TAG24 vergibt Politiker-Noten zur Regierungshalbzeit in Sachsen: Sogar eine 6+ ist dabei!

Dresden - Breitbandausbau, Bewältigung der Corona-Krise, Landarztquote: Die sächsische Staatsregierung stellte sich nach zweieinhalb Jahren Ampel-Koalition - Überraschung! - selbst ein positives Zwischenzeugnis aus. 65 Prozent des Koalitionsvertrags von CDU, Grüne und SPD seien bereits umgesetzt oder - Achtung, jetzt kommt's: "in Arbeit". Das lässt einigen Interpretationsspielraum. Und wie haben sich die einzelnen Minister geschlagen? Die TAG24-Einzelkritik.

Das sächsische Kabinett ist mit sich selbst zufrieden. Doch haben wirklich alle Minister und Ministerinnen ein Lob verdient?
Das sächsische Kabinett ist mit sich selbst zufrieden. Doch haben wirklich alle Minister und Ministerinnen ein Lob verdient?  © Holm Helis

Michael Kretschmer (47, CDU) - Ministerpräsident: 3-

Macht keine wirklich schlechte Figur. Diskutiert immer hart an der Sache, bringt gute Ansätze, die aber zu oft im Ansatz stecken bleiben. Bekennt gerne Farbe, die aber passt selten zu seinen roten und grünen Ministern. Auch wenn er gute Argumente hat, erschüttert er damit sein wackliges Kabinett noch mehr. Wirkt zunehmend ausgepowert.

Wolfram Günther (48, Grüne) - Landwirtschaft, Umwelt, Klima: 2

Chlorgas-Austritt in sächsischer Schule! Lehrer und Schüler verletzt
Sachsen Chlorgas-Austritt in sächsischer Schule! Lehrer und Schüler verletzt

Will Sachsen zum Sonnenstaat machen, dabei sogar Solar-Anlagen auf den Feldern verpflanzen. Der Windkraft hingegen geht die Puste aus, was aber eher am Koalitionspartner CDU als am grünen Minister liegt. Denn Günther würde schon, wenn er nur könnte. Visionen und Argumente hat er genug, nur bei den Kompromissen hapert es.

Martin Dulig (48, SPD) - Wirtschaft, Verkehr: 3+

Hat den Blick weit in die Zukunft gerichtet, übersieht dabei manchen Stein auf dem Weg. Während das sächsische Handwerk keinen Nachwuchs bekommt, setzt Dulig auf Wasserstoff und Mikrochips. Die schaffen aber tatsächlich neue Arbeitsplätze im "Silicon Saxony". Große Verkehrsprojekte kommen so selten wie Busse auf dem Dorf.

Armin Schuster (61, CDU) - Inneres: -

Unser Neuzugang, noch keine Benotung möglich. Kam mit vielen Ideen im Gepäck aus Baden-Württemberg nach Sachsen. Will mehr Polizei, mehr Verfassungsschutz, mehr Hubschrauber, weniger Nazis. Erste Einschätzung: Solange er nicht in die Fußstapfen seines Vorgängers tritt, ist er auf einem guten Weg.

Die besten Sachsen-Politiker verdienen sich immerhin eine 2

Machte seine Arbeit sehr ordentlich: Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (43, CDU) hat sich eine 2 verdient.
Machte seine Arbeit sehr ordentlich: Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (43, CDU) hat sich eine 2 verdient.  © Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

Hartmut Vorjohann (58, CDU) - Finanzen: 3

Das Beste, was man über einen Finanzminister sagen kann, ist, dass er das Geld zusammenhält - und genau das tut er. Insofern macht er einen guten Job. Allerdings verhindert er mit seiner Null-Schulden-Haltung wichtige Weichenstellungen für die Zukunft und wirkt so vielfach als Bremser statt als Ermöglicher.

Katja Meier (42, Grüne) - Justiz, Demokratie, Europa: 4+

Schlimme Ernteausfälle! Winzer beklagen Millionenschaden
Sachsen Schlimme Ernteausfälle! Winzer beklagen Millionenschaden

Lieferte sich filmreifes Duell mit dem rechten Richter Jens Maier (60, AfD). Nach dem Showdown wusste jedoch keiner so recht, ob nun Meier oder Maier gewonnen hat. Die Ministerin hielt den Rechtsextremen zwar vom Richterstuhl fern, musste aber lange nach den rechtlichen Mitteln suchen. In Sachen Gleichstellung, Demokratie und Europa hat sie jedoch einiges bewegt (Transparenzgesetz).

Christian Piwarz (46, CDU) - Kultus: 2-

Arbeitet effizient, bei den Schulassistenzen etwa oder beim Wegfall des Schulgeldes für Erzieherinnen. Seine Entscheidungen in der Pandemie waren nicht immer populär, aber immer nachvollziehbar. In einem Punkt hat ihn seine Effizienz bisher verlassen: Genug Lehrer gibt es nach Ansicht vieler, nicht aller, in Sachsen noch immer nicht.

Sebastian Gemkow (43, CDU) - Wissenschaft: 2

Machte (privat) zuletzt als Ukraine-Helfer von sich reden, ist aber auch sonst konsensfähig. Beispiele? Beim Umbau der Berufsakademie zur Dualen Hochschule etwa oder beim Hochschulentwicklungsplan. In der Corona-Krise behielt er die Unis im Blick, auch wenn er angesichts der Klagen über das "Fernstudium" leicht ratlos wirkte.

Petra Köpping stand mit der Corona-Pandemie vor einer Mammut-Aufgabe

Petra Köpping (63, SPD) hatte gerade während der Corona-Pandemie keinen leichten Job.
Petra Köpping (63, SPD) hatte gerade während der Corona-Pandemie keinen leichten Job.  © Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa

Barbara Klepsch (56, CDU) - Kultur, Tourismus: 3

Macht richtig viel, doch wenige kriegen es mit. Hat jüngst ein 35-Millionen-Euro-Paket geschnürt, um Sachsens Kultur und Tourismus aus dem Corona-Tief zu holen. Tanzt auf vielen Hochzeiten, bewegt aber nicht immer etwas. Sachsen touristisch jenseits der Hochkultur im kollektiven Bewusstsein zu verankern, ist ihr (noch) nicht gelungen.

Petra Köpping (63, SPD) - Soziales, Gesellschaftlicher Zusammenhalt: 3

Führte Sachsen durch die Pandemie. Dabei schlug sie zuweilen einen Zickzack-Kurs ein, den viele Bürger nicht mitgehen wollten. Die Ministerin für "Gesellschaftlichen Zusammenhalt" konnte genau den nicht erreichen. Allerdings wurde sie mit ihrer Mammut-Aufgabe auch scheinbar allein gelassen - der Ministerpräsident war selten an ihrer Seite zu sehen.

Thomas Schmidt (61, CDU) - Regionalentwicklung: 5

Die große Bühne, die der Strukturwandel in der Lausitz und im Mitteldeutschen Revier um Leipzig auch für sein Ministerium eröffnet, lässt er bisher weitgehend unbespielt. Stattdessen ergeht er sich in sinnlosen Kämpfen um die 1000-Meter-Regel bei Windkraftanlagen, die am ehesten noch die Wählerklientel seiner Partei jubeln lässt.

Roland Wöller kassiert die 6!

Setzen: 6. Der inzwischen entlassene Innenminister Roland Wöller (51, CDU) machte wahrlich keine gute Figur in seinem Amt.
Setzen: 6. Der inzwischen entlassene Innenminister Roland Wöller (51, CDU) machte wahrlich keine gute Figur in seinem Amt.  © Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa

Oliver Schenk (53, CDU) - Bund, Medien: 2

Will gegen Fake News und Internet-Hetzer kämpfen. Den Kampf führt er leider oft im Stillen. Doch er konnte einen Sieg erringen: Sachsen forderte als erstes Bundesland, entschiedener gegen strafbare Inhalte bei Plattformen wie Telegram vorzugehen. Der Bundesrat hat sich dem sächsischen Vorstoß kürzlich angeschlossen.

Thomas Popp (60, parteilos) - Verwaltung, Digitales: 2

Der Unsichtbare in der Staatsregierung, der öffentlich kaum in Erscheinung tritt. Obwohl es in seinem Ressort genug aufzuholen gibt, kümmert sich der Staatssekretär auch noch um die künftige Kulturhauptstadt Chemnitz - als Mittelsmann zwischen Freistaat und Kulturhauptstadt. Und kann sich damit sehen lassen: Das Großprojekt blüht und gedeiht.

Roland Wöller (51, CDU) - Inneres: 6+

Dass in Sachsen mehr Polizisten Dienst tun, geht auf sein Konto. Aber das war's auch schon fast. Fahrrad-Gate, Laissez-faire der Ordnungskräfte bei Corona-Protesten, umstrittene Personalentscheidungen - die Liste, was unter seiner Führung schieflief, ist lang. Setzen: 6. Seine Entlassung war zwangsläufig und lange überfällig.

Titelfoto: Holm Helis

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