Umgebindehäuser: Eine Tauschbörse soll Sachsens Bauerbe retten

Neugersdorf - Was für ein Erbe! In Sachsen stehen mehr als 7 000 Umgebindehäuser. Jetzt wird eine Datenbank aufgebaut, die erstmals einen konkreten Überblick geben soll.

Obercunnersdorf aus der Luft gesehen. Der Ort bei Löbau hat gleich ganze Umgebindehaus-Straßen.
Obercunnersdorf aus der Luft gesehen. Der Ort bei Löbau hat gleich ganze Umgebindehaus-Straßen.  © Steffen Füssel

Arnd Matthes (54) hat es gut: Morgens wacht er in einem Umgebindehaus auf, fährt zur Arbeit in ein Umgebindehaus, guckt sich den ganzen Tag Umgebindehäuser an. Und abends, da fährt er wieder in sein Haus (von 1661!) zurück.

Matthes ist der Herr der Umgebindehäuser in Sachsen. Der Denkmalpfleger arbeitet für die "Stiftung Umgebindehaus" in Neugersdorf, unmittelbar an der tschechischen Grenze nahe Herrnhut. Träger der Stiftung sind die Landkreise Bautzen und Löbau-Zittau sowie jeweils deren Sparkassen. Auch Spenden und Fördergelder unterstützen die Arbeit. Der Witz: Vom Freistaat gibt es pro Jahr zurzeit nur 500.000 Euro. "Mehr wäre schön", sagt Matthes höflich.

"Es gibt einen Bestand von 6 000 denkmalgeschützten Häusern, 60 Prozent davon sind saniert. Diese Hauslandschaft ist das Markenzeichen der Oberlausitz."

Weitere 1000 bis 1500 gebe es "als Dunkelziffer", die so stark ausgebaut oder überformt wurden, dass sie kaum noch erkennbar seien.

Arnd Matthes (54) mit dem Modell eines Umgebindehauses. Unten links die Blockstube.
Arnd Matthes (54) mit dem Modell eines Umgebindehauses. Unten links die Blockstube.  © Steffen Füssel

Matthes und seine Helfer haben eine Börse eingerichtet, wo vom Türbeschlag bis zum Balken alles getauscht werden kann. Parallel können sich Interessierte nach freien Häusern umschauen oder anmelden, denn zumindest für die idyllischen Lagen gibt es inzwischen Wartelisten.

Die wohl wichtigste Arbeit erledigt gerade eine Mitarbeiterin. Sie erstellt die erste Umgebindehaus-Datenbank.

Am letzten Sonntag im Mai ist wieder Umgebindehaus-Tag. Dann gibt es nicht nur am Stiftungssitz Führungen, sondern in vielen Dörfern. Bis jetzt haben sich bereits 100 Hauseigentümer angemeldet. Allein der sanierte Stiftungssitz ist eine Schau: 238 Jahre alte Tapeten wechseln sich mit Wandmustern im art-deco-Stil ab.

Drum herum das Fabrikgelände der ehemaligen Textil-Firma Hoffmann, die noch zu DDR-Zeiten 2 000 Menschen Arbeit bot.

Das ist ein Umgebindehaus

Es waren Franken, die die Bauart als Ganzes in die Lausitz brachten.
Es waren Franken, die die Bauart als Ganzes in die Lausitz brachten.  © Steffen Füssel

Sie gibt es in Sachsen seit dem späten Mittelalter. Die jetzige Bauart stand bereits vor rund 700 Jahren fest: als Kern eine Blockstube, um sie herum und über ihr eine Fachwerkkonstruktion.

Oft führte noch ein kleiner Gang durch den Mittelteil. In dieser "Passage" wurde gehandelt. Die Blockstube ist übrigens verschiebbar.

Es waren Franken, die die Bauart als Ganzes in die Lausitz brachten. Die Blockhütte selbst gibt es bereits so lange, wie Menschen feste Häuser bauen.

Falsch ist, dass die separate Blockstube für Weber entstand, damit der Webstuhl nicht das gesamte Haus erschüttert.

Arnd Matthes (54) vor dem Sitz der Umgebindehaus-Stiftung in Neugersdorf.
Arnd Matthes (54) vor dem Sitz der Umgebindehaus-Stiftung in Neugersdorf.  © Steffen Füssel
Ministerpräsident Michael Kretschmer (42, CDU) vor seinem Haus in Waltersdorf bei Zittau.
Ministerpräsident Michael Kretschmer (42, CDU) vor seinem Haus in Waltersdorf bei Zittau.  © Pawel Sosnowski
Der Denkmalweg führt Interessierte ganz gezielt.
Der Denkmalweg führt Interessierte ganz gezielt.  © Steffen Füssel
In manchen Umgebindehäusern gibt es innen sogar noch Original-Tapeten.
In manchen Umgebindehäusern gibt es innen sogar noch Original-Tapeten.  © Steffen Füssel

Titelfoto: Steffen Füssel