160 Jahre SPD: Kanzler Scholz über den Zwiespalt zwischen Visionen und Realität

Berlin - Am heutigen Dienstagvormittag stand die SPD-Parteizentrale anlässlich des 160. Partei-Geburtstags ganz im Anbetracht des Mottos "Fortschritt braucht Gerechtigkeit". Bundeskanzler Olaf Scholz (64) und seine Partei blickten während des Festakts in Berlin auf eine langjährige Geschichte voller Höhen und Tiefen zurück, wobei die Sozialdemokraten vor allem ihren Visionen für die Zukunft Ausdruck verliehen.

Am 23. Mai 1863 wurde der erste Vorläufer der SPD in Leipzig gegründet. Bundeskanzler Olaf Scholz hielt zum 160. Jubiläum eine Rede im Willy-Brandt-Haus.
Am 23. Mai 1863 wurde der erste Vorläufer der SPD in Leipzig gegründet. Bundeskanzler Olaf Scholz hielt zum 160. Jubiläum eine Rede im Willy-Brandt-Haus.  © Kay Nietfeld/dpa

"Wer Visionen habe, der solle doch besser zum Arzt gehen", zitierte Kanzler Scholz den ehemaligen Bundeskanzler und SPD-Legende Helmut Schmidt (1918-2015) in seiner Rede am Dienstag im Willy-Brandt-Haus.

Gleichzeitig verwies Scholz darauf, dass sich Schmidt im Nachhinein von seiner Aussage distanzierte, denn gerade heutzutage werde die SPD mehr denn je von Visionen geprägt.

Viele der SPD-Visionen, einige bereits umgesetzt, andere noch ausstehend, hingen dabei in dem in rot geschmückten Foyer der Parteizentrale in Form von kleinen Schildern von der Decke herab. Überbegriffe wie "Klimagerechtigkeit", "Fortschritt" oder "Respekt" waren dabei zu lesen, direkt neben bestimmten politischen Errungenschaften, wie "Deutschlandticket eingeführt", "Mindestlohn auf 12 Euro erhöht" oder "BAFÖG ausgeweitet".

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Auf dem Rednerpult, das direkt neben der ausgestreckten Hand der bronzenen Willy-Brandt-Statue platziert wurde, betonte Scholz dabei die Notwendigkeit des "Dualismus" aus dem "tatkräftigen Zupacken im hier und jetzt und den großen Zielen" der Partei.

Dieses "Spannungsverhältnis" habe die SPD immer geprägt und stets von ihren politischen Kontrahenten unterschieden, die sich lediglich am "Status Quo" festkrallen würden, so Scholz weiter.

Visionen versus Realität: Respektvolle Gesellschaft - Ukraine Mitglied der EU!

Auf dem Rednerpult, direkt neben der Willy-Brandt-Statue, blickte der Bundeskanzler sowohl in die Historie der Partei, als auch in die Zukunft.
Auf dem Rednerpult, direkt neben der Willy-Brandt-Statue, blickte der Bundeskanzler sowohl in die Historie der Partei, als auch in die Zukunft.  © Kay Nietfeld/dpa

Seit der Parteigründung am 23. Mai 1863, als sich in Leipzig mit dem "Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein" der erste Vorläufer der SPD zusammenschloss, hatte die seit 1890 offiziell als "SPD" betitelte Partei keine einfache Geschichte.

Trotz Verboten und Verfolgungen zu Zeiten des Kaiserreichs und des Nationalsozialismus habe die Sozialdemokratie, nicht nur in Deutschland, stets relevanten Einfluss auf Politik und Gesellschaft ausgeübt, erklärte der Bundeskanzler.

Scholz, der seit 1949 erst der vierte Kanzler aus Reihen der SPD ist, betonte zugleich die Ansprüche, die seine Partei aktuell verfolge.

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Es gehe darum, eine "Gesellschaft des Respekts" zu etablieren, in der sich sowohl die Kassiererin im Supermarkt, als auch der Zugbegleiter als gleichermaßen wichtiger und notwendiger Bestandteil unserer Gesellschaft verstehen.

Vor dem Hintergrund dieser "utopischen" Visionen, gehe es gleichermaßen darum, die tagesaktuellen Herausforderungen wie Klimawandel, Digitalisierung und Ukraine-Krieg zu bewältigen. "Politik ist nicht nur Denksport, Politik ist auch Handeln", verdeutlichte Scholz den Zwiespalt der SPD zwischen Heute und Morgen.

In Bezug auf die Ukraine erklärte Scholz optimistisch, dass Russland den Krieg nicht gewinnen werde und dass die Ukraine letztlich Mitglied der Europäischen Union werde.

Kommentar zum 160. SPD-Geburtstag

Für TAG24-Redakteur präsentiere sich die SPD auf ihrem Festakt zum 160. Partei-Geburtstag von ihrer Schokoladen-Seite.
Für TAG24-Redakteur präsentiere sich die SPD auf ihrem Festakt zum 160. Partei-Geburtstag von ihrer Schokoladen-Seite.  © Eric Münch

Man kann die SPD unterstützen, oder nicht. Man kann all den politischen Reden und Versprechungen Glauben schenken, oder eben nicht.

Man kann allerdings nicht abstreiten, dass die Sozialdemokraten auf ihrem Festakt zum 160. Geburtstag eindrücklich aufgezeigt haben, wie die Partei im Innersten tickt.

Abseits von Streitigkeiten innerhalb der Ampel-Koalition warf diese Veranstaltung ein anderes, deutlich besseres Licht auf die Sozialdemokraten.

In den Reden von der Parteivorsitzenden Saskia Esken (61), des Generalsekretärs Lars Klingbeil (45) oder eben von Bundeskanzler Scholz zeigte sich eine Partei, die mehr denn je versucht, die Herausforderungen von morgen auf ihre Weise anzupacken, ohne den Alltag aus den Augen zu verlieren.

Die SPD formulierte ihre Ideen dabei klar und deutlich und vermittelte den Eindruck von wahrer Führungsstärke in den aktuell relevanten Fragen. Alles im Rahmen des passend gewählten Mottos "Fortschritt braucht Gerechtigkeit".

Es sind nicht die Inhalte der Partei, die ich positiv hervorheben will. Es ist die Inszenierung der SPD, die sich zu ihrem 160. Geburtstag innerhalb der derzeitigen Legislaturperiode für den neutralen Beobachter meiner Meinung nach erstmalig von ihrer starken Seite präsentierte.

Titelfoto: Bildmontage: Kay Nietfeld/dpa

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