So drücken sich sächsische Betriebe um die Behindertenquote

Dresden - Alle größeren sächsischen Firmen müssten eigentlich Behinderte einstellen, doch die meisten erfüllen nicht ihre Pflicht-Quote. Es gibt zwar viele Förder-Angebote, doch die beseitigen nicht alle Hürden.

Der Dresdner Julian Lukomski (18) kämpft um einen Ausbildungsplatz im sozialen Bereich.
Der Dresdner Julian Lukomski (18) kämpft um einen Ausbildungsplatz im sozialen Bereich.  © Amac Garbe

Wenn ein Betrieb mindestens zwanzig Beschäftigte hat, muss er fünf Prozent der Arbeitsplätze mit Schwerbehinderten besetzen.

Doch 61 Prozent der sächsischen Firmen erfüllen die Quote nicht, wie die aktuellsten Zahlen der Arbeitsagentur zeigen. Sie zahlen stattdessen einen Ausgleich, der in die Förderung von Behinderten fließt.

Wie schwer die Suche sein kann, muss Julian Lukomski aus Dresden erfahren. Der 18-Jährige weiß im Gegensatz zu vielen Altersgenossen, welchen Beruf er ergreifen will:

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"Mein Traum war es schon immer, als Kinderkrankenpfleger zu arbeiten. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich als Kind selbst lange Pflege gebraucht habe."

Als er drei Jahre alt war, kam die Schock-Diagnose: Neuroblastom, eine Krebserkrankung des Nervensystems. Er musste mehrere Chemo-Therapien machen, der Krebs kam zweimal zurück.

Julian Lukomski macht ein Freiwilliges Soziales Jahr in einem Kindergarten

Den größten Teil seiner Kindheit hat Julian Lukomski (18) im Krankenhaus verbracht. An den Folgen leidet er noch heute.
Den größten Teil seiner Kindheit hat Julian Lukomski (18) im Krankenhaus verbracht. An den Folgen leidet er noch heute.  © privat

Jetzt hat Julian Lukomski Schäden an Leber, Niere und Lunge.

"Ich hab deutlich weniger Ausdauer als der Durchschnitt", sagt er. "Ich schaffe keine acht Stunden Arbeit am Tag."

Zurzeit macht er ein Freiwilliges Soziales Jahr in einem Dresdner Kindergarten, 30 Stunden pro Woche. Doch eine Lehrstelle mit reduzierter Stundenzahl konnte er bisher nicht finden.

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Wer in einen sozialen Beruf will, muss laut Kultusministerium in der Regel eine schulische Ausbildung absolvieren – in Vollzeit. Bei dualen Ausbildungen könne die Stundenzahl mit dem Arbeitgeber abgesprochen werden. Doch auch dann wäre die Berufsschule in Vollzeit.

Autistin Sophie-Marie Strauch arbeitet als Köchin!

Die Autistin Sophie-Marie Strauch (22) hat es geschafft: Sie arbeitet als Köchin in der "Sportgaststätte Leukersdorf" im Erzgebirge.
Die Autistin Sophie-Marie Strauch (22) hat es geschafft: Sie arbeitet als Köchin in der "Sportgaststätte Leukersdorf" im Erzgebirge.  © Ralph Kunz

Wer in einen sozialen Beruf will, muss laut Kultusministerium in der Regel eine schulische Ausbildung absolvieren – in Vollzeit. Bei dualen Ausbildungen könne die Stundenzahl mit dem Arbeitgeber abgesprochen werden. Doch auch dann wäre die Berufsschule in Vollzeit.

Gastronomin Claudia Lappöhn (42) müsste in ihrer "Sportgaststätte Leukersdorf" in Jahnsdorf (Erzgebirge) eigentlich keine Behinderten einstellen, weil sie nur 13 Mitarbeiter hat. Aber vor vier Jahren bewarb sich die junge Autistin Sophie-Marie Strauch (22) bei ihr.

"Sie wollte unbedingt Köchin werden, also gab ich ihr die Lehrstelle."

Das größte Problem waren die Abschlussprüfungen. "Die Textaufgaben waren so kompliziert formuliert", sagt Sophie-Marie Strauch. "Ich habe nicht verstanden, was die meinen."

Die Jahnsdorfer Gastronomin Claudia Lappöhn (42, l.) ist stolz auf ihre Köchin Sophie-Marie Strauch, die trotz Behinderung ihre Lehre gestemmt hat.
Die Jahnsdorfer Gastronomin Claudia Lappöhn (42, l.) ist stolz auf ihre Köchin Sophie-Marie Strauch, die trotz Behinderung ihre Lehre gestemmt hat.  © Ralph Kunz

Nur dank der mündlichen Prüfung konnte sie die Ausbildung abschließen. So hat sie sich den beruflichen Traum erfüllt – trotz der Hürden, die es immer noch gibt.

Titelfoto: Bildmontage: Amac Garbe & Ralph Kunz

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