Apotheken-Sterben in Sachsen: Erst werden Arzneimittel knapp, jetzt die Pharmazeuten

Dresden - Im Freistaat haben im vergangenen Jahr weniger Apotheken geschlossen als befürchtet. Aber der Weg vom Sofa zum Blutverdünner oder zum Hustensaft wird immer länger. Besonders auf dem Land.

Das Apotheken-Sterben ist ein bundesweites Phänomen. In Sachsen schlossen 13 Apotheken im vergangenen Jahr.
Das Apotheken-Sterben ist ein bundesweites Phänomen. In Sachsen schlossen 13 Apotheken im vergangenen Jahr.  © IMAGO/Travel-Stock-Image

Ende vergangenen Jahres gab es 926 Apotheken in Sachsen, sagt der Vize-Chef des sächsischen Apothekerverbandes, Reinhard Groß (59), auf TAG24-Anfrage. Das sind 13 weniger als noch ein Jahr zuvor. "Unnötige bürokratische Hürden, Lieferengpässe sowie Nachwuchsmangel verschlechtern seit Jahren die Rahmenbedingungen", so Groß.

Dazu kommen die Inflation, die hohen Energiepreise und die Konkurrenz durch das Internet.

Aber das Apotheken-Sterben ist ein bundesweites Phänomen. Kurt Behning (42) aus Dannenberg (Niedersachsen) hat deshalb die Liquidierung von Apotheken zum Geschäftsmodell gemacht.

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Viele Apotheker fänden keinen Nachfolger, auch weil das finanzielle Risiko immens hoch ist, sagt er. "Apotheken mit einem Jahresumsatz unter 1,5 Millionen Euro sind kaum mehr zu verkaufen", so Behning gegenüber TAG24.

2029 fehlen voraussichtlich mehr als 10.000 Apotheker

Nur Medikamente verkaufen läuft nicht. Der bürokratische Aufwand für Apotheker ist riesig.
Nur Medikamente verkaufen läuft nicht. Der bürokratische Aufwand für Apotheker ist riesig.  © dpa/Benjamin Nolte

In Sachsen versorgten 2022 laut der sächsischen Landesärztekammer (SLAK) 133 Apotheken die Patienten ihres Postleitzahlenbezirkes allein.

Bei 71 davon mussten die Patienten einen Weg von mindestens vier Kilometern zurücklegen. Ohne Auto vor allem für Ältere ein Problem.

Betroffen sind die Kreise Bautzen, Meißen, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und sogar Dresden.

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Und das Apotheken-Sterben geht weiter. Laut der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) fehlen 2029 voraussichtlich mehr als 10.000 Apotheker.

"Damit die wohnortnahe Arzneimittelversorgung zukünftig noch sicher ist, brauchen die Apotheken vor Ort von der Politik jetzt Wertschätzung, eine auskommende Honorierung und Planungssicherheit", fordert Reinhard Groß.

Ministerpräsident Michael Kretschmer ist alarmiert

Wo fehlt's? MP Michael Kretschmer (47, CDU) gemeinsam mit Apothekerverbands-Chef Thomas Dittrich (59) in der Apotheke von Maret Hoffmann (43) in Dresden-Mickten.
Wo fehlt's? MP Michael Kretschmer (47, CDU) gemeinsam mit Apothekerverbands-Chef Thomas Dittrich (59) in der Apotheke von Maret Hoffmann (43) in Dresden-Mickten.  © Holm Helis

Lieferengpässe bei Medikamenten: Einige Präparate sind auch in sächsischen Apotheken aktuell nicht oder nur schwer erhältlich. Regierungs-Chef Michael Kretschmer (47, CDU) machte sich am gestrigen Mittwoch vor Ort ein Bild von der Lage.

Die Apotheke im Ärztehaus Mickten: Maret Hoffmann (43) hat ein paar Medikamente auf dem Ladentisch aufgereiht. "Infecto-Bicillin", ein Antibiotikum etwa, oder "Ibuprofen", ein Fiebersenker. Auch Zytostatika (Mittel zur Krebsbehandlung) seien momentan nicht immer erhältlich, sagt die Apothekenleiterin, als der Ministerpräsident endlich eintrifft.

Nach der Erkältungswelle sei das Problem nicht mehr so gravierend. "Aber wir brauchen eine Perspektive für die nächste Saison", sagt die Apothekerin.

Für Michael Kretschmer liegt die Ursache, der "Krebsschaden", in einer falschen Vertragspolitik - eine Grußadresse an Berlin. Bei den Verträgen mit Lieferanten müsse man die Lieferfähigkeit stärker berücksichtigen und Nicht-Erfüllung mit Strafen belegen.

Thomas Dittrich (59) vom Deutschen Apothekerverband schaltet sich ein. Die Rabattverträge mit Lieferanten dürften nicht nur mit einem Partner geschlossen werden, ergänzt er. "Es ist jahrelang gespart worden", das Ergebnis zeige sich jetzt.

Thomas Dittrich (59), Vorsitzender des Deutschen Apothekenverbands, spricht von einer schwierigen Situation für Apotheken.
Thomas Dittrich (59), Vorsitzender des Deutschen Apothekenverbands, spricht von einer schwierigen Situation für Apotheken.  © Holm Helis

Das reicht dem MP aber noch nicht. Er will auch weniger Bürokratie und fordert, die Ausnahmeverordnung für Heilmittel, die im Zuge der Corona-Pandemie verfügt wurde und die im April ausläuft, zu verlängern.

Das ist ganz im Sinne von Maret Hoffmann. Aber das Wichtigste: "Wir müssen die Versorgungssicherheit garantieren!"

Titelfoto: Montage: IMAGO/Travel-Stock-Image, dpa/Benjamin Nolte

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