250 geschulte Ehrenamtler: Sachsen macht Ernst mit dem Zählen seiner Vögel
Bautzen - Falls Euch beim Osterspaziergang ein Zeitgenosse auffällt, der mit Fernglas bewaffnet durch das Unterholz strolcht, bleibt erst mal sonnig. Es könnte sich nämlich um einen Mitarbeiter für die große Volkszählung der sächsischen Vögel handeln, die in diesen Tagen begonnen hat.
Dabei ist die sächsische Brutvogelkartierung viel spezieller und genauer, als die alljährliche Stunde der Gartenvögel für jedermann. Geschulte Vogelfreunde dokumentieren Verbreitung, Häufigkeit und Brutverhalten von knapp 200 Arten, die im Freistaat beheimatet sein könnten.
Die Federführung für das auf drei Jahre angelegte Projekt liegt bei der Sächsischen Vogelschutzwarte in Neschwitz. Chef-Koordinator Winfried Nachtigall (49): "Nach der ersten Datenerhebung 1982 ist dies bereits die vierte Zählung in Sachsen. Durch zahlreiche Veränderungen in der Landnutzung, durch den Klimawandel und artdynamische Prozesse haben sich deutliche Veränderungen ergeben. Wir warten gespannt auf die Ergebnisse."
Zu den Verlierern gehören - das deutete sich in den letzten Jahren an - die in Feldern lebenden Arten. So habe der Kiebitz 95 Prozent seines Bestandes eingebüßt. Feldlerchen hört man schon noch trillernd zwitschern, aber bei Weitem nicht mehr so oft wie früher.
Die Veränderungen kennen aber auch Gewinner, etwa Bienenfresser, Wiedehopf oder Greifvögel wie die Seeadler. Winfried Nachtigall: "Ich bin schon neugierig, ob hier inzwischen der Buschrohrsänger brütet - eine Art, die eher in Osteuropa beheimatet ist." Und der Silberreiher beehrte Sachsen bisher nur mit seiner Durchreise, nicht mit Nestbau.
Aufwand wird nicht gerade fürstlich entlohnt
Für die Kartierung wurde die Fläche des Freistaates in 659 Quadranten von je 32 Quadratkilometern unterteilt, die unter 250 Vogelzählern aufgeteilt wurden. Dieses Gebiet muss der Beobachter mehrmals durchstreifen und dabei auf Balzverhalten, Gelege und Bruterfolg achten.
Noch sind nicht alle Quadranten vergeben. Nachtigall: "Vor allem im Erzgebirge und im Leipziger Umland benötigen wir noch Ehrenamtliche mit ornithologischer Vorbildung."
Der Aufwand von 300 bis 450 Stunden in drei Jahren wird mit 750 Euro nicht gerade fürstlich entlohnt. Dafür hat man aber eine spannende Aufgabe an der frischen Luft und fördert Erkenntnisse zutage, die letztlich auch den gefiederten Freunden zugutekommen.
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