Skandal in NRW: Heim-Kinder jahrelang Opfer von Medikamententests und Gewalt
Von Dorothea Hülsmeier und Alina Eultgem
Düsseldorf - Schockierende Ergebnisse: In NRW wurden laut einer Studie Kinder zwischen 1946 und 1980 in Heimen, Kurkliniken und anderen Einrichtungen Opfer von Medikamententests und Gewalt.
Es sei von einem "flächendeckenden Phänomen" auszugehen, heißt es in der jetzt vorgelegten Studie einer Forschungsgruppe um den Düsseldorfer Medizinhistoriker Professor Heiner Fangerau (52).
Die Untersuchung, beauftragt vom NRW-Gesundheitsministerium, zeigt, dass 10 bis 25 Prozent der Kinder und Jugendlichen in den untersuchten Einrichtungen betroffen waren.
Verabreicht wurden unter anderem Neuroleptika, Insulin oder Schlafmittel, oft in Kombination, um die Kinder ruhigzustellen.
Teilweise gab es sogar Todesfälle, die damit zusammenhängen könnten.
Die Wissenschaftler stützten sich auf bisherige Literatur, Archivstudien sowie auf Gespräche mit Betroffenen.
Betroffene zum Schweigen gebracht
Auch Impfstoff- und Medikamententests wurden durchgeführt, etwa in Düsseldorf, Bad Oeynhausen, Wuppertal oder Bonn.
Auffällig waren außerdem Blinddarm-Operationen, hormonelle Tests und Gehirneingriffe bei einzelnen Mädchen. Die Familien wurden darüber meist nicht informiert.
Die Aufsicht durch Land, Kirchen und Träger sei mangelhaft gewesen, Missstände wurden vertuscht oder Betroffene zum Schweigen gebracht.
Erst ab den späten 1960er Jahren wuchs das Problembewusstsein. Bis heute müssen viele Opfer ihre Rechte gegen die Einrichtungen durchsetzen.
Titelfoto: Bildmontage: Roberto Pfeil/dpa, Oliver Berg/dpa

