Hinter Gittern entstehen die verschiedensten Christstollen: Das große Backen im Knast

Dresden - Gibt's doch gar nicht! Gibt's doch! Stollen werden in der Landeshauptstadt nicht nur in den Handwerks- und Großbäckereien hergestellt, sondern auch im Knast.

Wer will fleißige Handwerker seh'n? In der Justizvollzugsanstalt Dresden sorgen die Häftlinge selbst für ihr täglich Brot. Von August bis Oktober backen sie zudem Tausende Stollen, seit sieben Jahren bereits. Eine besondere Spezialität ist der Schwarzwälder Kirschstollen. Mit Kirschgeist, versteht sich.
Wer will fleißige Handwerker seh'n? In der Justizvollzugsanstalt Dresden sorgen die Häftlinge selbst für ihr täglich Brot. Von August bis Oktober backen sie zudem Tausende Stollen, seit sieben Jahren bereits. Eine besondere Spezialität ist der Schwarzwälder Kirschstollen. Mit Kirschgeist, versteht sich.  © Holm Helis

Hier ein exklusiver Blick in die Stollenbackstube der Justizvollzugsanstalt am Dresdner Hammerweg.

Ein grauer, nichtssagender Gang, eine letzte Sicherheitstür - und dann: Mmmhhh! Der Duft von frischem Gebäck flutet auch noch die letzte Zelle, also die der Riechschleimhaut.

Bäckermeister Daniel Gerlach (43) geht voraus in die Backstube. Öfen, glatte metallene Arbeitsoberflächen, hohe Rollwagen mit Einschüben, Mehlstaub.

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Nur die Gitter vor den Fenstern unterscheiden die Ausstattung der Anstaltsbäckerei von einem Betrieb in Dresden-Trachau oder irgendwo im Vogtland.

Zwei Mann zupfen Teigstücke aus einem Industriebehälter, wiegen sie ab, zwei weitere kneten sie zu Kugeln und nach dem Ruhen des Teigs zu länglichen Stollen. Seit sechs Stunden sind die zwölf Mann bereits auf den Beinen. Fast alle tragen Tattoos.

"Um zwei klingelt der Wecker", sagt ein 45-Jähriger, der bereits zum vierten Mal einsitzt. Trotzdem sind die Jobs in der Bäckerei beliebt. Immerhin verdienen die Gefangenen hier zwischen 12,91 und 16,43 Euro pro Tag, je nach Lohngruppe, weiß Anstaltssprecherin Anja Rücker (40).

Bäckermeister Daniel Gerlach (43, l.) und Betriebsleiter Henry Schäfer (52) sorgen dafür, dass in der Anstaltsbäckerei alles rund läuft.
Bäckermeister Daniel Gerlach (43, l.) und Betriebsleiter Henry Schäfer (52) sorgen dafür, dass in der Anstaltsbäckerei alles rund läuft.  © Holm Helis

Christstollen aus dem Knast verkaufen sich sehr gut

Übung macht den Meister: Bärentatzen mit dem Spritzbeutel aufs Blech zu bringen, will gelernt sein. Eine Ausbildung ist auch während der Haft möglich.
Übung macht den Meister: Bärentatzen mit dem Spritzbeutel aufs Blech zu bringen, will gelernt sein. Eine Ausbildung ist auch während der Haft möglich.  © Holm Helis

Und welcher Stollen schmeckt am besten? "Cranberry", antwortet ein 46-Jähriger, der wegen Diebstahls und Einbruchs hier ist, wie aus der Pistole. Wie die anderen hat auch er gelernt, mit den Leerstellen des eigenen Lebens offen umzugehen.

"Ich bin seit 30 Jahren drogenabhängig." Wenn er in vier Jahren rauskommt, will er clean sein und unbedingt Bäcker werden.

Henry Schäfer (52) ist mit Kneten fertig. Er ist der Betriebsleiter, alle Rezepte stammen von ihm. "Ich habe viel experimentiert", erzählt er.

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Neben den Klassikern hat er inzwischen auch Schwarzwälder Kirschstollen, Williams-Christstollen oder Schoko-Stollen im Angebot. Der überwiegende Teil der Produktion ist für den Eigenverbrauch in den Haftanstalten.

"Draußen", in Ministerien, Gerichten oder bei der Polizei, geht die Kiloware weg wie warme Semmeln. Bäckermeister Daniel Gerlach grinst. In diesem Jahr wird er wieder mehr Stollen backen (lassen) als im vergangenen, insgesamt wohl rund 7000 Stück.

• Wer Interesse hat: Die Stollen müssen bar bezahlt und vor der JVA Dresden abgeholt werden. Bestellungen: justiz.sachsen.de/jvadd

Bei 185 Grad kommen die Stollen in den Ofen.
Bei 185 Grad kommen die Stollen in den Ofen.  © Holm Helis

Backwaren für alle Insassen

Jedes Teigstück wird akribisch abgewogen. In der "Knastbäckerei" werden nur 1-Kilo-Stollen gebacken.
Jedes Teigstück wird akribisch abgewogen. In der "Knastbäckerei" werden nur 1-Kilo-Stollen gebacken.  © Holm Helis

Die JVA Dresden produziert täglich alle Backwaren für die 732 Insassen selbst.

Darüber hinaus werden auch die Gefängnisse in Bautzen, Waldheim, Görlitz und Zeithain beliefert. Perspektivisch soll ebenso die neue Haftanstalt in Zwickau mitversorgt werden.

Gefangene können während der Haft eine Ausbildung absolvieren. Im vergangenen Jahrgang waren es sechs Absolventen und damit mehr als im übrigen Stadtgebiet.

Erfolgreich waren sie auch: Alle Noten lagen im Schnitt zwischen 1 und 2.

Zwei der Absolventen (noch immer Knackis) arbeiten weiter im Team der Anstaltsbäckerei.

Titelfoto: Holm Helis

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