Zuflucht vor dem Krieg: Wie eine sächsische Kleinstadt zum rettenden Hafen für Ukrainer wird

Hartmannsdorf - Nicht allein: Die beiden ukrainischen Schwestern Lilia (22) und Natalia (30) sind mit dem kleinen Vladyslav (3) seit kaum zwei Wochen im westsächsischen Hartmannsdorf (Landkreis Zwickau) und doch schon bestens integriert. Möglich macht das ein engagiertes Unterstützernetzwerk. Motto: Einfach machen!

In Sicherheit: Natalia (30), Vladyslav (3) und Lilia (22) mit Martin Förster (41). Er tut alles, damit sich die drei in Deutschland wohlfühlen.
In Sicherheit: Natalia (30), Vladyslav (3) und Lilia (22) mit Martin Förster (41). Er tut alles, damit sich die drei in Deutschland wohlfühlen.  © Ralph Kunz

Kinderglück. Während die Erwachsenen reden, tollt Vladyslav im Garten herum, summt vor sich hin und hat nur Augen für sein Spiel.

"Für ihn ist das alles ein Abenteuer", sagt seine Mutter Natalia in fließendem Deutsch. Alles, das sind die Nächte im Bombenkeller, der in Wirklichkeit ein Kartoffelkeller ist, die immer unsicherer werdende Lage, die sechs Tage dauernde Flucht mit dem Auto nach Deutschland und dann die neue Umgebung.

Hartmannsdorf ist für die beiden und Natalias jüngere Schwester Lilia kein Zufall. "Natalia ist meine rechte Hand", sagt Martin Förster (41). Er betreibt einen Handel für ökologische Brennstoffe und bezieht zum Beispiel Holzpellets aus der Ukraine. Als dort die Lage eskalierte, organisierte er aus dem Nichts ein Helfernetzwerk.

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Familie Ebert stellt ihre Gästewohnung zur Verfügung: "Am Leid anderer Anteil zu nehmen, ist gar nicht so einfach, wenn man nicht selbst betroffen ist", sagt Christine Ebert (67), "aber kleine Dinge können wir tun."

In Hartmannsodrf fanden die Ukrainer einen sicheren Hafen.
In Hartmannsodrf fanden die Ukrainer einen sicheren Hafen.  © Ralph Kunz
Andreas (67) und seine Frau Christine (68) mit einem Foto ihrer drei neuen Mitbewohner. Das Foto entstand noch in der Ukraine.
Andreas (67) und seine Frau Christine (68) mit einem Foto ihrer drei neuen Mitbewohner. Das Foto entstand noch in der Ukraine.  © Ralph Kunz

Bürgermeister: "Die gute Nachricht: Wir haben noch Platz"

"Wir müssen was tun!" - Bürgermeister Christfried Nicolaus (39, CDU).
"Wir müssen was tun!" - Bürgermeister Christfried Nicolaus (39, CDU).  © Ralph Kunz

Die Nachbarn kommen vorbei, fragen, ob was fehlt. "Ich glaube, ich habe schon alle kennengelernt", sagt Natalia. Zum ersten Mal lächelt sie. Alle sind bereits offiziell gemeldet, Vlado geht in den Kindergarten. Lilia braucht für ihren Job bei einem Schweizer Callcenter nur ihren Laptop - und Natalia selbst kann weiter für Martin Förster arbeiten.

Der wird unversehens zum Flüchtlingskoordinator: Eine Mutter mit Kind, Urlaubsbekanntschaft eines Mitarbeiters, kommt ebenfalls. Und die halbe Familie eines ehemaligen Geschäftspartners.

Für Bürgermeister Christfried Nicolaus (39, CDU) ist klar: "Wir müssen was machen!" Eine Wohnung im Gemeindeamt wird flugs bezugsfertig gemacht. Inzwischen stehen mehrere Wohnungen zur Verfügung.

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"Die gute Nachricht: Wir haben noch Platz", sagt der Bürgermeister grinsend. Natalia ist wieder ernst. Sie denkt an ihren Mann zu Hause in der Ukraine, an ihre Eltern und Großeltern. "Ich bin hier in Sicherheit und ich bin froh", sagt sie.

Titelfoto: Ralph Kunz

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