Von "Dreckschweinen" und "Stechern": Das sind Sachsen-Anhalts Pfingstbräuche

Halle (Saale) - Auch in Sachsen-Anhalt gibt es zu Pfingsten zahlreiche Bräuche. Vieles dreht sich um die wiedererwachte Natur im Frühling.

Beim traditionellen Dreckschweinfest im Mansfelder Land ist der Name Programm. (Archivbild)
Beim traditionellen Dreckschweinfest im Mansfelder Land ist der Name Programm. (Archivbild)  © Matthias Bein/dpa-Zentralbild/dpa

Eigentlich ist Pfingsten ein christliches Fest und erinnert an die Gründung der Kirche. Zugleich wird das Datum für Frühlingsbräuche genutzt - der Frühling wird begrüßt.

Ein besonderer Brauch ist das "Dreckschweinfest", das seit 1620 in nur vier Dörfern im Mansfelder Land jährlich zu Pfingsten gefeiert wird. Es geht darum, den Winter auszutreiben.

"Wir sind guter Hoffnung, dass nach der Zeit der Pandemie viele Besucher kommen werden", sagt der Amtmann der Pfingstgesellschaft Hergisdorf, Marc Nakielski. "Im letzten Jahr waren es um die 800 Menschen beim Dreckschweinfest."

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Dabei stoßen sich junge Männer am Pfingstmontag in einer Kuhle gegenseitig in den Schlamm. "Im Ablauf halten wir an der jahrhundertealten Tradition fest", sagt Nakielski: Die "Dreckschweine" werden von sogenannten "Läufern" attackiert, indem diese mit langen Peitschen die "Dreckschweine" aus der Kuhle jagen.

Die "Läufer", ganz in weiß und mit vielen bunten Accessoires behangen symbolisieren den Sommer, die schlammverkrusteten "Dreckschweine" den Winter.

Turniere aus dem Mittelalter

Beim Ringreiten muss mit einem "Stecher" (auch Lanze genannt) ein Ring aufgespießt werden. (Symbolbild)
Beim Ringreiten muss mit einem "Stecher" (auch Lanze genannt) ein Ring aufgespießt werden. (Symbolbild)  © Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB

"Das komplette Fest ist auf der bundesweiten Liste des immateriellen Kulturerbes als "Pfingsttanz in den Grunddörfern" verzeichnet", sagt die wissenschaftliche Referentin für Kulturerbe beim Bund Heimat und Umwelt in Deutschland BHU, Annette Schneider-Reinhardt.

Ein anderer Brauch ist das Ringreiten. Im Mittelalter gab es zu Pfingsten Massenzusammenkünfte, welche in Anlehnung an die Versammlung frommer Männer in der Bibel abgehalten wurden.

Kaiser Friedrich Barbarossa (1122-1190) hielt seinen ersten Hoftag zu Merseburg an Pfingsten ab. Solche Hofhaltungen fanden mit Heerschauen und Turniere statt.

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"Von diesen Turnierspielen nach den Heerschauen ist in Sachsen-Anhalt das Ringreiten übrig geblieben. Der Brauch ist heute auch als immaterielles Kulturerbe auf der bundesweiten Liste", sagt Schneider-Reinhardt.

Bei dem Spiel muss ein Reiter im Galopp einen kleinen Ring mit einer Lanze aufspießen. In Sachsen-Anhalt wird mitunter statt der Lanze ein Stock, auch Stecher genannt, verwendet.

Rund 20 Gemeinden tragen Turniere aus, darunter Pömmelte, Reppichau und Calbe.

Befreiung einer "Prinzessin"

Ähnlich wie beim Schmücken eines Maibaumes werden gebietsweise auch Birken an Pfingsten verziert und verteilt. (Symbolbild)
Ähnlich wie beim Schmücken eines Maibaumes werden gebietsweise auch Birken an Pfingsten verziert und verteilt. (Symbolbild)  © Federico Gambarini/dpa

Sogenannte Räuberfeste werden in Anhalt, Beesedau, Lebendorf und Strenznaundorf sowie im Mansfeldischen Walbeck veranstaltet. Dabei wird von den "Räubern" eine junge Frau "geraubt" und zu ihrem Räuberlager mitten in der Natur "verschleppt".

Die gesamte Dorfbevölkerung ist auf den Beinen, um die junge Frau, die "Prinzessin", zu befreien. "Dabei geht es hoch her, mit viel Knallerei, ein einzigartiges Schauspiel", sagte Schneider-Reinhardt. Am Ende wird der glückliche Ausgang gefeiert.

Anderswo werden Wagen oder Personen mit Blättern verziert. "Vor allem im Saale-Unstrut-Gebiet und im Mansfeldischen sind unzählige Pfingstgesellschaften in mit grünem Laub verzierten Pferdewagen unterwegs, um Maien, das sind kleine mit Bändern geschmückte Birken, heute zur Ehrung von Bürgern an deren Hoftüre zu stellen und die dafür zum Teil einen Obolus zur Finanzierung des Dorffestes zahlen.

Früher wurde der Brauch zur Ehrung eines Mädchens mit der Überbringung des Liebesmaien veranstaltet", sagt die Wissenschaftlerin Schneider-Reinhardt.

Fistenmeier in der Altmark

Seit 1994 öffnen an Pfingsten in ganz Deutschland Wasser- und Windmühlen für neugierige Besucher ihre Türen. (Archivbild)
Seit 1994 öffnen an Pfingsten in ganz Deutschland Wasser- und Windmühlen für neugierige Besucher ihre Türen. (Archivbild)  © Hauke-Christian Dittrich/dpa

Bei den Umzügen mit dem "Fistenmeier" in Lindstedt, Jahrstedt (Altmark) und dem "Pfingstmeier" in Wollenhagen wird eine Person mit grünem Laub umhüllt, der anschließend durch das Dorf zieht und Gaben erbittet.

In Gegenden mit Viehhaltung wird ein Tier geschmückt, weil damit auch an den jahreszeitlichen Beginn der Viehweide erinnert wird. Die unterschiedlichen Bezeichnungen sind den Mundarten geschuldet.

"Ein neuerer Brauch seit 1994 in Gesamt-Deutschland ist der Mühlentag, der dazu einlädt, historische Wasser- und Windmühlen am Pfingstmontag zu besichtigen", sagt Schneider-Reinhardt.

"Würde man heute eine Umfrage starten, welche Bedeutung Pfingsten hat, so würden wahrscheinlich nur noch wenige die Herleitung aus dem jüdisch-christlichen Kontext erklären können", sagt die Wissenschaftlerin.

Das Wort "Pfingsten" entstand aus dem griechischen Wort "Pentekoste", der fünfzigste, denn das erste Pfingstfest wurde fünfzig Tage nach dem österlichen Paschafest gefeiert, zwischen dem 10. Mai und 13. Juni.

Titelfoto: Matthias Bein/dpa-Zentralbild/dpa

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