Diplomatische Verwicklungen? Warum MP Kretschmer in streng geheimer Mission in Taiwan ist
Dresden/Taipeh - Das könnte heikel werden: Am Dienstag trifft Ministerpräsident Michael Kretschmer (50, CDU) den Chef des Halbleiterherstellers TSMC in Taipeh. Ganz gleich, was dabei serviert wird, der chinesischen Regierung schmeckt das Ganze gar nicht.

Kretschmer wird mit C. C. Wei (72) über die Investition des Halbleitergiganten in Dresden reden. Auch sonst stehen Wirtschaft und Wissenschaft im Mittelpunkt. Morgen besucht er die Expo in Osaka (Japan), am Freitag trifft er in Singapur Premierminister Lawrence Wong (52).
Kretschmer ist der erste Länderchef aus Deutschland, der einen solchen Besuch wagt. Selbst der Kanzler war noch nicht da. Die beiden letzten Stationen - geschenkt. Der Stopp in Taipeh ist China jedoch ein Dorn im Auge. Der Knackpunkt: Taiwan beharrt auf Unabhängigkeit, das chinesische Mutterland will die "Wiedervereinigung".
Schon im Vorfeld soll es politischen Druck gegeben haben, schreibt die inzwischen zum Springer-Verlag gehörende US-amerikanische Tageszeitung "Politico".
Dass die Reise mit Berlin abgestimmt war, China trotzdem knurrig ist, darüber macht man in Dresden keinen Hehl. Dennoch will die Staatskanzlei offenbar nicht, dass die Reise Wellen schlägt.
Während Wirtschaftsminister Dirk Panter (51, SPD) darüber bereits am Samstag informierte - nicht nur er, auch Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (47, CDU) gehört zur Delegation -, kam die Mitteilung aus der Staatskanzlei erst am späten Montagvormittag. Auch in den sozialen Medien - nichts.
Und China? Eine offizielle Protestnote? Bisher ist zumindest nichts darüber bekannt geworden. Puhh!



Wenn China knurrt ...

Von Thomas Staudt
Mit Taiwan, Japan und Singapur, den Stationen der Fernost-Reise von Ministerpräsident Michael Kretschmer, bestehen mehr als nur wirtschaftliche Kontakte.
Die Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) investiert im Silicon Saxony, Haupteigner des Kompressorherstellers TDDK in Bernsdorf ist Toyota, und ST Engineering (Singapur) ist Haupteigner der Elbe Flugzeugwerke in Dresden. Um nur einige zu nennen.
Kontakte muss man pflegen. Nachdem der TSMC-Chef bereits im Sommer 2024 Dresden besuchte, war ein hochrangiger Gegenbesuch in Taiwan längst überfällig. Aber die Lage ist wegen der Verwerfungen zwischen China und Taiwan nicht einfach.
Auch wenn Kretschmer auf Wirtschafts- und Wissenschaftsreise ist, mit dem geplanten Besuch im Nationaltheater - dort nimmt Kretschmer an den Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit teil - bleibt die Politik nicht ganz außen vor. Deshalb ist es kein Wunder, dass China schon im Vorfeld der Reise Unmut darüber bekundet hat.
Was schert's mich, wenn in China ein Sack Reis umfällt? Der Spruch, der Gleichgültigkeit signalisiert, hat mit dem Aufstieg Chinas zu wirtschaftlicher und politischer Stärke an Bedeutung verloren. Aber umgekehrt hat er sich auch nicht: Wenn China knurrt, muss Europa nicht kuschen. Kretschmer ist trotzdem gefahren. Das mag man couragiert nennen. Trotz Rückendeckung aus Berlin.
Titelfoto: IMAGO/Joko, dpa