Eine Firma aus Nerchau macht die Welt etwas bunter

Nerchau - Preisfrage: Was haben das Meißener Staatsweingut Schloss Wackerbarth, der Kreml in Moskau, das Brandenburger Tor und die Paraderäume im Dresdner Schloss gemeinsam? Antwort: einen Farbanstrich aus Nerchau, dem Stadtteil von Grimma (Landkreis Leipzig). Denn der dortige Farben-Traditionsbetrieb setzt - seit Jahren verstärkt - auf ganz besonders denkmalgerechte Farbe.

Werkleiter Friedhelm Röber (61) mit Farbeimern. Mit der "Histolith"-Reihe liefert sein Betrieb das, was viele Denkmalschützer brauchen.
Werkleiter Friedhelm Röber (61) mit Farbeimern. Mit der "Histolith"-Reihe liefert sein Betrieb das, was viele Denkmalschützer brauchen.  © Uwe Meinhold

Gegründet wurde die Farbenfabrik durch die Gebrüder Hessel. Das war im Jahre 1852. Mit Sand und Tonerden, einem Grundbestandteil vieler Farben, hatte die Familie schon seit 1834 Handel betrieben. Zunehmend spezialisierte sich der Betrieb dann auf das Herstellen sogenannter "Silikatfarben" - noch heute der Verkaufsschlager.

Ende der 1960er-Jahre ging die Nerchauer Farbenfabrik im "VEB Lacke und Farben" auf. Auch Kunstmaler bezogen ihre Farben damals hier. Nach dem Ende der DDR stieg ein westdeutscher Branchen-Primus mit Sitz in Hessen ein. Der Firmenname: "Deutsche Amphibolin-Werke von Robert Murjahn" oder auch kurz "DAW" (bekannt durch die Marken "Caparol" und "Alpina"). Nach einer Umstrukturierung des Unternehmens lässt man am Standort Nerchau seit Jahren vor allem "Histolith" produzieren. Unter diesem Oberbegriff, der Name lässt es vermuten, verkauft DAW seine besonders im Denkmalschutz begehrten Farben und Lacke.

Rund 60 Beschäftigte hat der Nerchauer Betriebsteil heute. Chef dort ist Friedhelm Röber (61), ein echtes Urgestein. "Im September 1974 habe ich als Laborant hier angefangen", erinnert er sich. Seit 1993 ist Röber Werkleiter - mittlerweile der dienstälteste im Gesamtunternehmen.

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Knapp vier Hektar groß ist das Firmengelände, Kantine und Fabrikantenvilla inklusive, über das Firmenchef Röber seine Besucher führt. In verschiedenen Hallen werden die zahlreichen Farben und Lacke in Bottichen sorgsam gemixt; dann wird im Labor geprüft, ob die Bestandteile und der exakte Farbton auch stimmen. Abfüllanlage, Lager und Versand schließen sich an. Das Erfolgsgeheimnis der Nerchauer: Auch für einzelne Spezialaufträge legen sich die Mitarbeiter ins Zeug. Dazu gehören Absprachen mit den Machern vor Ort, zum Beispiel jetzt beim Innenausbau der Paraderäume im Dresdner Schloss.

Röber: "Die Restauratoren, die dort die Deckengemälde sanieren, waren auf der Suche nach einem bestimmten 'Kremserweiß'." Das gab es so offenbar nirgends mehr zu kaufen. Friedhelm Röber: "Also haben wir es wieder hergestellt." Unter anderem mit Naturölen, Bienenwachs und einem basischen Bleikarbonat. Gewusst, wie!

Ganz schön groß: das Gelände der Farbenfabrik im Grimmaer Ortsteil Nerchau.
Ganz schön groß: das Gelände der Farbenfabrik im Grimmaer Ortsteil Nerchau.  © Uwe Meinhold

Auch das Geburtshaus von Maler Albrecht Dürer (1471-1528), ein Fachwerkbau in der Nürnberger Altstadt, wurde bei der Sanierung mit Histolith behandelt. Ebenso die Berliner Nationalgalerie (innen) und eine Reihe russischer Prachtbauten, vom Kreml-Palast (Putins Amtssitz!) bis zu den Fassaden von Peterhof und Mariinski-Theater (bei bzw. in St. Petersburg). Noch renommierter können Referenzobjekte eigentlich nicht sein.

Und: Natürlich wird zu jedem dieser Objekte eine Art Akte angelegt, damit man auch nach Jahren noch weiß, welche Farben man bei der Sanierung verwendet hat - eine Art Kundenservice.

Meist sind es sogenannte Silikatfarben, die aus Nerchau nachgefragt werden. Die gehen beim Anstrich eine besonders enge Verbindung mit dem Untergrund (zumeist Putz) ein, sind besonders haltbar und witterungsbeständig und haben "eine hohe Diffusionsoffenheit", wie Werkleiter Röber es ausdrückt. Heißt: Trotz Anstrich kann das Haus noch "atmen". Im Innenbereich gelten Histolith-Farben als besonders schimmelresistent. Außerdem verblassen sie nicht so schnell.

Innerhalb des Unternehmens DAW mit seinen über 5000 Mitarbeitern ist Nerchau einer der kleineren Standorte. "Dafür stellen wir halt Spezialitäten her, haben so unsere Nische gefunden", freut sich Werkleiter Friedhelm Röber, dem bis zur Rente nur noch wenige Jahre verbleiben. Aber auch die, so viel steht fest, werden garantiert ziemlich bunt.

Den exakten Farbton zu treffen ist vor allem eine Frage der richtigen Zutaten-Mixtur.
Den exakten Farbton zu treffen ist vor allem eine Frage der richtigen Zutaten-Mixtur.  © Uwe Meinhold

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