Dramatischer Hilferuf von Ärztin: "Menschen sterben, weil sie nicht versorgt werden können"

Hamburg - Wie schlimm es wirklich um das Gesundheitssystem in Deutschland steht, zeigt eine Hamburger Ärztin mit einer sehr persönlichen Schilderung.

Die Belastung des Personals in den Hamburger Kliniken ist derzeit extrem hoch. (Archivbild)
Die Belastung des Personals in den Hamburger Kliniken ist derzeit extrem hoch. (Archivbild)  © Marcus Brandt/dpa

Es ist ein drastischer Hilferuf, den Rebekka Westphal auf Instagram veröffentlicht hat. Darin gibt sie einen Einblick in ihren derzeitigen Berufsalltag – und ihr Privatleben. Westphal arbeitet als Oberärztin in der Gynäkologie an einer Hamburger Klinik, ihr Mann ist Oberarzt in einer der größten Notaufnahmen der Stadt.

Derzeit erleben beide eine extrem hohe Belastung. "Seit Wochen bekommen wir uns nur noch sporadisch zu sehen - meistens, wenn wir uns die Kinder 'übergeben'. Unsere Kinder, die Mama und Papa viel zu selten sehen", schrieb die Ärztin. Die vergangenen vier Wochen habe ihr Mann durchgearbeitet. "Die Notaufnahmen sind am Limit."

Es gebe nicht genug Betten in der Klinik. "Es gibt zu wenig Pflege, es gibt zu wenige Ärzte." Westphal schilderte ein erschreckendes Beispiel für die Personalnot: "Jüngere Patienten helfen den älteren, wenn diese es nach mehreren Stunden nicht mehr aushalten können und doch mal zur Toilette müssen. Oder aber man lässt sie sich einfach einnässen." Zwölf Stunden Wartezeit seien keine Seltenheit.

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In ihrem eigenen Fachbereich sehe es nicht viel besser aus. "OPs müssen abgesagt werden, der Kreißsaal ist aufgrund von Personalmangel häufig gesperrt und Frauen mit Wehen müssen abgewiesen werden." Die Frage nach dem Wohin ist anscheinend oft nicht zu beantworten. Kreißsäle anderer Kliniken seien ebenfalls gesperrt.

Rebekka Westphal schildert belastenden Alltag als Ärztin

"Konzept funktioniert vorne und hinten nicht"

Viele Ärzte und Pfleger arbeiten seit Ausbruch der Corona-Pandemie vor mehr als zwei Jahren dauerhaft am Limit. (Symbolbild)
Viele Ärzte und Pfleger arbeiten seit Ausbruch der Corona-Pandemie vor mehr als zwei Jahren dauerhaft am Limit. (Symbolbild)  © Sebastian Gollnow/dpa

"Warum wir uns das antun? Weil wir wissen, dass, wenn wir es nicht tun, Menschen zu Schaden kommen werden." Dabei geschehe das bereits, so die Ärztin. Die bittere Realität in diesem Winter sei: "Menschen sterben, weil sie nicht versorgt werden können! Das ist leider keine Übertreibung."

Zusätzlich zur extremen Belastung im Beruf komme eine ähnliche im privaten Bereich. Wegen des Personalmangels können die Kinder des Ärztepaares nicht in der Kita betreut werden.

Eigentlich müsste ihr Mann oder Westphal deswegen zu Hause bleiben. "Ich frage mich: wie soll das gehen? Wir können nicht einfach zu Hause bleiben - nicht jetzt. Und gleichzeitig frage ich mich, wie es für unsere Kinder ist?! Mir tut das Herz weh, so wenig für sie da zu sein."

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Zwei Jahre lang mussten die Kinder in der Corona-Pandemie zurückstecken, jetzt seien sie wieder besonders betroffen. Es gebe nicht mal mehr Fiebersaft für sie. Falls sie ernsthaft erkranken, sehe es für sie "fast noch aussichtsloser aus".

"Scheiße, was ist hier los? Dieses Konzept funktioniert vorne und hinten nicht, wir hängen schon (mehr als) halb über dem Abgrund. Wird es nicht Zeit, dass wir laut werden, richtig laut? (Bevor wir kippen?)", beendete Westphal ihren Hilferuf.

Den ersten freien Tag nach vier Wochen in der Notaufnahme habe ihr Mann übrigens damit verbracht, Ersatz für einen kurzfristig erkrankten Kollegen zu finden. Danach habe er das vierte Wochenende in Folge arbeiten müssen – ausgerechnet am Geburtstag seiner Frau.

Titelfoto: Montage: Marcus Brandt/dpa, Screenshot/Twitter/webekka

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