Jäger unzufrieden mit Sachsens Kampf gegen die Schweinepest

Dresden - Die Afrikanische Schweinepest (ASP) breitet sich in Sachsen aus. Bauern und Jäger kritisieren, dass die Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Tierseuche ergriffen werden, nicht ausreichen. Der zuständige sächsische Staatssekretär im Sozial-Ministerium spricht derweil von einem "Kampf gegen Windmühlen".

Kritisch prüft Stephan Boden (69), ob die Verbinder an den Wildzäunen richtig gespannt sind.
Kritisch prüft Stephan Boden (69), ob die Verbinder an den Wildzäunen richtig gespannt sind.  © Eric Münch

Das erste Wildschwein, das mit ASP infiziert war, wurde in Sachsen am 31. Oktober 2020 im Landkreis Görlitz geschossen. Seitdem gab es außerdem amtlich bestätigte Funde in den Landkreisen Bautzen und Meißen – insgesamt 784 Stück.

Das Kerngebiet zur Bekämpfung der hochansteckenden Seuche musste jüngst nach Kadaverfunden jenseits der Autobahn 13 erweitert werden. Es umfasst jetzt Flächen zwischen Radeburg, Ebersbach und Thiendorf. Wald und freie Flur dürfen dort nicht mehr für Freizeitaktivitäten betreten werden. Arbeiter errichten seit Wochen kilometerlange Wildabwehrzäune um das Gebiet. "Wir tun alles, um eine weitere Westausbreitung der ASP zu verhindern", erklärt Sebastian Vogel (41), Staatssekretär im Sozial-Ministerium und Leiter des ASP-Krisenstabs.

Er betrachtet die Erfolgschancen nüchtern: Der Seuchendruck aus Polen ist weiterhin groß. Die Viruslast insgesamt im Freistaat sehr hoch.

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Vogel: "Dies und die extreme Haltbarkeit des Virus führen zu einer hohen Wahrscheinlichkeit der Verschleppung der Seuche."

Staatssekretär Sebastian Vogel (41) leitet den ASP-Krisenstab. (Archivbild)
Staatssekretär Sebastian Vogel (41) leitet den ASP-Krisenstab. (Archivbild)  © Thomas Türpe

Jäger bieten freiwillige Unterstützung an

Die Leipziger Jäger Falk Röhner (49, l.) und Stephan Boden (69) schauten sich in der Kernzone bei Zschorna den Stand der Bauarbeiten an den Wildzäunen an.
Die Leipziger Jäger Falk Röhner (49, l.) und Stephan Boden (69) schauten sich in der Kernzone bei Zschorna den Stand der Bauarbeiten an den Wildzäunen an.  © Eric Münch

Die Sorge vor genau jener weiteren Ausbreitung treibt Falk Röhner (49) tierisch um. Der angestellte Jäger der Jagdgenossenschaft Leipzig besuchte bereits mehrfach die ASP-Hotspots, um sich selbst ein Lagebild zu machen. Er sagt: "Ich glaube fest daran, dass wir die Seuche eindämmen und ausrotten können. Wir Jäger können und wollen helfen, ASP zu stoppen."

Zäune bauen, Kadaver suchen mit Drohnen, totes Wild bergen – die Grünröcke bieten ihre freiwillige Unterstützung an. Bislang aber ohne Resonanz. Röhner fordert: "ASP muss Chefsache werden. Es wäre eine Schande, wenn Deutschland sich geschlagen gibt. Tschechien und Belgien haben es auch geschafft, die Seuche zu besiegen."

Staatssekretär Vogel hält eine zentrale Steuerung aller Anti-ASP-Maßnahmen für wenig sinnvoll. Er hofft, dass die EU 2022 ASP neu bewertet.

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Sebastian Vogel: "Wir haben in Sachsen bisher noch keinen Eintrag in einen Hausschweinbestand. Das muss das eigentliche Ziel der ASP-Bekämpfung sein. Bislang bekämpfen wir die Seuche in Sachsen als reine Wildtierseuche. Das ist allerdings ein Kampf gegen Windmühlen, zu dem uns die EU zwingt."

Die Afrikanische Schweinepest ist eine schwere Virusinfektion, an der ausschließlich Wild- und Hausschweine erkranken. In der Regel verläuft die Infektion tödlich. Für Menschen und andere Haustiere ist ASP ungefährlich.
Die Afrikanische Schweinepest ist eine schwere Virusinfektion, an der ausschließlich Wild- und Hausschweine erkranken. In der Regel verläuft die Infektion tödlich. Für Menschen und andere Haustiere ist ASP ungefährlich.  © Eric Münch

Auch die Bauern üben Kritik

Schweinehalter stehen vor großen Problemen. (Symbolbild)
Schweinehalter stehen vor großen Problemen. (Symbolbild)  © lightpoet/123RF

In den Schweinemastbetrieben geht die Angst um. Zur Sorge um die Gesundheit der Bestände kommt wirtschaftlicher Druck. China verhängte nach dem ersten ASP-Fall in der Bundesrepublik ein Importverbot für deutsches Schweinefleisch. Damit fiel der größte Abnehmer für dieses Fleisch weg. Die Folgen sind enormer Preisverfall und eine Überproduktion hierzulande.

Besondere Lasten tragen zudem die Betriebe in den hiesigen Restriktionszonen. "Sie dürfen ihre Schweine nur an ausgewählte Schlachthöfe mit sogenannter Benennung liefern", berichtet Frank Bennewitz (65), Geschäftsführer der Erzeugergemeinschaft Qualitätsfleisch Taubenheim.

Die Zahl dieser Schlachtbetriebe ist klein. Tiere aus den Landkreisen Meißen, Görlitz und Bautzen werden darum jetzt vor allem bis nach Kellinghusen (Schleswig-Holstein) und Belgern (Nordsachsen) verbracht. Dadurch entstehen hohe zusätzliche Transportkosten.

Fast noch schlimmer: Die Schlachtkapazitäten reichen nicht aus. Die Bauern bekommen ihr Vieh schwer los.

Nahe der Neiße bei Krauschwitz errichteten ehrenamtliche Mitglieder des Technischen Hilfswerkes Schutzzäune, um die Verbreitung der Schweinepest auszubremsen. (Archivbild)
Nahe der Neiße bei Krauschwitz errichteten ehrenamtliche Mitglieder des Technischen Hilfswerkes Schutzzäune, um die Verbreitung der Schweinepest auszubremsen. (Archivbild)  © dpa/Patrick Pleul

Landwirte brauchen Perspektiven

Frank Bennewitz bangt um die Zukunft der Schweineproduktion im Land. Seit Jahren schrumpfen die Bestände (2020 um minus zehn Prozent). Die jetzige ASP-Bekämpfung nennt er "gescheitert" und fordert ein Umdenken.

Bennewitz: "Die Halter sollten die Möglichkeit bekommen, ihre nachweislich gesunden Tiere frei vermarkten zu können. Die Landwirte brauchen Perspektiven – auch im Sinne des Tierwohls. So wie hier die Betriebe kaputtgehen, werden sie in anderen Ländern neu errichtet. Wahrscheinlich aber ohne hohe Umweltauflagen und Produktions-Standards."

Titelfoto: Eric Münch

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