Mächtigster Sachse in der FDP: Torsten Herbst im Bundestags-Interview

Berlin/Dresden - Torsten Herbst (48) ist Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundesfraktion und damit der mächtigste Sachse seiner Partei im politischen Berlin. Mit TAG24 sprach er über brandaktuelle Themen unserer Zeit.

Torsten Herbst (48, FDP) ist Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion und somit einer der mächtigsten Männer seiner Partei im politischen Berlin.
Torsten Herbst (48, FDP) ist Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion und somit einer der mächtigsten Männer seiner Partei im politischen Berlin.  © Holm Helis

TAG24: Sie sind Parlamentarischer Geschäftsführer Ihrer Fraktion – also der Hirte der FDP-Herde im Bundestag?

Torsten Herbst: Ich bin im Maschinenraum der Fraktion tätig und sorge mit dafür, dass sie am Laufen gehalten wird. Wir haben insgesamt vier Parlamentarische Geschäftsführer: Einer kümmert sich um parlamentarische Vorgänge, ich kümmere mich ums Personal und die Gremienbesetzung. Ich habe also mit jedem Abgeordneten, der hier in einem Ausschuss sitzt, mindestens einmal gesprochen. Darüber hinaus gibt es einen Parlamentarischen Geschäftsführer für Finanzen und einen für Organisation und Veranstaltungen.

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TAG24: Und wie ist die Stimmung aktuell?

Herbst: Die ist seit Anfang an optimistisch. Die Laune kann auch mal ein paar Tage nicht so gut sein, wenn die ein oder andere (Landtags-) Wahl nicht so ausgeht wie erhofft. Aber grundsätzlich sind unsere Abgeordneten wild entschlossen, unsere Ideen auch umzusetzen. Regieren heißt gestalten. Das reizt viele der Kollegen.

TAG24: Wieso kann die FDP nicht von der Regierungsbeteiligung profitieren?

Herbst: Diese Bundesregierung startete mit absolut außergewöhnlichen Umständen. Ohne die FDP wären längst Steuererhöhungen beschlossen worden, gäbe es jetzt vielerorts noch 3G-Zugangskontrollen und Maskenpflicht. Es wird deutlich, dass die FDP eine Handschrift in der Regierung hinterlässt.

Kaum bekannte Gesichter in der FDP

Amüsiert über seine eigenen Aussagen? Torsten Herbst im Gespräch mit Politikredakteur Paul Hoffmann (29, l.) und TAG24-Reporter Erik Töpfer (22, r.).
Amüsiert über seine eigenen Aussagen? Torsten Herbst im Gespräch mit Politikredakteur Paul Hoffmann (29, l.) und TAG24-Reporter Erik Töpfer (22, r.).  © Holm Helis

TAG24: Wo sind denn die Gesichter, fernab von Christian Linder, die die Handschrift prägen?

Herbst: In der Fraktion sehe ich viele talentierte Kollegen. Aber klar, jeder braucht auch seine Zeit. Auch Christian Lindner war mal Landtagsabgeordneter und damals bei Weitem nicht so bekannt, obwohl er der jüngste Landtagsabgeordnete in NRW war. Du brauchst deine Zeit, um dich zu profilieren, und im Idealfall ein öffentlich wahrnehmbares Amt. Davon hatten wir in vier Jahren Opposition nicht so viele (lacht).

TAG24: Wie rot-grün wird die FDP durch die Regierungsbeteiligung?

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Herbst: Ich hoffe, gar nicht! Wir sind sehr unterschiedliche Partner, die sich in einem Bündnis zurechtgefunden haben, dass viele vorher nicht haben kommen sehen. Auch wir nicht. Jeder muss in diesem Bündnis seinen Raum haben. Mit unseren Anliegen konnten wir uns bisher gut durchsetzen. Trotz aller Unterschiede wird aber bisher auf der Führungsebene der Koalition recht fair miteinander umgegangen.

TAG24: Klar, jeder muss und soll Raum haben. Aber muss man sich nicht gerade als Koalition in einem Raum finden, um Kompromisse schließen und regieren zu können?

Herbst: Wir haben viele Schnittmengen, wie man zuletzt beim Sonderetat für die Bundeswehr gesehen hat. Man muss immer wieder auf das Große und Ganze schauen und nicht ständig nur aufs eigene Parteiprogramm schielen. Niemand konnte so einen Krieg vorhersehen. Jetzt massiv in unsere Bundeswehr zu investieren und eine bessere Ausstattung zu schaffen, ist eine sinnvolle Notwendigkeit, da treffen sich alle Verantwortlichen und zeigen Verantwortung. Bis hin zur Union.

Herbst: "Bijan Djir-Sarai hat zu Recht auf das langjährige aggressive Verhalten Russlands hingewiesen."

Auch mit FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai (46, FDP) sprach TAG24 vor Kurzem.
Auch mit FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai (46, FDP) sprach TAG24 vor Kurzem.  © Christian Kielmann

TAG24: Moment, Ihr Generalsekretär Djir-Sarai will schon lange Anzeichen für das feindselige Verhalten Russlands gesehen haben…

Herbst: Bijan Djir-Sarai hat zu Recht auf das langjährige aggressive Verhalten Russlands hingewiesen. Wir haben es in Georgien und bei der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim erlebt. Der Westen hätte damals schon entschlossener handeln müssen. Dass es aber tatsächlich zu einem brutalen Angriffskrieg Russlands gegen die gesamte Ukraine kommt – damit hat wohl kaum jemand ernsthaft gerechnet.

TAG24: Wie wohl fühlen Sie sich in der Ampel?

Herbst: Es gibt Sichtweisen, bei denen sich FDP, SPD und Grüne deutlich unterscheiden. Und trotzdem kann man sich in vielen Bereichen treffen, wenn man sich mit Respekt begegnet. Ich denke an das Beispiel der Fachkräftezuwanderung: Das ist mit den Grünen und der SPD einfacher zu lösen als mit der Union, die nach wie vor mit der Vorstellung vom Einwanderungsland Deutschland fremdelt. Aber wir brauchen Fachkräfte, wir brauchen eine vernünftige Einwanderungspolitik. Das ist in der Konstellation möglich. Andere Dinge hingegen, wie eine strukturelle Steuerreform, sind wahrscheinlich eher schwierig.

TAG24: 9-Euro-Ticket, Spritrabatt: Der Bürger soll entlastet werden. Kämpft man damit aber nicht nur gegen Windmühlen?

Herbst: Wir werden auf Weltmarktpreise keinen Einfluss nehmen können. Es geht darum in Zeiten, wo das Leben immer teurer wird, ein Zeichen zu setzen und die Bürger wenigstens ein Stück weit zu entlasten. Die Anhebung von Steuerfreibetrag, Arbeitnehmerpauschbetrag, Pendlerpauschale und all die anderen Leistungen summieren sich auf mehr als 37 Milliarden Euro. Das ist ein klares Zeichen, wohl wissend, dass wir nicht jede Kostensteigerung ausgleichen können. Das gehört zur Wahrheit dazu. Das kann auch kein Staat leisten, zumindest keiner, der auf Dauer mit seinen Finanzen zurechtkommen will.

"Wir wollen die Bürger entlasten und nicht die Mineralölkonzerne reich machen."

Die Preise an den Zapfsäulen sind nach wie vor unverschämt hoch.
Die Preise an den Zapfsäulen sind nach wie vor unverschämt hoch.  © Felix Kästle/dpa

TAG24: Der ganze Staat vielleicht nicht, aber das Bundeskartellamt könnte das…

Herbst: Das Bundeskartellamt muss prüfen, dass die Steuersenkungen an den Zapfsäulen und damit beim Bürger ankommen. Das ist deren Aufgabe und das tun die auch.

TAG24: Und trotzdem treiben die Mineralölkonzerne die Preise künstlich in die Höhe.

Herbst: Deswegen schaut sich das Kartellamt ganz genau an, ob es eine Kopplung gibt zwischen der Entwicklung des Rohölpreises, der Abgabepreise der Raffinerien und dem Tankstellenpreis. Entscheidend ist, dass keine Absprachen zulasten der Autofahrer getroffen werden. Wir wollen die Bürger entlasten und nicht die Mineralölkonzerne reich machen.

TAG24: Was sagen Sie eigentlich zur Habeck-Idee eines schärferen Kartellrechts?

Herbst: Wir Freie Demokraten beteiligen uns leidenschaftlich gern an jeder Debatte darüber, wie wir die soziale Marktwirtschaft leistungsfähiger und fairer gestalten können. Wenn beim Kartellrecht nachgeschärft werden muss, um einseitige Marktmacht und Monopole zu verhindern, unterstützen wir dies. Das muss aber auf dem Boden unserer Verfassung passieren.

TAG24: Auch ein anderer Minister prescht nach vorne: Finden Sie deshalb den Vorstoß von Arbeitsminister Heil richtig, die Mittelschicht bis 4000 Euro Einkommen zu entlasten?

Herbst: Jede staatliche Umverteilung setzt voraus, dass wir mit viel Aufwand herausfinden, wer Nutznießer sein soll. Im Moment könnten wir Geld gar nicht direkt an den Bürger zurückzahlen, weil es gar keinen direkten Überweisungsweg an jeden Bürger gibt. Statt mehr Umverteilung wollen wir mehr Geld bei den Bürgern belassen. Entlastungen bei der Lohn- und Einkommensteuer sind da sinnvoller – da der Staat nicht von der Inflation auch noch profitieren sollte. Für Personen, die keine Steuern zahlen, brauchen wir eine zielgerichtete Unterstützung, keine Gießkanne.

TAG24: Also lieber noch mal die Mehrwertsteuer senken?

Herbst: Im Nachhinein hat die Mehrwertsteuersenkung in der Corona-Pandemie nicht so viel gebracht, denn es gibt einen Rückkopplungseffekt, der die Preise wieder in die Höhe treibt. Wir müssen auf die lange Sicht gucken, wie man sinnvoll entlasten kann. Das Strohfeuer einer Mehrwertsteuersenkung für wenige Monate ist dabei wenig sinnvoll.

Titelfoto: Holm Helis

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