Schwimmhallen-Schwund und mehr Badetote: Immer weniger Sachsen können noch schwimmen

Dresden - Der Sommer ist da! Auch in den nächsten Tagen soll es heiß werden. Dann treibt es viele Sachsen wieder an Badeseen und in Freibäder. Doch die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) warnt: Immer mehr Sachsen können nicht richtig schwimmen. Dazu haben nicht nur drei Pandemie-Jahre beigetragen, sondern auch der Fachkräftemangel und vor allem fehlende Schwimmhallen. Wir sprachen mit Sebastian Knabe (31), dem Geschäftsführer der DLRG Sachsen.

Sebastian Knabe (31), Geschäftsführer des Landesverbands der DLRG, schwant Böses ob der aktuellen Schwimmbad-Situation in Sachsen.
Sebastian Knabe (31), Geschäftsführer des Landesverbands der DLRG, schwant Böses ob der aktuellen Schwimmbad-Situation in Sachsen.  © Thomas Türpe

TAG24: Herr Knabe, wie steht es um unsere Schwimmfähigkeiten?

Sebastian Knabe: Forsa-Umfragen haben ergeben, dass die Schwimmfähigkeit bei Kindern immer schlechter wird. Etwa 60 Prozent der Zehnjährigen sind keine sicheren Schwimmer. Diese Entwicklung ist mit viel Sorge zu betrachten.

TAG24: Wo sehen Sie die Hauptursache?

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Knabe: Die Schwimmhalle ist das grundlegende Instrumentarium, um einem Kind das Schwimmen beizubringen. Und die paar Schwimmhallen, die wir dafür in Sachsen haben, reichen bei Weitem nicht aus. Wir haben viel zu wenige Schwimmhallen im Gegensatz zu der hohen Zahl an Nutzergruppen.

TAG24: Aber im Sommer könnte man doch gut im Freien trainieren.

Knabe: In Freibädern mag das vielleicht noch gehen. Aber in einen See kann ich ein Kind, das noch nicht schwimmen kann, nicht geben. Da habe ich als Trainer ein absolutes Problem mit der Verkehrssicherungspflicht.

Für uns sind die Schwimmhallen deshalb essenziell, damit der Nachwuchs entsprechend und vor allem sicher im Schwimmen ausgebildet werden kann.

In Sachsen fehlen die Schwimmhallen

Bevor Rettungsschwimmer in Aktion treten können, müssen sie in Schwimmbädern ausgebildet werden. Doch das wird immer schwieriger.
Bevor Rettungsschwimmer in Aktion treten können, müssen sie in Schwimmbädern ausgebildet werden. Doch das wird immer schwieriger.  © Patrick Pleul/dpa

TAG24: Die DLRG gibt an, dass 25 Prozent der Grundschulen keinen Zugang mehr zu einem Bad haben. Wer ist da in der Pflicht?

Knabe: Rein theoretisch ist das Schulschwimmen eine Pflichtaufgabe von Kreis und Gemeinden. Diese haben die Pflicht, aufgrund der Umsetzung des Lehrplanes einen geeigneten, niederschwelligen und sozialunabhängigen Zugang zu einer Schwimmhalle zu ermöglichen. Denn noch ist Schwimmen ein Pflichtbestandteil des Sportunterrichtes in der Primarstufe, der aktuell und zu einem nicht unbeträchtlichen Teil so nicht pflichtgemäß umgesetzt wird!

TAG24: Immer weniger Sachsen können gut schwimmen. Heißt also im Umkehrschluss, wir bräuchten mehr Rettungsschwimmer, oder?

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Knabe: Richtig! Aber da haben wir dasselbe Problem. Wenn wir denn mal Leute gewinnen und das in einem größeren Maße, wo sollen wir sie ausbilden? Ich komme um eine adäquate Schwimmhalle als Instrumentarium nicht drumherum. Dort bilden wir nicht nur die Schwimmer von morgen, sondern auch die Rettungsschwimmer über die Wintersaison aus, die dann im Sommer die entsprechende Absicherung übernehmen. Keine Schwimmhallen, keine Kapazitäten, keine neuen Rettungsschwimmer.

Und wenn weiter die Schwimmhallen schließen, werden wir in eine noch prekärere Situation kommen.

Immer mehr Kinder im Grundschulalter können nicht richtig schwimmen, weil die Kapazitäten in den Schwimmbädern zu klein und die Wartelisten lang sind.
Immer mehr Kinder im Grundschulalter können nicht richtig schwimmen, weil die Kapazitäten in den Schwimmbädern zu klein und die Wartelisten lang sind.  © IMAGO/Cavan Images

Gibt es schon bald mehr Badetote zu beklagen?

An einem Kiessee in Dresden wurde aus Badespaß tödlicher Ernst. Wenn die Sachsen immer schlechter schwimmen, könnte es künftig noch mehr Badetote geben.
An einem Kiessee in Dresden wurde aus Badespaß tödlicher Ernst. Wenn die Sachsen immer schlechter schwimmen, könnte es künftig noch mehr Badetote geben.  © Daniel Förster

TAG24: Mehr Nichtschwimmer bei gleichbleibender oder gar sinkender Zahl an Rettungsschwimmern, ergibt künftig mehr Badetote?

Gemeinde- oder Stadträte müssen sich auf jeden Fall die Frage gefallen lassen: "Bin ich daran schuld, dass eine Person ertrunken ist, weil ich die Schließung einer Schwimmhalle mitbeschlossen habe und die Person aufgrund dessen nicht schwimmen lernen konnte?"

Die Anzahl der in Zukunft liegenden Badeunfälle mit Todesfolge hängen aber tatsächlich von vielen verschiedenen Faktoren ab: Anzahl der Nichtschimmer in Sachsen, Gefahren- und Risikoquellen der Gewässer und Stätten, Wetter und Temperaturen, Anzahl der Kräfte vor Ort.

Wir gehen mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen aber davon aus, dass die Ertrinkungsstatistik steigen wird.

Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft ist besorgt

Die Instandhaltung von Sportstätten ist Ländersache. Doch es herrscht Sanierungsstau bei vielen Bädern.
Die Instandhaltung von Sportstätten ist Ländersache. Doch es herrscht Sanierungsstau bei vielen Bädern.  © imago images/Chromorange

Laut der DLRG ist die Zahl der für die Schwimmausbildung geeigneten Bäder in den vergangenen 20 Jahren um 1600 zurückgegangen.

Im Durchschnitt verschwanden damit jährlich 80 Schwimmbäder pro Jahr. Auch in Sachsen sei nur ein Bruchteil der vorhandenen 415 Bäder (Quelle: Bäderleben) für die Schwimmausbildung geeignet, konstatiert Sebastian Knabe.

Gerade im ländlichen Raum seien Bäder für Grundschulen oft schlicht zu weit weg und damit nicht zu erreichen.

Zu wenige Schwimmhallen in Sachsen

Eine ordentliche Schwimmausbildung kann nur in Schwimmhallen erfolgen. Davon gibt es aber viel zu wenige - auch in Sachsen.
Eine ordentliche Schwimmausbildung kann nur in Schwimmhallen erfolgen. Davon gibt es aber viel zu wenige - auch in Sachsen.  © imago images/Chromorange

Um eine flächendeckende Schwimmausbildung für jede Grundschule in Zukunft gewährleisten zu können, brauche es zum einen neue Schwimmbäder, zum anderen etwa 14 Milliarden Euro bundesweit für die Sanierung der bestehenden Bäder.

"Ein Sanierungsstau bei über 50 Prozent der deutschen Bäder ist nicht länger hinnehmbar", sagt auch die Bäderallianz, ein Zusammenschluss verschiedener Verbände, unter anderem der DLRG, der DRK-Wasserwacht und dem Deutschen Schwimm-Verband.

Das sind die wichtigsten Regeln beim Baden

An nicht überwachten Badestellen können oft nur noch Taucher die Verunglückten bergen. Die Verkehrssicherungspflicht von gefährlichen Gewässern ist meist Aufgabe von Kommunen und Städten.
An nicht überwachten Badestellen können oft nur noch Taucher die Verunglückten bergen. Die Verkehrssicherungspflicht von gefährlichen Gewässern ist meist Aufgabe von Kommunen und Städten.  © IMAGO/Reichwein

18 Menschen (bundesweit: 355) kamen im vergangenen Jahr in Sachsen bei Badeunfällen ums Leben, 17 davon in meist unbewachten Binnengewässern.

Häufig sind die Opfer männlich und älter als 55. "Männer sind einfach leichtsinniger als Frauen und überschätzen oft ihre Kräfte", erklärt Sebastian Knabe.

Deshalb sei die oberste Baderegel: "Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme beim Baden!"

Außerdem sollte man diese Verhaltensregeln immer beherzigen.

• Wer sich krank oder unwohl fühlt, sollte keinesfalls baden gehen. Es drohen Kreislaufkollaps und Ohnmacht.

• Keine leichtsinnige Selbstüberschätzung oder Gefahrenunterschätzung!

• Niemals in Flüssen baden! Je mehr Fläche man dem Fluss bietet, desto höher ist die Gefahr, mitgerissen zu werden.

• Man sollte nie um Hilfe rufen, wenn man keine benötigt! In der Regel ist ein Ertrinkungstod aber ein stiller Tod. Deshalb sollte man immer die Umgebung gut beobachten.

• Nie auf Schwimmhilfen verlassen! Mit steigenden Temperaturen lassen diese Luft und Kinder können zum Beispiel aus Schwimmflügeln rausrutschen. Besser sind Schwimmgürtel. Generell sollte man aber Kinder nie aus den Augen lassen.

• Beim Aufkommen von Gewitter oder Sturm sollte das Wasser und auch die Badestelle sofort verlassen werden. Lebensgefahr!

• Eigentlich selbstverständlich: Das Gewässer und auch Gelände sollten sauber gehalten und Müll ordentlich entsorgt werden.

Titelfoto: Montage: Thomas Türpe, IMAGO/Reichwein

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