Was Sachsens Jecken in diesem Jahr gehörig die Laune vermiest

Radeburg - Von "Saxonia Helau" über "Rabu" bis "Olé!" - die dreifachen Schlachtrufe der sächsischen Karnevalsvereine hallen wieder durchs Land. Doch die närrische Saison 2023/24 stellt die Vereine gleich vor mehrere Herausforderungen.

Von Kindesbeinen an karnevalsverrückt: RCC-Vorsitzender Kai Drabe (44).
Von Kindesbeinen an karnevalsverrückt: RCC-Vorsitzender Kai Drabe (44).  © privat

Inflation, Erhöhung des Mindestlohns bei gleichzeitigem Personalmangel sowie GEMA-, Heiz- und Strompreisexplosionen vermiesen den sächsischen Karnevalsvereinen gehörig die Feierlaune. Wie und wo müssen sie jetzt sparen, damit die Ticketpreise erträglich bleiben?

Nachdem sächsische Karnevalsvereine unter Männermangel im Männerballett leiden, machen ihnen auch die allseits gestiegenen Kosten zu schaffen. In den sächsischen Karnevalshochburgen von Wittichenau über Schirgiswalde und Leipzig bis Plauen müssen die Narren bei Karnevalsfeiern deshalb höhere Ticket-, Getränke- und Speisenpreise in Kauf nehmen.

Doch wie bändigen die Veranstalter die Kostenlawine?

Wie viele noch? Staatsanwaltschaften brechen unter Akten zusammen
Sachsen Wie viele noch? Staatsanwaltschaften brechen unter Akten zusammen

Kai Drabe (44), Vorsitzender im Radeburger Carnevals Club (RCC) mit Sachsens größtem Umzug, rechnet vor: "In den letzten fünf Jahren haben sich allein unsere Personalkosten für den Sicherheitsdienst um 30 Prozent erhöht. Doch diese Kostensteigerung nehmen wir in Kauf, weil wir weder an der Sicherheit unserer Gäste noch an der Qualität des Programms sparen wollen."

Zur Finanzierung stiegen die Ticketpreise beim RCC von 15 auf 17,50 Euro. Auch an anderen Stellen muss strikt gespart und kosteneffizient gearbeitet werden.

Drabe: "Wir müssen jetzt zwar höhere Raummieten zahlen, haben aber einen fairen Deal abschließen können. Auch mit allen Künstlern wurde hart um ihre Gagen verhandelt."

Bei Kostümwünschen wurden vor Jahren einfach noch sorglos neue gekauft. "Jetzt haben wir kritisch geprüft, ob vorhandene Kostüme aus dem Fundus nicht noch einmal 'getuned' werden können", sagt Drabe.

Junge Leute wollen lieber feiern, als bei den Partys zu arbeiten

Showtanz mit viel Elan: Gardemädels beim Radeburg Karneval im Festzelt.
Showtanz mit viel Elan: Gardemädels beim Radeburg Karneval im Festzelt.  © Petra Hornig

Immerhin erholte sich die Anzahl der Vereinsmitglieder nach dem Aderlass durch Corona und altersbedingte Abgänge auf aktuell wieder 125 Aktive - darunter 15 Gardemädels, zwei Schülergarden, Narrenpolizei und Elferrat. Personalprobleme gibt es in Karnevalsvereinen dagegen beim Bar-Personal.

Drabe hat als Student im Karneval selber hinterm Tresen gestanden: "Damals war Barkeeper noch ein heiß begehrter Studentenjob. Heute wollen die jungen Leute lieber mitfeiern." Und das, obwohl der Mindestlohn-Stundensatz auf inzwischen 12,41 Euro gestiegen ist.

Heiz- und Stromkosten für die RCC-Karnevalssitzungen bleiben übrigens bei der Radeburger Gaststätte "Zum Hirsch" hängen.

Chlorgas-Austritt in sächsischer Schule! Lehrer und Schüler verletzt
Sachsen Chlorgas-Austritt in sächsischer Schule! Lehrer und Schüler verletzt

Drabe: "Wir können dort kostenfrei den Festsaal nutzen. Im Gegenzug verdient der 'Hirsch' am kompletten Catering. Sieben der neun Veranstaltungen sind ausverkauft."

Zudem hat auch die GEMA die Gebühren für Musik erhöht, was schon bei den Weihnachtsmärkten zu Protestaktionen führte.

Werden die Karnevalsveranstaltungen angesichts der Preissteigerungen traurig?

Tragen die Clowns dieses Jahr Trauer? Preissteigerungen und Personalmangel lassen Sachsens Karnevalsvereinen in dieser Saison das Lachen vergehen.
Tragen die Clowns dieses Jahr Trauer? Preissteigerungen und Personalmangel lassen Sachsens Karnevalsvereinen in dieser Saison das Lachen vergehen.  © imago/Panthermedia

"Wir haben nachverhandelt und Rahmenverträge abgeschlossen, über die allerdings Stillschweigen vereinbart wurde", sagt Michael Rohde (51), Sprecher vom Verband Sächsischer Carneval e. V. (VSC). Er vertritt 189 der schätzungsweise mindestens doppelt so vielen Karnevalsvereine im Freistaat.

"Trotz Preissteigerungen bekommen manche Vereine wie in Pegau locker einen Saal mit 1000 Besuchern voll. Andere wie der Wilthener Carneval Club stehen nach dem Tod des Präsidenten und ohne Spielstätte vor dem Aus."

Für Rohde steht fest: "Trotz aller Widrigkeiten lassen wir uns das Feiern nicht verbieten."

Jetzt droht den Karnevalisten allerdings Ungemach von ganz oben: Das angekündigte Regenwetter könnte die Feierstimmung nochmal drücken.

Fettnäpfchen gilt es zu umkurven

"Manche Witze sind nicht lustig": Büttenredner Steffen Richter (60) vom Lommatzscher Carneval Club (LCC).
"Manche Witze sind nicht lustig": Büttenredner Steffen Richter (60) vom Lommatzscher Carneval Club (LCC).  © privat

Auch Büttenredner haben's diese Saison schwer. "Es gibt zwar wegen der aktuell vielen Krisen viele Themen für Witze, aber man kann auch mit den falschen Worten eine Gesellschaft sprengen", erzählt Büttenredner Steffen Richter (60) vom Lommatzscher Carneval Club e. V. (LCC).

Er steht seit 24 Jahren auf der Karnevalsbühne, bringt mit Reimen, Jux und Tollerei die Feiergesellschaft zum Lachen.

"Was dabei gar nicht geht, sind Witze über Migranten", sagt er. "Auch Kriege sind tabu. Krieg ist schlimm genug, darüber macht man keine Späße." Ebenso kommen ihm Witze unter der Gürtellinie nicht über die Lippen.

Was dagegen immer geht: Ampelwitze, also wenn die Regierung durch den Kakao gezogen wird. "Dieses Jahr ledere ich über verfehlte Bildungspolitik und die versemmelten PISA-Leistungen ab. Ich sehe es an meinen Kindern, dass da so einiges schiefläuft. Ich hatte nach der DDR-Schulbildung eine viel größere Allgemeinbildung."

Auch Witze über die Gegensätze zwischen Mann und Frau sind Lachgaranten.

Diese Witze macht der Büttenredner - oder eben auch nicht!

Mit einem Lachen auf die Straßen: Jecken bei einem Karnevalsumzug in Strehla.
Mit einem Lachen auf die Straßen: Jecken bei einem Karnevalsumzug in Strehla.  © Sebastian Schultz

Der Experte gibt eine Kostprobe:

Ein Mann schimpft mit seiner Frau: "Du guckst immer Kochsendungen, obwohl du gar nicht kochen kannst." Sie keift zurück: "Du guckst doch auch Pornos!" - Tusch!

Vorsicht ist dagegen bei makabren Witzen über Tiere geboten. Dieser Jux brachte Richter Beschwerden von Tierschützern ein:

Der Vater hat die Katze der Nachbarin überfahren. Wer soll ihr das jetzt beibringen? Da meldet sich Söhnchen Fritzchen. Er nimmt das Katzenfell und hängt es an die Tür der Nachbarin - dazu einen Zettel: "Bin duschen, Morle."

Im Laufe der Jahre hat Richter auch gelernt: Manchmal fühlen sich bei Witzen nicht die Betroffenen, sondern eher ihr Umfeld unwohl. Diesen Kalauer wollte er beim Auftritt im Altersheim mit Rollstuhlfahrern im Publikum aus Rücksicht lieber weglassen:

Ein Mann beobachtet eine Bäuerin im Garten beim Erdbeeren ernten. Da kommt erst der große Sohn, fasst ihr unter den Rock. Dann kommt der mittlere, fasst ihr unter den Rock. Dann der jüngste, der dasselbe macht. Verwundert fragt der Mann den Bauern, was da denn los ist. Der erklärt trocken: Meine Bäuerin hat unlängst ein Holzbein bekommen, da habe ich einen Haken dran genagelt, an den wir immer den Traktorschlüssel hängen.

Ein Gast im Rollstuhl vermisste den Gag in Richters Programm, sprach ihn verwundert darauf an: "Du musst keine falsche Rücksicht nehmen. Ich bin mit dem Motorrad gerast, habe bei einem Unfall ein Bein verloren. Ich war selbst schuld, muss jetzt mit diesem Schicksalsschlag klarkommen."

Außerdem sei die Aufmerksamkeitsspanne kleiner geworden. "Früher waren meine Programme 20 Minuten lang, jetzt sind es nur noch zehn Minuten", sagt Richter. "Die Leute wollen lieber reden, feiern und trinken statt mit langen Reden gequält zu werden."

Auch der LCC (60 Mitglieder) musste dieses Jahr übrigens die Ticketpreise anheben - von 13 auf 16 Euro. Trotzdem kamen 250 Feierlustige. 2023 wurden 200 Tickets verkauft.

So feiert man in Radeburg

Ein dreifaches "Rabu" lautet der Schlachtruf im Radeburger Karneval.
Ein dreifaches "Rabu" lautet der Schlachtruf im Radeburger Karneval.  © dpa/Oliver Killig

In Radeburg steigt am heutigen Samstag ab 18 Uhr das "Remmidemmi auf dem Markt" (Onlineticket: 27,50 Euro) - Sachsens größte Faschingsparty mit bis zu 3000 Besuchern.

Am Sonntag startet Sachsens größter Faschingsumzug um 14 Uhr am Bahnhof (wird im Livestream in der MDR-Mediathek übertragen). 2000 aktive Teilnehmer präsentieren insgesamt 70 Bilder (drei mehr als im vergangenen Jahr).

Davor beginnt um 8 Uhr der Weckumzug. 9.11 Uhr tagt das Narrengericht auf dem Markt, gefolgt von der Gardetanzschau um 12.30 Uhr.

Faschingsdienstag beginnt 19 Uhr im "Hirsch" die Umzugsprämierung mit Entkrönung des Prinzenpaars.

Titelfoto: Petra Hornig

Mehr zum Thema Sachsen: