Geschäftsmodell Gier! So schamlos drehen Firmen an der Preisschraube

Dresden - Im Lebensmittelgeschäft, beim Discounter, Strom- oder Gasanbieter - wir zahlen oft viel zu viel!

Die Gewinnquote in Landwirtschaft, Handel oder Gastgewerbe liegt deutlich über dem langjährigen Durchschnitt.
Die Gewinnquote in Landwirtschaft, Handel oder Gastgewerbe liegt deutlich über dem langjährigen Durchschnitt.  © 123rf/mangostar

Als Gründe für die gestiegene Inflationsrate werden gern gestörte Lieferketten nach der Corona-Pandemie, höhere Beschaffungspreise durch das Drehen der EZB an der Zinsschraube und der Ukraine-Krieg genannt.

Doch jetzt bestätigt eine Studie des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung: Viele Unternehmen nutzen die aktuell hohe Inflation als Ausrede, um ihre eigenen Profite zu steigern.

Sie drehen übermäßig an der Preisschraube, streichen zusätzliche Gewinne ein.

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Hier bei TAG24 erklären Experten, wie man überteuerte Produkte erkennt und Preisfallen aus dem Weg geht.

"Mitnahmeeffekte" bei Lebensmitteln

Viele Unternehmen erhöhen ihre Preise stärker als ihre Kosten steigen.
Viele Unternehmen erhöhen ihre Preise stärker als ihre Kosten steigen.  © 123RF/gregorylee

Die einen nennen es Gier, Ökonomen bezeichnen es als "Mitnahmeeffekte". Manche Unternehmen haben ihre Verkaufspreise stärker erhöht, als es durch die Entwicklung der Einkaufspreise nötig war.

"Der Kostenschub wurde als Vorwand genommen, durch eine noch stärkere Erhöhung ihrer Absatzpreise die Gewinne kräftig zu steigern", sagt Joachim Ragnitz (62), stellvertretender Leiter der ifo Niederlassung in Dresden.

Und das in Größenordnungen, wie Ragnitz weiß: "In der Landwirtschaft im letzten Quartal 2022 um 46 Prozent, im Baugewerbe um rund 23 Prozent und im Handel immerhin um etwas mehr als 12 Prozent".

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Eine Ausnahme bildet nur das Dienstleistungsgewerbe.

So wird mit versteckten Preiserhöhungen geschummelt

Expertin für Lebensmittel: Vanessa Holste (32).
Expertin für Lebensmittel: Vanessa Holste (32).  © PR/Katharina Schmidt

Trick 1 - Neue Schwellenpreise: Statt von 0,99 auf 1,09 Euro zu erhöhen, nutzten Händler die "Gunst der Stunde", um gleich auf 1,19 Euro oder noch höher zu gehen.

Trick 2 - Falsche Preisauszeichnung am Regal: "Ich habe mich erst kürzlich selber beim Lebensmittel-Einzelhändler geärgert, als ich für die mit 12,79 Euro ausgewiesenen Nüsse an der Kasse plötzlich 16,99 Euro zahlen sollte. Aber so groß sind die Unterschiede häufig nicht, sodass sie oft gar nicht auffallen", sagt Vanessa Holste (32), Abteilungsleiterin Lebensmittel und Ernährung bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Sie hat aktuell viele ähnliche Kundenbeschwerden auf dem Tisch und rät deshalb: "Kassenzettel noch im Laden prüfen und vor Ort reklamieren. Erstattet der Händler die Differenz zum Regalpreis nicht, kann ich das Produkt zurückgeben." Geben Händler am Regal nicht den richtigen Preis an, verstoßen sie gegen die Preisabgabenverordnung - eine Ordnungswidrigkeit!

Deshalb fordert Holste: "Behörden müssen stärker gegen falsche Preise am Regal vorgehen."

Trick 3 - Mogelpackungen: "Wir haben zuletzt erfolgreich die Firma Bahlsen abgemahnt, die mit der vergrößerten Verpackung ihrer 'Perpetum Kekse' mehr Inhalt vorgetäuscht hat, als tatsächlich enthalten war", sagt Holste.

Gleiche Verpackung, weniger drin: Rama ist die "Mogelpackung des Jahres".
Gleiche Verpackung, weniger drin: Rama ist die "Mogelpackung des Jahres".  © imago/Geisser

Trick 4 - Versteckte Preiserhöhungen: weniger Inhalt bei gleicher Packung und gleichem Preis. So wurde Rama sogar zur "Mogelpackung des Jahres", weil der Inhalt bei identischem Preis von 500 auf 400 Gramm schrumpfte. Preissteigerung: 25 Prozent.

Wer alles noch mit Verpackungen trickst: www.vzhh.de/mogelpackungsliste

So wird mit Strom- und Gaspreisen abgezockt

Vorwurf Preistreiberei: Geben Gasanbieter Preissenkungen auch wirklich an ihre Kunden weiter?
Vorwurf Preistreiberei: Geben Gasanbieter Preissenkungen auch wirklich an ihre Kunden weiter?  © 123RF/pakhnyushchyy

Auch Verbraucherschützer Matthias Bauer (63), Experte für Bauen, Wohnen und Energie, ist Preistreibern auf der Spur: "Die Strom- und Gaspreise sind förmlich ausgetickt. Kleine Anbieter verschwanden vom Markt und die Kunden rutschten zunächst in die teure Ersatzversorgung. Negativ sind uns vor allem Verträge der Prima Holding mit Marken wie Voxenergy, Primastrom, Paketsparer und Nowenergy aufgefallen. In manchen Stromverträgen wurden sogar 1,20 Euro für die Kilowattstunde aufgerufen."

Zum Vergleich: Üblich für Neukunden sind derzeit 34 Cent/kWh.

"Weil oft illegales und strafbewehrtes Telefonmarketing zum Abschluss überteuerter Verträge genutzt wird, sollten Verbraucher sofort auflegen. Schon ein einfaches 'Ja' am Telefon kann von Betrügern später so zusammengeschnitten werden, als hätte man dem Vertrag zustimmt", warnt Bauer.

Obwohl tendenziell der Strompreis sinkt, wundert er sich, dass manche Versorger (z.B. Stadtwerke) weiter bei ihren hohen Bestandspreisen bleiben, während andere Anbieter die Ersparnis längst weitergeben.

Wird da auf Kosten der Kunden Kasse gemacht? Bauer rät in jedem Fall zu kurzen Laufzeiten. "Neuverträge sollten möglichst monatlich kündbar sein, nie aber länger als 12 Monate laufen."

Experte für Bauen, Wohnen und Energie: Matthias Bauer (63).
Experte für Bauen, Wohnen und Energie: Matthias Bauer (63).  © Verbraucherzentrale Baden-Württemberg/Wolfram Scheible

Bei Gasverträgen sollte auf jeden Cent geschaut werden, denn dabei machen schon kleine Beträge große Unterschiede aus. Bauer erklärt: "Für eine 100-Quadratmeter-Wohnung rechnet man mit durchschnittlich 12.000 kWh im Jahr. Erhöht sich der Gaspreis um nur 10 Cent, muss man schon 1200 Euro mehr zahlen."

In der Spitze lagen die Gaspreise jedoch mehr als viermal höher als gewohnt. Bauers Tipp für Neuverträge: "Fair sind aktuell 10 bis 11 Cent/kWh."

Experte im Interview: "Im Zweifel auf Käufe verzichten"

Joachim Ragnitz (62), stellvertretender Leiter der ifo-Niederlassung Dresden.
Joachim Ragnitz (62), stellvertretender Leiter der ifo-Niederlassung Dresden.  © Thomas Türpe

TAG24 fragte ifo-Chef Joachim Ragnitz (62): Haben Sie die Studienergebnisse überrascht?

Joachim Ragnitz: Ich fand es schon überraschend, dass gerade der Handel die Preise so stark hat erhöhen können. Man ahnte das ja schon, wenn man die Entwicklung der Lebensmittelpreise im vergangenen Jahr verfolgt hat. Dass aber die Gewinne mit zu den Inflationstreibern gehören, hatte ich zumindest in diesem Ausmaß nicht erwartet.

TAG24: Müsste jetzt nicht wieder wie bei der Strompreisbremse der Staat regulierend eingreifen?

Ragnitz: Nein, man kann den Staat ja nun nicht für eine vollkommene Absicherung seiner Bürger heranziehen. Und man muss auch sehen, dass die wesentliche Ursache der hohen Inflation der Kostenschub bei Energieimporten gewesen ist. Das kann man nicht ungeschehen machen, sondern höchstens so verteilen, dass die Folgen keine übermäßigen sozialen Verwerfungen auslösen. Also vielleicht noch Einkommenstransfers für besonders betroffene Haushalte, aber keine Eingriffe in den Preismechanismus mehr.

TAG24: Inflation, Zinserhöhungen, überzogene Preise - ist jetzt eine weitere Inflationsgefahr gebannt oder sind das die Vorboten für eine Rezession?

Ragnitz: Wir gehen davon aus, dass uns eine Rezession erspart bleibt, weil das große Risiko einer physischen Energieknappheit nicht eingetreten ist. Aber natürlich muss man weiterhin wachsam sein. Insbesondere die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale besteht weiterhin, was dann in der Tat eine neuerliche wirtschaftliche Abschwächung auslösen könnte.

Hohe Gewinne lassen sich nur vermeiden, wenn Kunden auf günstige Angebote zurückgreifen, ist sich der Experte sicher.
Hohe Gewinne lassen sich nur vermeiden, wenn Kunden auf günstige Angebote zurückgreifen, ist sich der Experte sicher.  © 123RF/leonidsorokin

TAG24: Was empfehlen Sie Verbrauchern im Kampf gegen überzogene Preisanhebungen?

Ragnitz: Diese sind nur möglich, wenn die Kunden nicht genau auf den Preis achten. Solange also Wettbewerb besteht und die Konsumenten im Zweifel auf Käufe verzichten oder zumindest auf billigere Angebote zurückgreifen, werden die hohen Gewinne auch wieder zurückgehen. Die Marktmacht der Verbraucher ist in ihrer Masse deutlich höher, als man es vielleicht denken mag.

Titelfoto: Montage: 123RF/gregorylee, 123RF/mangostar

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