Holzbau in Sachsen boomt!

Dresden - Die Baubranche ächzt: Hohe Baustoff-, Energiepreise und Bauzinsen, Inflation, Lieferkettenprobleme und fehlende Fachkräfte verhagelt ihr die Geschäfte. Der Wohnungsbaugipfel diese Woche in Berlin stellte der schwächelnden Baubranche 45 Milliarden Euro in Aussicht. Sachsen hat noch einen weiteren Joker im Ärmel: Wohnhäuser aus Holz in ökologischer Bauweise, umwelt- und klimagerecht.

"Fertigteilhäuser aus Holz sind voll im Trend": Sören Glöckner (56), Geschäftsführer der Holzbau Kompetenz Sachsen GmbH.
"Fertigteilhäuser aus Holz sind voll im Trend": Sören Glöckner (56), Geschäftsführer der Holzbau Kompetenz Sachsen GmbH.  © Jürgen Männel/jmfoto

Und derzeit sogar billiger als Betonbauten! Sogar das zweithöchste Holzhaus der Welt soll nächstes Jahr in Sachsen in den Himmel wachsen.

"In den vergangenen sechs Jahren entstand bereits jedes fünfte neue Einfamilienhaus in Sachsen in Holzbauweise", sagt Sören Glöckner (56), Geschäftsführer der Holzbau Kompetenz Sachsen GmbH.

Sie bündelt seit zwei Jahren die Akteure des sächsischen Holzbaus, wird jährlich mit einer hohen sechsstelligen Summe vom Freistaat gefördert. "Spätestens in zwei Jahren sollen 15 bis 20 Prozent aller Neubauten in Sachsen aus Holz sein - Schulen, Verwaltungsgebäude, Studentenwohn- und Pflegeheime."

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Um dieses Ziel zu erreichen, wurde am 1. Juni 2022 die Sächsische Bauordnung angepasst. Glöckner: "Seitdem ist es im Freistaat möglich, dass sogenannte tragende und raumabschließende Bauteile auch bei Gebäuden bis zu einer Höhe von 22 Metern aus 'brennbaren Baustoffen' errichtet werden dürfen."

Also auch aus Holz.

Erste Holzbauten in Dresden und Leipzig

Erinnert wegen seiner Keilform an das Flatiron-Gebäude in Manhattan: Das Z8 - abgeleitet aus der Adresse "Zschochersche Straße 8" - sieht wie ein flaches Bügeleisen (flat iron) aus.
Erinnert wegen seiner Keilform an das Flatiron-Gebäude in Manhattan: Das Z8 - abgeleitet aus der Adresse "Zschochersche Straße 8" - sieht wie ein flaches Bügeleisen (flat iron) aus.  © PR/ Peter Eichler

Erste Beispiele der ökologischen Bauart in Sachsen sind die Oberschule Barnet-Licht-Platz in Leipzig-Thonberg als erste sächsische Schule in Holzbauweise, der Schulbau am Schilfweg in Dresden oder der Kirchneubau der Neuapostolischen Kirche in Taucha.

Das Wohn- und Geschäftshaus Zschochersche Straße 8 in Leipzig sieht sogar wie die kleine Schwester des legendären Bügeleisengebäudes aus - das Flatiron Building in New York City.

"Derzeit suchen wir einen lokalen Partner in Dresden, um das Pilotprojekt eines sechsgeschossigen Parkhauses aus Holz zu bauen. So etwas gibt es in ganz Deutschland noch nicht", weiß Glöckner.

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Der besondere Clou daran: Werden künftig weniger Stellplätze für den Individualverkehr benötigt, lässt sich das Parkhaus zu Wohnungen und Büros umfunktionieren.

Sachsen wagt Riesenprojekte aus Holz!

Misst fast 86 Meter: Das 18-stöckige Mjøstårnet steht seit 2019 im norwegischen Brumunddal am See Mjøsa.
Misst fast 86 Meter: Das 18-stöckige Mjøstårnet steht seit 2019 im norwegischen Brumunddal am See Mjøsa.  © imago/Metodi Popow

Die Sachsen wagen sich auch an Riesenprojekte aus Holz. "Die Leipziger Wohnungsbaugesellschaft 'Kontakt' baut nächstes Jahr das mit 57 Metern zweithöchste Holzhaus der Welt", sagt Glöckner. Bereits 2026 sollen erste Mieter einziehen. Investitionsvolumen: 50 Millionen Euro.

Nur das Holzhaus und Wood Hotel im norwegischen Brumunddal ist mit knapp 86 Metern und 18 Stockwerken noch höher.

Doch wird bei so viel Bauen mit Holz das Holz nicht knapp? Sören Glöckner hat mal nachgerechnet: "Würden wir nur 10 Prozent in Holz bauen, was wir derzeit in Beton errichten, bräuchten wir 13.000 Kubikmeter mehr Schnittholz." Zum Vergleich: Diese Menge wächst an einem Tag im sächsischen Wald nach.

Mit jeder 10-prozentigen Steigerung der Holzbauquote finden zudem zwei neue Großbetriebe mit mehr als 50 Mitarbeitern sowie 15 Mittelständler mit je acht bis 20 Beschäftigten langfristig Arbeit.

Der sächsische Öko-Bauboom ist also nicht auf Sand, sondern nachhaltig auf Holz gebaut.

Der erste soziale Holz-Wohnungsbau in Leipzig

Marcus Langheinrich (48).
Marcus Langheinrich (48).  © PR

Bislang haben sie schon vier Einfamilienhäuser in Leipzig und ein Passivhaus in Wurzen in Holzbauweise projektiert. Doch eignet sich Holzbau auch im kostengünstigen Segment des Sozialwohnungsbaus?

Das Leipziger Architekturbüro Langheinrich + Manke hat genau das getestet. "Wir haben dafür zwei separate Kostenberechnungen aufgestellt - einmal für herkömmliche Betonbauweise, einmal für Wand- und Deckenplatten aus Vollholz", erzählt Marcus Langheinrich (48) und wunderte sich. "Wegen der derzeit günstigeren Rohstoffpreise ist ein Holzhaus aktuell fünf Prozent billiger."

Weiter kostendrückend: Bei Holzbauten ist kein Innenputz und manchmal auch keine zusätzliche Dämmung notwendig. Außerdem verkürze sich die Bauzeit.

Langheinrich: "Bei Massivbauten kann innerhalb von fünf Wochen eine Etage hochgezogen werden, in Fertigteilbauweise mit Holz sind es maximal zwei Wochen." Damit wäre ein Sechsgeschosser 18 Wochen früher fertig als sein Beton-Pendant.

Sozial und aus Holz

Eine Klinkerfassade versteckt den hölzernen Kern: Das Gebäude mit insgesamt 5000 Quadratmetern Wohn- und Verkaufsfläche in der Leipziger Südvorstadt gibt sich von außen nicht als Holzhaus zu erkennen.
Eine Klinkerfassade versteckt den hölzernen Kern: Das Gebäude mit insgesamt 5000 Quadratmetern Wohn- und Verkaufsfläche in der Leipziger Südvorstadt gibt sich von außen nicht als Holzhaus zu erkennen.  © PR

Genau so ein Gebäude haben Langheinrich und Manke in Leipzig an der Ecke Bernhard-Göring-/Kästnerstraße geplant - der erste soziale Wohnungsbau in Leipzig in Holzmassivbauweise!

Derzeit laufen auf dem Areal einer ehemaligen DDR-Industriehalle die Tiefbauarbeiten. Im Erdgeschoss sollen ein Drogeriemarkt Rossmann und ein Getränkemarkt einziehen. "In den sechs Geschossen darüber sind 76 Sozialwohnungen mit ein bis vier Räumen in einer Größe zwischen 45 und 95 Quadratmetern geplant", sagt Danny Manke (49).

Nur die drei Treppenhäuser mit jeweils einem Fahrstuhl werden noch aus einem Betonkern gefertigt, um das Gebäude auszusteifen. Weiterer Vorteil für künftige Mieter: "Weil Holz 2,8 Mal besser Wärme speichern kann als Beton, bleibt die Raumtemperatur in den Wohnungen konstanter", sagt Langheinrich. Im Sommer heize sich der Bau nicht so stark auf, sodass man nachts besser schlafen könne. Auch Feuchtigkeit kann Holz gut aufnehmen und kontinuierlich wieder abgeben. Nur beim Schallschutz ist Beton dem Holz noch überlegen.

12 Millionen Euro lässt sich ein mutiger Immobilien-Investor aus Kirchheim unter Teck (Baden-Württemberg) das hölzerne Pionierprojekt kosten. 2025 können die ersten Mieter in ihren Wohnungen sprichwörtlich auf Holz klopfen.

Danny Manke (49).
Danny Manke (49).  © PR

Der Vorreiter aus Niesky

Holzbau-Pionier in Sachsen: Architekt Konrad Wachsmann (†79).
Holzbau-Pionier in Sachsen: Architekt Konrad Wachsmann (†79).  © picture-alliance/brandstaetterimages/Franz Hubmann

Die Wiege des modernen, industriellen Holzbaus stand in Sachsen. Vorreiter war der jüdische Architekt Konrad Wachsmann (†79).

Als Chefarchitekt ließ er die Holzbaufirma Christoph & Unmack AG aus Niesky (Oberlausitz) zum bedeutendsten Holzhausproduzenten in Europa aufsteigen.

Das Credo Wachsmanns war die universelle Verwendbarkeit einzelner Holzkomponenten durch leicht montierbare Verbindungsmittel und der industrielle Systembau.

Dabei entsteht ein Haus nicht mehr Stein auf Stein vor Ort, sondern in Vorfertigung in einer Werkhalle. Wachsmanns berühmtestes Projekt ist das Einsteinhaus in Caputh (bei Potsdam).

Auch Architekten wie Hans Scharon, Henry van de Velde, Hans Poelzig und Albin Müller waren maßgeblich an der Entwicklung moderner Holzhäuser in Fertigbauweise beteiligt.

Titelfoto: Bildmontage: PR/ Peter Eichler, PR

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