Krieg in der Ukraine und in Gaza: So würde Sahra Wagenknecht die Konflikte lösen

Berlin - Teil Zwei des großen Sahra-Wagenknecht-Interviews. Nachdem die 54-Jährige erläutert hat, wie die Zukunft mit ihrer neuen Partei aussehen könnte, geht es jetzt um die Kriege in der Ukraine sowie zwischen Israel und der Hamas. Was Wagenknecht (54) zu Waffenlieferungen, Friedensverhandlungen und Israel als Besatzer sagt.

Sahra Wagenknecht (54) sprach in ihrem Berliner Bundestagsbüro mit TAG24.
Sahra Wagenknecht (54) sprach in ihrem Berliner Bundestagsbüro mit TAG24.  © Christian Kielmann

TAG24: Frau Wagenknecht, lässt Sie der Vorwurf der AfD-Nähe kalt?

Sahra Wagenknecht: Wenn die AfD sagt, der Ukraine-Krieg muss mit Verhandlungen beendet werden, dann stimmt das und dann sage ich nicht aus Prinzip das Gegenteil. Für mich ist nicht wichtig, ob die AfD etwas sagt, sondern ob etwas richtig oder falsch ist.

Viele wichtige Probleme sind für die AfD übrigens kein Thema. Soziale Gerechtigkeit, faire Löhne oder gute Renten spielen für sie überhaupt keine Rolle. Wenn sich hier etwas ändern soll, muss eine neue politische Kraft entstehen, die stark genug wird, um die Regierung unter Druck zu setzen.

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TAG24: Stimmen Sie der Aussage zu, dass Putin der richtige Adressat dafür ist, den Krieg mit einem Befehl zu beenden?

Wagenknecht: Ganz grundsätzlich: Ich verurteile diesen Krieg. Ich lehne ab, wenn man versucht, Interessenkonflikte militärisch zu lösen. Der Ukraine-Krieg kann nur durch Verhandlungen beendet werden. Die Ukraine wird nicht militärisch gewinnen können. Ich habe das relativ frühzeitig gesagt, während andere meinten, dass man nur immer mehr Waffen liefern müsste.

Wir liefern jetzt seit über anderthalb Jahren sehr viele Waffen für sehr viel Geld, und die Front bewegt sich nicht, es sterben aber jeden Tag Hunderte Menschen. Deswegen muss es endlich einen Waffenstillstand und Friedensgespräche geben.

Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine? Der Westen muss vorlegen

Vögel fliegen über den Rauch, der aus den Ruinen eines Bauernhofs und eines noch brennenden Getreidespeichers in der Ukraine aufsteigt.
Vögel fliegen über den Rauch, der aus den Ruinen eines Bauernhofs und eines noch brennenden Getreidespeichers in der Ukraine aufsteigt.  © dpa/Efrem Lukatsky

TAG24: Wie kann es zu Friedensverhandlungen kommen?

Wagenknecht: Der Westen sollte Russland anbieten, die Waffenlieferungen sofort zu stoppen, wenn Moskau einem Waffenstillstand zustimmt. Dann ist die Frontlinie erst einmal so wie sie ist, und man versucht dann, alle offenen Fragen auf dem Gesprächsweg zu lösen.

Es gab schon einmal in Istanbul Verhandlungen, die nach übereinstimmender Meinung mehrerer Beteiligter bereits einen relativ weit ausgehandelten Vertrag ergeben hatten.

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Der Krieg hätte beendet werden können, aber dann hat die ukrainische Seite die Verhandlungen abgebrochen. Die meisten sagen, das ist auf Druck des Westens geschehen.

TAG24: Wie gelingt die Versöhnung mit einem kriegstreibenden Land, einem Aggressor wie Russland?

Wagenknecht: Ich glaube, eine Versöhnung ist aktuell nicht realistisch. Erst einmal muss man erreichen, dass nicht noch mehr Menschen sterben, dass die Waffen schweigen und dass man vielleicht erst einmal gewisse Gegebenheiten akzeptiert. Zum Beispiel den Status der Krim.

Im Donbass wäre meine Vorstellung, dass nach einer gewissen Zeit des Friedens und einer Rückkehr der Normalität die Menschen dort in einem Referendum entscheiden, zu welchem Land sie gehören wollen.

Das sagt die BSW-Chefin zum Vorgehen Israels in Gaza

Die israelischen Angriffe auf die Hamas haben im Gazastreifen deutlich sichtbare Spuren hinterlassen.
Die israelischen Angriffe auf die Hamas haben im Gazastreifen deutlich sichtbare Spuren hinterlassen.  © dpa/Mohammad Abu Elsebah

TAG24: Dass das Krim-Referendum nicht die freieste aller Wahlen war, wissen Sie auch?

Wagenknecht: Klar und die Referenden jetzt im Donbass erst recht. Das waren Referenden im Krieg und diese sind nicht aussagekräftig, in keiner Weise.

Obwohl man bei der Krim natürlich davon ausgehen kann, dass die meisten tatsächlich lieber zu Russland gehören wollen. Es gab da ja Anfang der Neunziger schon einmal ein Referendum mit einem eindeutigen Ergebnis.

Aber im Donbass sollten die Menschen befragt werden, wenn Frieden eingekehrt ist. Und im Anschluss müssen beide Seiten die Entscheidung akzeptieren.

TAG24: Wie beurteilen Sie Israels Vorgehen in Gaza?

Wagenknecht: Militärisch lässt sich auch dieser Konflikt nicht lösen. Die Hamas ist eine barbarische, islamistische Terrororganisation, das steht außer Frage. Allerdings ist die Vorstellung, dass man islamistische Terroristen mit Krieg besiegt, meines Erachtens schon in Afghanistan gescheitert.

Außerdem hat dieser Konflikt ja eine Vorgeschichte. Dass die Hamas so stark geworden ist, hat auch damit zu tun, dass die Interessen der Palästinenser über Jahre mit Füßen getreten worden und die Situation in Gaza seit vielen Jahren unerträglich ist.

Sahra Wagenknecht: Darum ist Israel ein Besetzer

TAG24: Inwiefern?

Wagenknecht: Gaza wurde durch Israel von nahezu allen Verbindungen in die Welt abgeschnitten. Es gibt eine Besatzung. Der jüdische US-Senator Bernie Sanders hat Gaza ein Freiluftgefängnis genannt, das beschreibt die reale Situation seit Jahren.

Jetzt wird dort ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung bombardiert, es sind durch diese Bomben schon über 4000 Kinder ums Leben gekommen, das ist furchtbar. Und es schürt zusätzlichen Hass. Das ist der Boden, auf dem islamistische Terrorbanden wie die Hamas gedeihen.

TAG24: Sie sagen, Israel ist ein Besetzer?

Wagenknecht: Das ist unstrittig eine Besatzung. Die Regierung Netanjahu akzeptiert nicht die von vielen Seiten unterstützte Zwei-Staaten-Lösung. Dass er schon immer dagegen war, hat die Hamas gestärkt.

Titelfoto: dpa/Mohammad Abu Elsebah

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