäftsführerin Animals United, gibt in der Schul-Tierschutz-AG einer Mittelschule eine Unterrichtsstunde.
Die Tierschutzlehrerin Melanie Reiner, Geschäftsführerin Animals United, gibt in der Schul-Tierschutz-AG einer Mittelschule eine Unterrichtsstunde.  © Peter Kneffel/dpa

Man hat schon schlimmere Bilder gesehen aus deutscher Tierhaltung als jene, die Melanie Reiner den neun Mädchen und vier Buben an einer Münchner Mittelschule gerade zeigt.

Schweine im eigenen Kot, Hühner auf dem Gitterrost, verwahrloste Kühe. Aber sie verfehlen ihre Wirkung nicht. "Ich find' das sehr, sehr traurig", sagt eines der Mädchen.

"Ich find' nicht gut, dass kleine Kälbchen von der Mutter getrennt werden. Die haben auch viel zu wenig Platz zum Spielen und da hat jeder ein Recht drauf."

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Etwa zehn bis zwölf Jahre alt sind die Kinder, die hier in einer Tierschutz-AG etwas über "Umgang und Pflege von Tieren" lernen sollen, wie es auf den Webseiten der Schule heißt.

Melanie Reiner ist Mitgründerin und Geschäftsführerin der Tierrechtsorganisation Animals United.

Sie hat auf Lehramt studiert und außerdem an einer Weiterbildung des Deutschen Tierschutzbundes zur Tierschutzlehrerin teilgenommen. Mit dem Unterricht möchte sie eine "informierte Haltung" der Kinder gewährleisten.

"Ich möchte den Kindern überhaupt nicht vorschreiben, wie sie zu leben haben, was sie dürfen und nicht dürfen." Auch gehe es ihr nicht darum, grausame Bilder zu zeigen, sondern darum, "Informationen weiterzugeben".

Kann man Kindern die Realität der Tierhaltung zumuten?

Melanie Reiner, Geschäftsführerin Animals United, zeigt, wie Kühe in Deutschland gehalten werden können.
Melanie Reiner, Geschäftsführerin Animals United, zeigt, wie Kühe in Deutschland gehalten werden können.  © Peter Kneffel/dpa

Die Kinder warnt sie dann auch schon mal vor, wenn die Bilder schlimme Zustände zeigen: "Jetzt kommen Bilder, die Euch vielleicht traurig machen", kündigt sie in solchen Fällen an. Wer das nicht mag, soll dann lieber die Augen zumachen. Wenn sie aber nichts zeige, fürchtet Reiner, würden die Kinder zuhause selbst googeln - und unbegleitet auf noch Schlimmeres stoßen.

Man müsse darauf achten, dass die Kinder nicht mit einer zu großen Last aus dem Unterricht gingen, sagt auch Maja Masanneck, Leiterin des Referats für Kinder- und Jugendtierschutz beim Deutschen Tierschutzbund.

"Muss man einen plattgefahrenen Igel zeigen oder einen Igel vor einem Reifen? Wir plädieren für Letzteres."

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Die Rückmeldungen der Teilnehmer zeigen laut Masanneck Begeisterung und auch ein verändertes Kaufverhalten, etwa bei Eiern.

In seinen Lehrgängen hat der Deutsche Tierschutzbund etwa 140 Interessierte wie Lehrer oder Tierärzte, meist aus Nordrhein-Westfalen und Süddeutschland, weitergebildet. 35 der Lehrer stammen aus Bayern, wie Simone Fleischmann angibt, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes.

Dass auch Kritik am Tierschutz-Unterricht geübt werden könne, sei klar.

Was halten die Bauern vom Tierschutzunterricht?

Die Schüler sollen mehr über die Haltung und Pflege von Nutztieren lernen.
Die Schüler sollen mehr über die Haltung und Pflege von Nutztieren lernen.  © Peter Kneffel/dpa

"All diese Themen, die ein Stück weit ethisch sind und eine bestimmte Lebensweise abbilden, laufen immer Gefahr, durch Vermittlung anzuecken." Da könne es passieren, dass Eltern sich bei der Essensauswahl bevormundet fühlen, wenn die Kinder auf einmal Vegetarier sein wollen.

Reiner zeigt inzwischen Fotos von Tieren, denen die Kinder verschiedene Lebensmittel zuordnen sollen. Pizza Margherita - "was ist da vom Tier drauf?", fragt Reiner. "Nichts!", glaubt einer der Buben.

Später stehen die Kinder mit bloßem Fuß auf drei Stiften. Au! "Warum machen wir das? Genau, damit wir uns mal in die Lage versetzen von den Tieren", erklärt Reiner und zeigt ein Foto von Hühnern, dicht gedrängt auf dem Gitterrost.

Doch was sagen die Bauern zum Tierschutzunterricht? Verständlich, dass der Deutsche Tierschutzbund seine Position vermitteln wolle, heißt es beim Bayerischen Bauernverband.

"Aus unserer Sicht ist wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler ausgewogen und auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse informiert werden", findet Andrea Fuß, Geschäftsführerin der Landfrauengruppe im Verband. "Tierschutz ist den Bäuerinnen und Bauern ein zentrales Anliegen und sie praktizieren ihn tagtäglich bei ihrer Arbeit mit den Tieren."

Mit dem Projekt "Landfrauen machen Schule" bietet der Verband seinerseits Schulkindern die Möglichkeit, sich die Tierhaltung auf Höfen anzusehen. Um Indoktrination gehe es nicht, betont Tierschützerin Masanneck: Jeder müsse für sich selbst entscheiden. "Und Kinder sind nicht dazu da, Probleme der Erwachsenen zu lösen."

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