Dresden - Die Abstimmung über die Reform von ARD, ZDF & Co. löste diese Woche in Brandenburg eine Regierungskrise aus. In Sachsen stand die gleiche Abstimmung vor drei Wochen im Landtag auch Spitz auf Knopf. Sie bekam damals nur eine Mehrheit, weil die Partei Die Linke in letzter Minute für den Vertrag votierte. Das war ursprünglich nicht ihr Plan. Sie wollte sich enthalten. Doch als der Reformvertrag drohte durchzufallen, schwenkten die Linken um. Dafür gab es im Nachgang Lob, aber auch böse Unterstellungen. Im Interview spricht Linken-Fraktions-Chefin Susanne Schaper (47) darüber mit Redakteurin Pia Lucchesi.
TAG24: Frau Schaper, politische Konkurrenten gehen mit Ihrer Fraktion öffentlich harsch ins Gericht. Darum ganz direkt die Frage: Sind Sie käuflich?
Susanne Schaper: Nein! Wir haben uns aus Prinzip zum Öffentlich-rechtlichen-Rundfunk bekannt und uns gegen seine Feinde gestellt, die ihn abschaffen wollen. Die Zustimmung zu diesem Vertrag fiel uns nicht leicht. Unsere Kritik unterscheidet sich aber ganz wesentlich von der Kritik der AfD.
TAG24: Anders gefragt: Was hat Ihre Fraktion dafür bekommen, dass sie der CDU bei dieser Abstimmung aus der Patsche geholfen hat?
Schaper: Wir haben nichts bekommen und hatten auch nichts ausgehandelt. Mit solchen üblen Schmutzkampagnen will insbesondere das BSW von seiner unrühmlichen Rolle ablenken. Schauen Sie: Das BSW hat in Thüringen für den Reformstaatsvertrag gestimmt. In Sachsen stimmte es dagegen, um die Partei- und Koalitionskrise in Brandenburg zu verhindern, die nun eingetreten ist.
CDU und Linke: "Das hat natürlich Narben hinterlassen"
TAG24: Gibt es etwas, das Sie von der CDU gern bekommen hätten?
Schaper: Von der CDU will ich nichts - nur vernünftige Sachpolitik. Die gesellschaftliche Stimmung im Land ist schlecht genug. Es ist Zeit, alte Zöpfe abzuschneiden. Ich will, dass die CDU merkt, wer im Parlament verlässlich ist.
Wir entscheiden nicht nach Sympathie, sondern im Sinne unserer Überzeugungen. Entscheidend ist, was den Menschen nützt, die uns vertrauen. Für den Rest stehen wir nicht bereit.
TAG24: Ein Unvereinbarkeitsbeschluss der Union, der eine Zusammenarbeit mit der Linken ablehnt, hat nach wie vor Bestand. Wie ist das Verhältnis Ihrer Fraktion zur CDU?
Schaper: Dieser Beschluss ist eine Zumutung - nicht nur für uns. Aber das ist ein Problem, das die CDU lösen muss. 30 Jahre lang hat sie uns behandelt wie Aussätzige. Das hat natürlich Narben hinterlassen. Aber wir kennen unsere Verantwortung.
Susanne Schaper über ihren Hund und das Sprechen auf Augenhöhe
TAG24: Betrachten Sie es als Ironie des Schicksals, dass Ihre Fraktion erst so klein werden musste, um so viel Einfluss im Sächsischen Landtag zu bekommen?
Schaper: Ja, das ist schon eine paradoxe Situation. Ich antworte mal als Hundebesitzerin. Ich werde immer wieder gefragt, ob mein kleiner Pinscher auch ein Hund sei. Ich sage dann: Ja, das ist auch ein Hund. Man muss sich nur tiefer zu ihm bücken. Und beißen kann er auch. Es kommt nicht auf die Größe an - wie so oft im Leben.
TAG24: Die schwarz-rote Minderheitsregierung hat vor knapp einem Jahr den Konsultationsmechanismus eingeführt, um alle Parteien frühzeitig in Gesetzgebungsprozesse einzubinden. Funktioniert das zu ihrer Zufriedenheit?
Schaper: Da ist noch viel Luft nach oben. Oft ist das Prozedere zu langsam und wird von der Zeit überholt. Es muss aufhören, dass alles auf den letzten Pfiff kommt. Das bringt uns in solche Situationen wie bei der Abstimmung zum Staatsvertrag, wo wir binnen zehn Minuten entscheiden mussten. Wir haben der Koalition klargemacht, dass man so nicht arbeiten kann.
TAG24: Sprechen Sie auf Augenhöhe mit den Fraktionen, die der Minderheitsregierung angehören?
Schaper: Ehrlich, die Augenhöhe hat sich bisher noch nicht bei allen ganz eingestellt. Das ist kaum noch zu ertragen. Wir sind keine Lückenbüßer und machen nicht mehr mit, wenn sich das nicht bald ändert. Der Ball liegt bei CDU und SPD.
Ein Blick in die Zukunft: "Wir möchten Themen setzen, die nicht en vogue sind"
TAG24: Ein neues Polizeigesetz wird bald ins Parlament eingebracht ...
Schaper: Das Gesetz wird mehr Abgründe als Höhen haben. Zum jetzigen Zeitpunkt schließe ich aus, dass wir zustimmen. Für andere wäre diese Rolle rückwärts zulasten der Freiheitsrechte aber sicher kein Problem.
TAG24: Schließen Sie aus, dass Ihre Partei wieder gegen das Polizeigesetz klagt?
Schaper: Wir behalten uns natürlich die Klage vor. Die Gefahr besteht, dass wieder verfassungswidrige Regelungen beschlossen werden könnten.
TAG24: Welche Ziele verfolgt die Linke in dieser Legislatur noch?
Schaper: Wir möchten Themen setzen, die nicht en vogue sind, damit das Leben von Kindern, Jugendlichen, Alten und Schwachen in Sachsen besser wird. Wir wollen die Gesundheitsversorgung vor allem im ländlichen Raum stabilisieren, das Bildungssystem ins 21. Jahrhundert holen. Haushaltsmittel sollen in erster Linie den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken und Jobs sichern.
Zur Person: Susanne Schaper im Interview
Susanne Schaper wurde 1978 in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) geboren. Die ausgebildete Krankenschwester und studierte Diplom-Pflegewirtin ist verheiratet und Mutter von drei Kindern.
Sie gehört seit 2014 dem Landtag an und ist Vorsitzende der Fraktion Die Linke. Die gleiche Funktion hat sie auch im Stadtrat Chemnitz für ihre Partei inne. Neben ihrer politischen Arbeit engagiert sich Schaper im ambulanten Hospizdienst Domus und im Verein Deviemed.
Sie war die Spitzenkandidatin der Partei bei den Landtagswahlen 2024. Die Linke bekam damals 104.888 Stimmen (4,47 Prozent der Wählerstimmen). Der Einzug ins Parlament gelang ihr nur, weil sie in Leipzig die Direktmandate in den Wahlkreisen Leipzig 1 und Leipzig 4 holen konnte. Das Wahlergebnis markierte einen Tiefpunkt in der Geschichte der Partei.
Umfragen sehen die Linke gegenwärtig stabil bei zehn Prozent. Der Links-Fraktion im sächsischen Landtag gehören sechs Abgeordnete an.