Von Sachsen nach Amerika: Wie ein Anwalt aus Zittau zum Indianer wurde

Zittau - Er war Intellektueller, Abenteurer und Visionär - und seiner Zeit entschieden voraus. Er träumte von einem Paradies auf Erden und starb, weil er es selbst erschaffen wollte. Morgen vor 325 Jahren wurde Christian Gottlieb Prieber in Zittau geboren. Der studierte Jurist starb als Cherokee-Indianer im fernen Amerika, eingekerkert von den britischen Besatzern.

Die amerikanischen Ureinwohner hatten es dem Zittauer angetan. Bei ihnen fühlte sich der Freigeist verstanden. (Symbolbild)
Die amerikanischen Ureinwohner hatten es dem Zittauer angetan. Bei ihnen fühlte sich der Freigeist verstanden. (Symbolbild)  © 123rf/fxquadro

Am 21. März 1697, am Ende eines strengen Winters, erblickte der kleine Christian Gottlieb das Licht der Welt.

Es war das Jahr, in dem Sachsens Kurfürst August der Starke zum katholischen Glauben übertrat, um König von Polen werden zu können. Priebers Eltern waren erst vor etwa zehn Jahren in die recht lebhafte Handelsstadt Zittau gezogen, wo der Vater als Tuchhändler erfolgreich war.

Die Familie lebte in einem Eckhaus, das heute zur Kirchstraße gehört. Im Alter von zehn Jahren kam Christian Gottlieb aufs Gymnasium, das damals von einem kauzigen Humanisten geleitet wurde: Rektor Christian Weise, genannt der "Lehrer der Lausitz". War er es, der den jungen Prieber früh das freie Denken vermittelte, ihn zum Menschenfreund werden ließ? Wer weiß das schon...

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Nach der Schule studierte Prieber Jura in Leipzig, sein Examen machte er im Oktober 1722 in Erfurt.

Er kehrte heim nach Zittau, wo er schon im Monat darauf zwei einschneidende Erlebnisse haben sollte, wie sich Archiven entnehmen lässt.

Prieber heiratete seine Jugendfreundin

Stolze Häuptlinge, ein Leben inmitten der freien Natur: Unser heutiges Indianerbild ist oft idealisiert. (Symbolbild)
Stolze Häuptlinge, ein Leben inmitten der freien Natur: Unser heutiges Indianerbild ist oft idealisiert. (Symbolbild)  © 123RF / outsiderzone

Zum einen "gastierten" am 14. November 1722 "zwei wilde indianische Prinzen" in Zittau - amerikanische Ureinwohner, die in die Hand eines windigen Schiffskapitäns geraten waren und nun kreuz und quer in Europa wie Tiere ausgestellt wurden. Zum anderen heiratete Prieber drei Tage später seine Jugendfreundin, mit der er in den nächsten Jahren mehrere Kinder haben sollte.

Im Jahr 1728 wurde Christian Gottlieb Prieber als Anwalt beim Oberamtsgericht Bautzen zugelassen. Seine Spezialgebiete waren das Natur- und das Völkerrecht. Nebenher beschäftigte er sich weiter mit gesellschaftlichen und philosophischen Fragen und betrieb eine eifrige Korrespondenz mit klugen Denkern im in- und Ausland. Es war ja die Zeit der Aufklärung, die aber in der streng protestantischen Lausitz und in Sachsen aber nicht so recht zum Zuge kam.

Vermutlich 1734 zog Prieber von Zittau nach Dresden. Warum, ist nicht ganz klar. Hatte er sich schlicht von seiner Familie entfremdet, waren seine Ideen den Behörden suspekt oder hatte er Geldprobleme?

Prieber galt für die Kolonialherren als Aufrührer

Federschmuck gehörte zur Kleidung der Cherokee. (Symbolbild)
Federschmuck gehörte zur Kleidung der Cherokee. (Symbolbild)  © 123RF / jozefklopacka

Ein Brief, geschrieben von einem Freund Priebers, legt Letzteres nahe. Jedenfalls taucht die Spur Priebers erst 1735 wieder auf - im amerikanischen Charles Town (heute Charleston).

Dort gab er in der Zeitung "South Carolina Gazette" eine Anzeige auf, mittels derer er seine Habseligkeiten veräußern wollte - Kleidung, Perücke, sogar eine Kommode. Offenbar war er tatsächlich in Geldnöten, oder er warf "Ballast" ab. Wenig später taucht er bei den Cherokees auf.

Die hatten ihren Siedlungsraum vor allem auf dem Gebiet des gerade erst gegründeten "Georgia". Im Jahre 1730 hatte eine Delegation dieser Ureinwohner einen Vertrag unterzeichnet, der den Engländern das gesamte Territorium überschrieb. Als Gegenleistung gab es nur ein paar Waffen, Lebensmittel und Gerätschaften.

Prieber, kaum dass er sich bei den Cherokee eingelebt hatte, vermittelte ihnen, dass sie sich künftig nicht mehr so über den Tisch ziehen lassen sollten. Auch riet er den Stammesoberen, bei denen er offenbar wohlgelitten war, sich mit anderen Indianerstämmen zusammenzutun, um besser gegen die Weißen verhandeln zu können.

Den Briten, damals noch Kolonialherren in Nordamerika, kam das zu Gehör. Prieber galt fortan als Aufrührer, den es zu fassen galt.

Die Ruinen des Forts Frederica sind heute ein Nationaldenkmal.
Die Ruinen des Forts Frederica sind heute ein Nationaldenkmal.  © imago images/Walter Bibikow

Christian Gottlieb Prieber wurde festgenommen

Zittau war damals Mitglied im Oberlausitzer Sechsstädtebund.
Zittau war damals Mitglied im Oberlausitzer Sechsstädtebund.  © picture alliane /arkivi

Nach mehreren gescheiterten Versuchen wurde Christian Gottlieb Prieber schließlich 1743 festgenommen, den Schädel rasiert bis auf eine bunte Skalplocke. Mit sich führte er das Manuskript eines von ihm verfassten Buches namens "The Kingdom of Paradise" (übersetzt: Das Königreich Paradies).

Darin beschreibt Prieber, wie er sich ein Zusammenleben von Weißen, Indianern und Ex-Sklaven vorstellen kann - mit größtmöglicher Freiheit für jeden Einzelnen, gemeinsamem Besitz, Gleichberechtigung von Mann und Frau und so weiter. Eine Art Blaupause für eine kommunistische Urgesellschaft.

Das war den Briten zu viel. Sie ließen den seltsamen, aufwieglerischen Kauz aus Deutschland in der Festung "Fort Frederica" so lange schmoren, bis dieser - vermutlich 1746 - entkräftet starb.

Das Manuskript, also die Prieber'sche Vision des Zusammenlebens, war da offenbar schon längst zerstört.

Aus Kolonien wurden die Vereinigten Staaten

Amerikanische Ostküsten-Städter zur Kolonialzeit.
Amerikanische Ostküsten-Städter zur Kolonialzeit.  © wikipedia

Als es um die Kolonisierung Nordamerikas ging, waren die Briten eher spät dran. Spanien und Portugal hatten sich schon große Teile Mittel- und Südamerikas einverleibt. Queen Elizabeth I. (1533-1603) unterstützte schließlich Piraten, die spanische Galeeren aufbringen sollten.

Aus Seeräuber-Stützpunkten, Handelsstationen und schließlich Ansiedlungen religiös Verfolgter entstanden dann ab 1606 nach und nach britische Kolonien im heutigen Nordamerika.

Hatte man sich im "Mutterland" anfangs vor allem Bodenschätze erhofft, war man später auch mit Tabak, Baumwolle etc. zufrieden. Allerdings wollten sich die Siedler und vor allem die schon in der "Neuen Welt" Geborenen nicht ewig von London aus regieren lassen.

Auch Steuern wollte man irgendwann nicht mehr zahlen. 1775 verweigerten 13 britische Kolonien den Handel mit dem Königreich, es kam zum Unabhängigkeitskrieg und 1776 zur Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika. George Washington wurde erster US-Präsident.

Titelfoto: 123RF / jozefklopacka

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