Vor 175 Jahren: So dramatisch wütete die Sächsische Sintflut

Sachsen - Zunächst hörte man an diesen späten Märztagen im Jahr 1845 ein leises Knirschen. Es war das meterdicke Eis auf der Elbe, das bei Schmilka zu brechen begann. Es ging in ein Rumpeln über, dann schoben sich die Schollen mit Getöse übereinander.

Blick von der Neustädter Seite: Ohne Flut war die Elbe eine Lebensader.
Blick von der Neustädter Seite: Ohne Flut war die Elbe eine Lebensader.  © wikipedia

Die königliche Artillerie hatte entlang des Stromes eine Kette von Signalkanonen aufgestellt. 

Die Schüsse donnerten nun das Elbtal hinab und kündeten die unheilvolle Welle an, die sich schon bald über Schandau, Pirna, Dresden und Meißen ergießen sollte. 

Vor 175 Jahren fand die "Sächsische Sintflut" statt - das Jahrtausendhochwasser.

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Im Februar hatte man sich gefragt, ob der Winter in diesem Jahr überhaupt noch kommt. Doch dann brach er derart arktisch in das Sachsenland ein, wie man ihn nur fürchtete. 

Selbst tagsüber verkroch sich die Quecksilbersäule in den zweistelligen Minusgradbereich. Und ein unbarmherzig scharfer Wind schaffte Tonnen von Schnee heran. Besonders im Gebirge stapelte sich die weiße Pracht.

In Dresden soll der Eispanzer bis zu anderthalb Meter dick gewesen sein. Man konnte getrost mit Pferdefuhrwerken den Fluss überqueren. 

Am Sonntag, den 23. März, stieg jedoch das Thermometer und das Schneegestöber ging in einen warmen und ergiebigen Regen über.

Dresden war 1845 weiträumig überschwemmt. Dennoch waren keine Todesopfer zu beklagen.  
Dresden war 1845 weiträumig überschwemmt. Dennoch waren keine Todesopfer zu beklagen.    © wikipedia

Das Hochwasser in Dresden stieg am 29. März immer weiter an

Der beim Volk beliebte König Friedrich August II. hatte die Sintflut mit seiner Verwaltung recht gut im Griff.  
Der beim Volk beliebte König Friedrich August II. hatte die Sintflut mit seiner Verwaltung recht gut im Griff.    © wikipedia

Die Niederschläge setzten sich fort, es taute. Kleine Bäche lösten ihre Eisrinde, größere erhoben sich. 

Und man ahnte in Dresden, was bald kommen sollte. Zunächst die Schneeschmelze aus dem Erzgebirge, die sich über die Weißeritz ergießt. 

Später strömen die Wassermassen aus Riesen-, Fichten- und Isergebirge sowie dem Böhmerwald.

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Am 29. März, vor 175 Jahren, schwoll die Elbe an der Augustusbrücke auf vier Meter an. Noch war es ein Schauspiel, die Eisschollen an den Steinpfeilern zerschellen zu sehen. 

Die Gesichter allerdings wurden ängstlicher. Man eilte heim, um Hab und Gut in die oberen Stockwerke zu retten.

Denn das Wasser stieg immer weiter und kroch bereits über die Deiche. Inzwischen war es zur reißenden Hochflut angeschwollen, führte dicke Baumstämme, Balken, Bettgestelle oder gar Ställe und Dächer mit sich. 

Man wollte sich keine Vorstellungen machen, was die Elbe im Oberlauf bereits angerichtet hat.

Schloss Pillnitz nach der Flut 2002: Hier stieg das Wasser etwas höher als die 9,40 Meter von 1845.  
Schloss Pillnitz nach der Flut 2002: Hier stieg das Wasser etwas höher als die 9,40 Meter von 1845.    © picture-alliance/ZB

Die Elbe setzte viele Häuser bis ins zweite Stockwerk unter Wasser

Die Augustusbrücke wurde zur Staumauer. Am 31. März gegen halb zehn brach der Mittelpfeiler und das Kruzifix stürzte in die Fluten.  
Die Augustusbrücke wurde zur Staumauer. Am 31. März gegen halb zehn brach der Mittelpfeiler und das Kruzifix stürzte in die Fluten.    © picture alliance/akg-images

Oben in Schandau hatte sich der Fluss von 100 auf 250 Meter verbreitert. 

In der Kirche wogte die Flut bis an die obere Kante der Kanzelbrüstung, viele Häuser waren bis zum zweiten Stockwerk überschwemmt - in Königstein ebenfalls. 

In Pirna setzte die Elbe drei Viertel der Häuser unter Wasser.

Dresdens Hofkirche wurde umspült, der Zwingergarten war bald schon ein See. Die Häuser der Friedrichstadt bildeten eine Insellandschaft. 

Die Not wurde schlimmer, denn es gab kein Trinkwasser mehr. Brot und Bier auch nicht, weil die Backöfen und Schänken oft im Keller lagen.

Nun musste man auch um die Augustusbrücke bangen. Der Elb-Wassermesser, der den bisherigen Höchststand anzeigte, war längst nicht mehr zu sehen. Der Pegel erreichte am 31. März 9,44 Meter. 

Unbarmherzig peitschte die Flut Treibgut gegen die Pfeiler, bis der mittlere brach. Zum Glück hielt die Brücke stand.

Die Flut im Jahr 2002 hinterließ ebenfalls eine Schneise der Verwüstung - doch da war Dresden viel dichter besiedelt.  
Die Flut im Jahr 2002 hinterließ ebenfalls eine Schneise der Verwüstung - doch da war Dresden viel dichter besiedelt.    © imago images/stock&people

Vergleich der Fluten von 1845 und 2002

Wie bereits 1845, wurde auch der Zwinger vom Hochwasser umgeben. Doch 2002 war man darauf völlig unvorbereitet.  
Wie bereits 1845, wurde auch der Zwinger vom Hochwasser umgeben. Doch 2002 war man darauf völlig unvorbereitet.    © imago images/Star-Media

Auch die Weindörfer und Meißen wurden überflutet. Zwischen Riesa und Strehla schwoll der Fluss auf zwei Kilometer Breite an, weil Deiche gebrochen waren. 

Es kam zu großflächigen Überschwemmungen, die sich gar bis ins preußische Mühlberg ergossen.

In den ersten Apriltagen zog sich die Elbe in ihr angestammtes Bett zurück. Die Verheerungen wurden sichtbar. 

Hunderte Häuser waren verloren, über Gärten, Wiesen und Felder verteilten sich Unmengen von Unrat und Geröll. 

Allerdings, das behaupten die Chronisten, sei kein Menschenleben zu beklagen gewesen.

Vergleich mit dem Hochwasser 2002

Der Pegel der Jahrhundertflut von 2002 wird mit 9,40 Metern angegeben.

Dass es 1845 an der Augustusbrücke etwas mehr war, liegt an dem Eis und Treibgut, was sich hier staute. Denn hinter der Brücke war der Pegel 85 Zentimeter geringer.

Als gesichert gilt, dass 1845 mehr Wasser floss als 2002. Allerdings gab es vor 175 Jahren erheblich größere Rückhalteflächen. Standen 1845 noch 3093 Hektar (10,5 Prozent besiedelt) des heutigen Dresdner Stadtgebietes unter Wasser, waren es 2002 "nur" 2481 (Siedlungsanteil aber 50,1 Prozent).

Eine Doktorarbeit von 2007 verglich das Katastrophenmanagement der beiden Fluten. Die königliche Verwaltung kam dabei erheblich besser weg - man hatte aus vorherigen Ereignissen bereits Schlüsse gezogen. Der sächsische Krisenstab 2002 hingegen war völlig überrascht und unvorbereitet.

Titelfoto: wikipedia

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