Herr Finanzminister Vorjohann, was kann sich Sachsen künftig noch leisten?

Dresden - Worüber spricht man mit einem Finanzminister? Über Geld natürlich. In Sachsen bekleidet den Posten seit Dezember 2019 Hartmut Vorjohann (59, CDU). Von ihm wollte TAG24 wissen, wie es mit Neueinstellungen bei der Polizei aussieht, wie krisenfest die sächsische Wirtschaft ist und wofür 2023/24 voraussichtlich noch Geld da sein wird.

SPD und Grüne sehen ihn gern als Bremser, der Investitionen in die Zukunft verhindert - die CDU weiß, was sie an ihm hat: Sachsens Finanzminister Hartmut Vorjohann (59, CDU).
SPD und Grüne sehen ihn gern als Bremser, der Investitionen in die Zukunft verhindert - die CDU weiß, was sie an ihm hat: Sachsens Finanzminister Hartmut Vorjohann (59, CDU).  © Eric Münch

TAG24: Herr Vorjohann, Sie verhandeln gerade den neuen Doppelhaushalt. Welche Investition ist Ihnen besonders wichtig?

Hartmut Vorjohann: "Beim Breitbandausbau werden wir viel Geld in die Hand nehmen. Wir wollen die grauen Flecken erschließen, wo bisher nur wenige Bits durch die Leitung fließen. 700 Millionen Euro Fördermittel sind schon da, jetzt kommen noch etwa 460 Millionen Euro dazu."

TAG24: Worauf sollte aus Ihrer Sicht verzichtet werden?

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Vorjohann: "Der zentrale Kostenfaktor ist das Personal. Aktuell sind mehr als 90.000 Stellen im Haushalt angesetzt - Polizisten, Lehrer, Verwaltungsbeamte und vieles mehr. Aber die Ressorts wünschen sich rund 7000 zusätzliche Stellen. Das ist nicht finanzierbar und auch verwaltungsökonomisch fragwürdig."

TAG24: Dabei hat der neue Innenminister verkündet, dass er jährlich 600 Polizisten einstellen will.

Vorjohann: "Da wäre ich sehr zurückhaltend, das ist noch nicht verhandelt. Eine Stelle kostet zwischen 50.000 und 80.000 Euro pro Jahr. Die endgültige Entscheidung wird im Rahmen der Haushaltsklausur fallen."

TAG24: Der Lehrer-Mangel ist schon lange ein Problem. Auch da wollen Sie nicht aufstocken?

Vorjohann: "Natürlich bräuchten wir mehr Lehrer. Aber faktisch gibt es diese ausgebildeten Lehrer nicht. Die Jahrgänge werden immer kleiner - und nicht alle Schulabgänger können Lehrer werden. Das Handwerk und die Industrie brauchen auch Nachwuchs."

Vorjohann: Sächsische Wirtschaft hat gut zu tun

Alle Hände voll zu tun hat die Wirtschaft in Sachsen, ist sich Finanzminister Vorjohann sicher.
Alle Hände voll zu tun hat die Wirtschaft in Sachsen, ist sich Finanzminister Vorjohann sicher.  © dpa/Julian Stratenschulte

TAG24: Apropos: Wie krisenfest ist die sächsische Wirtschaft?

Vorjohann: "Im Moment sind die Auftragsbücher voll. Es ist schwer, überhaupt einen Handwerker zu bekommen. Aber wir müssen reagieren können, falls es zu einem Einbruch der Wirtschaft kommt. Deswegen dürfen wir uns im neuen Haushalt nicht zu viele Kosten aufladen. Aber: Ich rechne nicht mit einem Einbruch."

TAG24: Für die Jahre 2022 bis 2024 sind insgesamt rund 56 Milliarden Euro Steuern zu erwarten - statt der noch im November prognostizierten 53,6 Milliarden. Unterm Strich Mehreinnahmen von 2,4 Milliarden Euro. Wohin fließt das Geld?

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Vorjohann: "Deswegen können wir nicht mehr Geld ausgeben. Ein Teil der Steuereinnahmen geht über den kommunalen Finanzausgleich an die Landkreise und Kommunen. Und wir haben noch ein großes Defizit im nächsten Doppelhaushalt - mehr als eine Milliarde Euro. Die höheren Steuereinnahmen reduzieren eigentlich nur die Lücken."

TAG24: 46 Milliarden Euro schwer soll der neue Doppelhaushalt werden. Wie hoch sind die Wünsche aus den Ressorts?

Vorjohann: "Die Wunschlisten würden unseren Rahmen um ungefähr sieben Milliarden Euro sprengen."

TAG24: Die Koalitionspartner CDU, SPD und Grüne lagen schon öfter im Clinch. Könnte der Streit um den Haushalt dazu führen, dass die Koalition zerbricht?

Vorjohann: "Haushaltsverhandlungen sind immer schwierig. Vor allem, wenn drei Partner am Tisch sitzen. Aber die Koalition wird es überleben."

So sollen Corona-Schulden in Sachsen zurückgezahlt werden

Interview zwischen Landtagsdebatten: Der Finanzminister (M.) im Gespräch mit den TAG24-Redakteuren Johannes Pittroff (l.) und Thomas Staudt.
Interview zwischen Landtagsdebatten: Der Finanzminister (M.) im Gespräch mit den TAG24-Redakteuren Johannes Pittroff (l.) und Thomas Staudt.  © Eric Münch

TAG24: Die Corona-Schulden sind eine große Last. Wie wollen Sie die zurückzahlen?

Vorjohann: "Es werden etwa 3,8 Milliarden Euro sein - nach aktuellem Stand. Es gibt den Wunsch, die Rückzahlung auf 15 Jahre zu strecken. Aber das müsste der Landtag mit einer Zweidrittelmehrheit beschließen. Der kommende Doppelhaushalt richtet sich nach der Verfassung. Und die gibt derzeit eine Frist von acht Jahren vor."

TAG24: Was wäre Ihnen lieber: acht oder fünfzehn Jahre?

Vorjohann: "Wir sollten die Krisenlast nicht zu lange strecken, denn die nächste Krise kommt bestimmt. Und wenn im Herbst eine neue Corona-Welle kommt, müssen wir ohnehin neu rechnen."

TAG24: Wann soll der Doppelhaushalt stehen?

Vorjohann: "Laut Zeitplan werden wir den Haushalt vor den Sommerferien fertig haben. Dann geht er an den Landtag. Die Abstimmung soll kurz vor Weihnachten stattfinden. Somit hätten wir den Haushalt, bevor das neue Haushaltsjahr beginnt."

TAG24: Aber rechnen Sie nicht mit weiteren Reibereien, die den Prozess verzögern könnten?

Vorjohann: "Doch, natürlich."

TAG24: Das heißt: Wenn das Jahr 2023 beginnt, ist der Haushalt vielleicht noch gar nicht verabschiedet?

Vorjohann: "Das kann ich nicht ausschließen, aber auch nicht bestätigen."

Titelfoto: Eric Münch

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