Er trank Blut seiner Opfer: Vor 90 Jahren wurde der "Vampir von Düsseldorf" geköpft

Von Frank Christiansen

Düsseldorf – Vor 90 Jahren wird der Serienmörder Peter Kürten in Köln geköpft. Die Verbrechensserie des "Vampirs von Düsseldorf" gilt als spektakulärster Kriminalfall der Weimarer Republik. Inzwischen ist der letzte Überlebende gestorben.

Hermann Mühlemeyer erinnerte sich vor seinem Tod noch gut an seine Begegnung mit dem Serienmörder.
Hermann Mühlemeyer erinnerte sich vor seinem Tod noch gut an seine Begegnung mit dem Serienmörder.  © picture alliance/dpa

Vor fünf Jahren konnte er noch präzise Auskunft geben, über seine unheimliche Begegnung mit dem Jahrhundertverbrecher: "Ich war wie gelähmt", erinnerte sich Hermann Mühlemeyer.

Acht Jahre sei er alt gewesen, als er im Juli 1929 auf einem Feldweg im Düsseldorfer Süden plötzlich Peter Kürten gegenüber gestanden habe.

Die Mordserie des Serienmörders Kürten (1883-1931), der mindestens neun Menschen ermordete und es bei rund 40 weiteren versuchte, gilt als der spektakulärste Kriminalfall der Weimarer Republik.

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Vor 90 Jahren, am 2. Juli 1931, sauste früh morgens das Fallbeil auf den zum Tode verurteilten Kürten nieder. Der Henker war eigens aus Magdeburg angereist.

Mühlemeyer, der 2019 starb, war der wohl letzte Überlebende des "Vampirs von Düsseldorf".

Der in einen vornehmen Anzug gekleidete Kürten habe auf einem Feldweg mit einem Fahrrad vor ihm gehalten, ein langes Messer gezückt und in ganz freundlichem Tonfall zu ihm gesagt: "Jetzt will ich dir mal dein Hälschen abschneiden."

1929 befindet sich Peter Kürten im "Blutrausch"

Am 22. April 1931 wurde Peter Kürten wegen Mordes in neun Fällen und weiteren Delikten vom Düsseldorfer Schwurgericht zum Tode verurteilt. Die Hinrichtung fand am 2. Juli 1931 statt.
Am 22. April 1931 wurde Peter Kürten wegen Mordes in neun Fällen und weiteren Delikten vom Düsseldorfer Schwurgericht zum Tode verurteilt. Die Hinrichtung fand am 2. Juli 1931 statt.  © picture alliance / dpa

Sein Freund Werner habe ihm das Leben gerettet, indem er rief: "Hermann, lauf auf den Bahndamm. Dahinten kommt Bahnpolizei." Die Notlüge wirkte: Der damals meistgesuchte Verbrecher weit und breit sprang auf sein Rad und türmte, so schnell er konnte.

Nach der Festnahme habe er den streng gescheitelten Kürten auf den Zeitungsfotos sofort wiedererkannt, berichtete Mühlemeyer. "Wenn der Werner nicht gewesen wäre, hätte der mich kaputt gemacht."

1929 ist das Jahr, in dem Kürten sich in einen Blutrausch steigert, acht seiner neun Morde begeht sowie eine Reihe von Überfällen und Mordversuchen, mit denen er die Bevölkerung der Weimarer Republik in Hysterie versetzt.

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Regisseur Fritz Lang greift den Fall schnell in seinem legendären Film auf: "M - Eine Stadt sucht einen Mörder".

Peter Kürten war mehr als ein Sadist und Psychopath

Ohrring, Halskette und Schuhe: Es sind Beweisstücke im Mordfall Maria Hahn.
Ohrring, Halskette und Schuhe: Es sind Beweisstücke im Mordfall Maria Hahn.  © Peter Ulbrich/dpa

Den Beinamen "Vampir von Düsseldorf" bekam Kürten, weil er, wie aus den Akten hervorgeht, vom Blut mehrerer seiner Opfer getrunken haben soll. Schon früh habe Kürten im Düsseldorfer Hofgarten einen jungen Schwan aufgeschlitzt und dessen Blut getrunken, berichtet Hanno Parmentier, Historiker und Kürten-Experte. "Das Blut spielt bei Kürten eine enorme Rolle - es hat sexuelle Erlebnisse bei ihm ausgelöst."

Parmentier hat der Fall Kürten nicht mehr losgelassen, seit er die 222 Aktenbündel von Polizei und Gericht im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen studiert hat. Er war an den Tatorten, hat den Wegen des Serienmörders in und um Düsseldorf nachgespürt, etwa im Rotthäuser Bachtal, wo er die junge Maria Hahn mit einer Schere erstach und auch begrub.

In seiner Eitelkeit habe er sogar Briefe an die Polizei und Zeitungen geschickt, mit einer Skizze und der markierten Stelle, an der er ihre Leiche vergraben hatte.

Für Kriminalpsychologin Lydia Benecke (38) war Kürten nicht nur ein gefährlicher sexueller Sadist und Psychopath. Bei ihm sei der starke Drang hinzugekommen, Menschen zu töten.

"Seine zumeist weiblichen Opfer würgte er bewusstlos, schlug sie, schnitt ihnen den Hals auf und trank gelegentlich sogar ihr Blut", berichtet Benecke. Kürten habe sogar davon geträumt, große Menschenmassen zu töten. "Die Vorstellung des Quälens und Zerstörens von Menschen bereitete ihm auch über seine Sexualität hinaus Freude." Bei so stark gestörten Straftätern seien typischerweise Misshandlungen in Kindheit und Jugend zu finden, berichtet Benecke.

Um zum Serienmörder zu werden, müssten aber noch weitere biologische und andere Faktoren hinzukommen.

Peter Kürten erlebt gewaltsame Kindheit

Ein Polizeifoto zeigt den immerzu adrett gekleideten Peter Kürten.
Ein Polizeifoto zeigt den immerzu adrett gekleideten Peter Kürten.  © picture alliance / dpa

Kürtens Vater war ein gewalttätiger Alkoholiker. Er schlug Kürtens Mutter und seine 13 Geschwister, verging sich sogar an einer Tochter sexuell. Der kleine Peter erlebt nicht nur den brutalen Vater, sondern schaut auch seinem Nachbarn zu, einem Tierfänger und Abdecker, spürt schon bald seine Lust am Töten, legt Dutzende Brände.

Kürten wird früh zu einem Gewohnheitsverbrecher, verbringt nahezu sein halbes Leben hinter Gittern. Seinen ersten nachgewiesenen Mord begeht er 1913 an der neunjährigen Christine Klein, der er in der Wohnung eines Gastwirts die Kehle durchschneidet.

Zuvor soll er bereits als Kind zwei andere Kinder in den Rhein gestoßen und ihnen beim Ertrinken zugeschaut haben. Gesichert ist das nicht.

Die Polizei steht unter enormen Druck und entwickelt innovative Methoden: Sie fertigt sogar ein Täterprofil des "Phantoms von Düsseldorf" an - es ist das erste der deutschen Kriminalgeschichte.

Ein Vorläufer der Rasterfahndung bringt Kürten tatsächlich auf eine Liste der Polizei, aber seine Nachbarn versichern, dass es sich bei dem netten, unauffälligen Herrn niemals um einen perversen Serienmörder handeln könne.

Schlussendlich verriet ihn seine eigene Frau

Peter Kürten lebte gemeinsam mit seiner Frau in einer kleinen Wohnung in Düsseldorf.
Peter Kürten lebte gemeinsam mit seiner Frau in einer kleinen Wohnung in Düsseldorf.  © Peter Ulbrich/dpa

Lange tappen die Ermittler im Dunkeln, können sich den in rascher Folge Mordenden nur als "Irren" vorstellen und suchen in Nervenheilanstalten nach dem "Vampir". Zwei Frauen, die Kürtens Angriffe überlebt haben, identifizieren ihn schließlich.

Dann macht die Polizei einen kapitalen Fehler, berichtet Parmentier: Sie schickt Kürten eine Vorladung zur Vernehmung. Der ist gewarnt und taucht ab. In seiner Wohnung treffen die Beamten nur noch seine Frau an. Doch die hält den Verhören nicht stand und verrät der Polizei ein bevorstehendes Treffen mit ihrem Mann an der Düsseldorfer Rochuskirche. Dort wird Kürten schließlich verhaftet - und gesteht.

Seine Taten stellt er dabei als Rache an der Gesellschaft dar: Er habe demonstrieren wollen, dass das Zuchthaus die Menschen nicht besser, sondern noch schlechter mache. Tatsächlich hat er aber wohl aus einem anderen Grund gemordet: Mehrere Psychiater wie Karl Berg stufen Kürten als Sadisten ein.

Den Psychiater Franz Sioli fragt er vor seiner Hinrichtung: "Ist es möglich, dass man im Augenblick seines Todes das eigene Blut rauschen hört?"

Titelfoto: picture alliance / dpa

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