Martin Dulig im TAG24-Interview: Wie steht's um Sachsens Energiesicherheit, Herr Minister?

Dresden - Bei allem menschlichen Leid hat der Krieg in der Ukraine auch gravierende Folgen für die Wirtschaft. Das spürt man derzeit am deutlichsten an der Tankstelle. Nun hat Russlands Staatspräsident und Kriegsherr Wladimir Putin (69) auch noch gedroht, Gaslieferungen nach Deutschland zu stoppen. Kann Sachsen diesen Energie-Stress aushalten? Wirtschaftsminister Martin Dulig (48, SPD) antwortet im TAG24-Interview.

Für Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (48, SPD) ist Wasserstoff eine Schlüsseltechnologie für alle Branchen in Sachsen.
Für Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (48, SPD) ist Wasserstoff eine Schlüsseltechnologie für alle Branchen in Sachsen.  © Petra Hornig

TAG24: Wie sicher ist in Zeiten des Ukraine-Kriegs die Versorgungssicherheit bei Gas und Öl für die sächsische Wirtschaft?

Martin Dulig: Der Bund hat uns versichert, dass es erst mal noch genügend Öl und Gas gibt. Da haben wir auch noch keine anderen Zeichen aus der sächsischen Wirtschaft erhalten. Unser Ziel ist aber, schnell weniger abhängig von Russland zu werden. Ich bin fest davon überzeugt, dass uns das gelingen wird.

Muss der Freistaat sich darauf vorbereiten, seinen Bürgern und Unternehmern unter die Arme zu greifen, sollte Russland den Gashahn zudrehen?

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Sachsen Dort besser nicht mehr baden! Blaualgen in Talsperre Bautzen

Zuständig für das Energierecht und den Wettbewerb ist der Bund, das können wir Länder nicht. Die jüngst beschlossene vorgezogene Abschaffung der EEG-Umlage und die Erhöhung der Pendlerpauschale sind bereits echte Hilfen, die die Menschen und Unternehmen entlasten werden. Auch der Heizkostenzuschuss wird helfen. Allein diese Maßnahmen zeigen, dass wir niemanden im Regen stehen lassen.

"Nur mit grünem Wasserstoff schaffen wir die Klimawende bis 2045"

Vor zwei Jahren hat Dulig eine Wasserstoff-Tour durch Sachsen gemacht (hier im Gespräch mit Nils Aldag und Carl Berninghausen von der Dresdner Firma Sunfire, v. r.).
Vor zwei Jahren hat Dulig eine Wasserstoff-Tour durch Sachsen gemacht (hier im Gespräch mit Nils Aldag und Carl Berninghausen von der Dresdner Firma Sunfire, v. r.).  © imago-images/Sylvio Dittrich

Sachsen hat erst kürzlich eine Wasserstoffstrategie beschlossen. Was steckt dahinter?

Auch in Sachsen sind wir mitten in der Energiewende, wollen weg von fossilen Energieträgern. Nur mit grünem Wasserstoff schaffen wir die Klimawende bis 2045. Doch Wasserstoff ist nicht nur ein Energieträger, sondern eine Schlüsseltechnologie, eine Überlebensstrategie für alle sächsischen Branchen - Wasserstoff bietet uns neben der Mikroelektronik und Elektromobilität eine weitere große Chance auf einen "Vorsprung Ost".

Die Wasserstoff-Industrie soll eine große Rolle beim Strukturwandel spielen. Kann ein sächsischer Kohlearbeiter darauf hoffen, künftig dort seine Brötchen zu verdienen?

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Ja, durchaus. Unser sächsisches Wasserstoff-Innovationscluster "HZwo - Antrieb für Sachsen" hat untersucht, welche Perspektiven Wasserstoff in Sachsen schafft. Das Ergebnis ist eindeutig: Die Wasserstoffwirtschaft kann in Sachsen im Jahr 2030 bis zu 4 800 Arbeitsplätze umfassen und rund 1,7 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaften. Die LEAG hat jüngst angekündigt, massiv in die Wasserstoffproduktion zu investieren.

"Die Kosten von Wasserstoff werden höher sein als die von Erdgas"

Prototyp für ein Moped, das mit einem Wasserstoffantrieb läuft: Dulig hat es bereits getestet.
Prototyp für ein Moped, das mit einem Wasserstoffantrieb läuft: Dulig hat es bereits getestet.  © SMWA/Ronald Bonss

Wie sieht es aus beim Thema Wärme? Wann werden wir in Sachsen mit Wasserstoff heizen?

Nicht in den kommenden fünf bis zehn Jahren. Aber langfristig denke ich schon, dass ein Teil der heutigen Erdgasheizungen auf Wasserstoff umgestellt wird. Die Heizungsanlagenhersteller bereiten dies bereits vor. Allerdings werden die Kosten von Wasserstoff höher sein als die von Erdgas.

Chemnitz hat im Wettbewerb um ein Nationales Wasserstoffzentrum punkten können. Trotzdem hat Bayern bei der Förderung das größte Stück abbekommen. Hat die Staatsregierung politisch die falschen Fäden gezogen?

Carsten Schneider, Ostbeauftragter der Bundesregierung, hat gerade angekündigt, die Entscheidung noch einmal kritisch zu überprüfen. Wir unterstützen ihn gern dabei. Denn Chemnitz hatte nicht nur die volle Unterstützung der Staatsregierung, sondern auch die beste Bewerbung und das überzeugendste Konzept. Da waren sich alle Experten einig.

"Sachsen ist aktuell bei seiner Energieversorgung bei Öl und Gas abhängig von Russland"

Seit einigen Tagen liegt der Literpreis für fast alle Kraftstoffe über 2 Euro - und das Ende der Fahnenstange ist wohl noch nicht erreicht.
Seit einigen Tagen liegt der Literpreis für fast alle Kraftstoffe über 2 Euro - und das Ende der Fahnenstange ist wohl noch nicht erreicht.  © dpa/Kay Nietfeld

Sachsens Wasserstoff-Guru Professor Unwerth sagt, Deutschland und Sachsen werden nicht herumkommen, nicht-grünen Strom aus Russland einzukaufen. Ist das in der aktuellen Situation noch eine Option?

Tatsächlich ist Deutschland und damit auch Sachsen aktuell bei seiner Energieversorgung bei Öl und Gas abhängig von Russland. Welche Auswirkungen der Krieg von Putin haben wird, weiß ich nicht. Wahrscheinlich wird er den Ausstieg aus fossilen Technologien nun sogar beschleunigen.

Titelfoto: Montage: dpa/Kay Nietfeld; Petra Hornig

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