Platzmangel im Maßregel-Vollzug: So viele Straftäter mussten freigelassen werden!

Stuttgart - Die Maßregelvollzug-Kliniken in Baden-Württemberg sind überfüllt - so sehr, dass verurteilte Straftäter freigelassen werden müssen. Doch es gibt zwei Lösungsansätze für das Problem.

Blick auf das Gebäude des Maßregelvollzugs in Mühlhausen.
Blick auf das Gebäude des Maßregelvollzugs in Mühlhausen.  © Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa

2022 seien 34 Menschen aus der sogenannten Organisationshaft entlassen worden, teilte das Sozialministerium in Stuttgart der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage mit.

Organisationshaft ist die vorübergehende Freiheitsentziehung für einen Straftäter in einer Justizvollzugsanstalt, wenn gegen ihn neben einer Freiheitsstrafe eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist.

Werde ein Behandlungsplatz im Maßregelvollzug frei, würden die Verurteilten zur Aufnahme einbestellt, so das Ministerium. Dies gelte ausschließlich für solche Täter, die in eine Entziehungsanstalt müssen - wenn also die Straftat im Zusammenhang mit einer Drogen- oder Alkoholsucht begangen wurde.

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Anders sei es bei Tätern, die beispielsweise wegen schwerer Gewalttaten verurteilt wurden, hieß es vom Ministerium. Solche Straftäter bekämen unter "Umgehung der Warteliste" kurzfristig einen Platz im Maßregelvollzug zugewiesen.

Dieser war in Baden-Württemberg, wie auch in anderen Bundesländern, deutlich überbelegt: Zum Stichtag 31. Dezember 2022 waren insgesamt 1425 Menschen untergebracht. Vorgesehen sind eigentlich nur 1320 Betten.

Zu diesem Zeitpunkt waren 83 Menschen in Organisationshaft - warteten also auf einen Platz in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt.

Immer mehr Straftäter kommen in Kliniken anstatt in Haft

Kameras und Überwachungs-Sensoren auf dem Gelände des Maßregelvollzugs in Hildburghausen.
Kameras und Überwachungs-Sensoren auf dem Gelände des Maßregelvollzugs in Hildburghausen.  © Stefan Thomas/dpa-Zentralbild/dpa

In den Maßregelvollzug kommen Straftäter, wenn ein Gericht diese als psychiatrisch auffällig oder suchtkrank einstuft. Bei längeren Freiheitsstrafen kann die Haft dabei aufgeteilt werden: Zunächst wird ein Teil im Gefängnis abgesessen, dann folgt die Maßregel.

Danach wird entschieden, ob der Verurteilte die Reststrafe weiter absitzen muss oder vorzeitig auf Bewährung entlassen werden kann. Nach Angaben des Ministeriums sind die Zahlen derer, die in den Maßregelvollzug sollen, seit 2018 stark angestiegen - noch Ende 2017 waren nur 1049 Plätze belegt.

Grund sei eine veränderte Rechtsprechung, durch die auch Täter statt in ein "normales" Gefängnis in den Maßregelvollzug kämen, die nicht zwingend behandlungsbedürftig seien.

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Außerdem ist eine solche auch für die Straftäter mit höheren Haftstrafen verlockend - eine Zuweisung in den Maßregelvollzug birgt die Chance, schon nach der Halbzeit der verbüßten Strafe auf freien Fuß zu kommen.

Weil immer mehr Menschen den Kliniken zugewiesen wurden statt zu einer Haft verurteilt, gab es auch eine Debatte darüber, ob Richter zu schnell für den Maßregelvollzug entscheiden.

Marion Gentges: "Die Gerichte sind an das Gesetz gebunden"

Marion Gentges (52, CDU) ist die Justizministerin von Baden-Württemberg.
Marion Gentges (52, CDU) ist die Justizministerin von Baden-Württemberg.  © Bernd Weißbrod/dpa

Justizministerin Marion Gentges (52, CDU) weist das zurück: "Die Gerichte sind an das Gesetz gebunden. Die Anordnung der Unterbringung im Strafurteil erfolgt auf Grundlage der gesetzlichen Voraussetzungen unter Berücksichtigung gutachterlicher Stellungnahmen", sagte die CDU-Politikerin.

Es gebe "keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Gerichte entgegen der fachlichen Einschätzung der im Verfahren beteiligten Sachverständigen nicht therapierbare Menschen in einer Entziehungsanstalt unterbringen würden."

Beide Ministerien sehen aber bei der Gesetzeslage Reformbedarf - und tatsächlich gibt es inzwischen einen Entwurf des entsprechenden Gesetzes. Dieser befinde sich aktuell in parlamentarischer Beratung, hieß es.

Das Land will aber auch mit einer neuen Klinik in Schwäbisch Hall bis Ende 2024 oder Anfang 2025 und mit einem Neubau in Winnenden das Platzproblem lösen.

Titelfoto: Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa

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