Debatte um den Wolf im Südwesten: Experte warnt vor Spaltung

Freiburg - In der oft leidenschaftlich geführten Debatte um den Wolf warnt ein Freiburger Experte vor einer Spaltung in der Gesellschaft. "Jeder sieht in dem Wildtier das, was er möchte", sagte Marco Heurich, Professor für Wildtierökologie und Naturschutzbiologie an der Universität Freiburg, der Deutschen Presse-Agentur. "Der Wolf wird dabei zum Spielball von gesellschaftlichen Gruppen."

Bei vielen Leuten löst der Wolf Angst aus, weil er mit einem "kulturellen Rucksack" ausgestattet worden ist.
Bei vielen Leuten löst der Wolf Angst aus, weil er mit einem "kulturellen Rucksack" ausgestattet worden ist.  © Sina Schuldt/dpa

Für die einen sei die Rückkehr des Wolfs ein Zeichen für ein funktionierendes Ökosystem.

Für Nutztierhalter bringe der Wolf hingegen Ärger, resümierte der Wissenschaftler. Es stünden sich inzwischen zwei Blöcke gegenüber. "Das eine Lager will die Tiere weiterhin schützen. Das andere Lager sagt, dass wir in ein Bestandsmanagement für den Wolf übergehen müssen, das schließt die Jagd mit ein."

Viele Menschen teilen die Angst von Schäfern und Viehhaltern vor Wölfen nicht - das ergab eine Befragung des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Tageszeitungen im Südwesten Ende vergangenen Jahres. Jeder Zweite begrüßt demnach die Rückkehr der einst nahezu ausgestorbenen Wölfe nach Baden-Württemberg. Nur jeder Fünfte ist dagegen.

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"Der Wolf wird stark mit einem kulturellen Rucksack ausgestattet", meinte Heurich.

"Wir alle tragen Bilder im Kopf, wonach der Wolf ein gefährliches Tier ist. Es werden in der Debatte oft Ängste geschürt." Das mache es oft unmöglich, Lösungen auf der Basis von Fakten zu finden, beklagte der Experte.

Wolf allein soll wenig Einfluss auf den Rothirschbestand haben

Der Freiburger Wildtierökologe Marco Heurich schätzt, dass sich 1300 Wölfe in Deutschland aufhalten.
Der Freiburger Wildtierökologe Marco Heurich schätzt, dass sich 1300 Wölfe in Deutschland aufhalten.  © Simone Heurich/privat/dpa

Heurich ist Initiator einer Studie zu Rothirschbeständen in 28 europäischen Ländern.

Die Zahl von Rothirschen sinkt in der Regel nur, wenn die drei Beutegreifer Wolf, Luchs und Bär gemeinsam in einem Gebiet vorkommen - so lautet ein Fazit der internationalen Untersuchung.

Der Wolf allein wirke sich hingegen wenig aus.

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Heurich sagte, es gebe inzwischen mehr als 1300 Wölfe in Deutschland.

Es habe bisher keine Aggression gegenüber Menschen gegeben.

"Bislang ist nichts passiert. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass nichts geschehen wird, allerdings kann man es auch nicht ausschließen", resümierte der Forscher.

"Falls ein Wolf einen Menschen beißen oder sogar töten würde, dürfte die gesellschaftliche Akzeptanz für Wölfe auf null gehen" meinte er. "Bei Hunden kommen solche Vorfälle hingegen immer wieder vor und sind gesellschaftlich toleriert."

Wer einen Wolf trifft, sollte Respekt zeigen

Der Schwarzwald wird als geeigneter Lebensraum für den Wolf eingestuft.
Der Schwarzwald wird als geeigneter Lebensraum für den Wolf eingestuft.  © Uli Deck/dpa

Eine wichtige Frage laute, wie mit problematischen Wölfen umgegangen werde: "Es gibt Rudel, die leben, ohne irgendwelche Probleme zu verursachen. Es gibt andere, oft Jungwölfe, die ein Schaf, ein Kalb oder ein Rind auf der Wiese töten", sagte Heurich. Die Individualität der Wölfe spielt dabei eine wichtige Rolle.

Die Umweltminister von Bund und Ländern hatten sich im Dezember darauf verständigt, dass problematische Wölfe, die Schutzzäune überwunden und Nutztiere gerissen haben, in Deutschland künftig deutlich schneller als bisher getötet werden können.

Mit Blick auf den Südwesten sagte der Freiburger Experte, der Schwarzwald sei als Lebensraum für Wölfe geeignet. "Man muss damit rechnen, dass er (der Schwarzwald) komplett von Wölfen besiedelt wird – wenn man sie lässt."

Anders sei es in der Rheinebene oder im Rhein-Main-Gebiet - wegen des dortigen Straßenverkehrs. Viele Tiere seien in Deutschland bereits überfahren worden.

Wer im Wald oder woanders einem Wolf begegnet, sollte Respekt vor dem Wildtier zeigen. Falls sich die Tiere nicht zurückziehen, sollte man sich auf sich aufmerksam machen und sich dann langsam entfernen, rät das baden-württembergische Umweltministerium.

Titelfoto: Sina Schuldt/dpa

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