Lützen - eine Enklave Schwedens? Dieses Museum kennt die Wahrheit

Lützen - Seit fast 400 Jahren hält sich ein Gerücht zwischen Sachsen und Sachsen-Anhalt wacker: Die kleine Gemeinde Lützen, einst Schauplatz der größten Schlacht des Dreißigjährigen Kriegs, soll eine Enklave Schwedens sein.

Manuela Dietz (42) ist stolze Direktorin der städtischen Museen Lützen.
Manuela Dietz (42) ist stolze Direktorin der städtischen Museen Lützen.  © Steffen Füssel

Museumsleiterin Manuela Dietz (42) dementiert das zu gern. Denn wegen Schwedenkönigs Gustav Adolf schreibt die Gedenkstätte bis heute Geschichte.

Wir schreiben den 6. November 1632 nach julianischer Zeitrechnung. Seit 14 Jahren tobt der Dreißigjährige Krieg um die Hegemonie in Europa.

Längst ernährte der Krieg den Krieg. Eine Hyperinflation machte sich breit, Munition wurde aus Fensterkitt gegossen, aus bitterster Hungersnot zogen ganze Dörfer gegen ihre Nachbarn in die Schlacht. An Frieden war dieser Tage nicht zu denken.

Starker Rauch greift nach Kellerbränden auf Gebäude über: Sechs Menschen verletzt
Sachsen-Anhalt Starker Rauch greift nach Kellerbränden auf Gebäude über: Sechs Menschen verletzt

Nach einem Prestige-Sieg über schwedische Truppen hatte sich der böhmische Feldherr Albrecht von Wallenstein gerade gegen Sachsen gewandt und zog ins Winterquartier zwischen Leipzig und Magdeburg.

Etwas, das Gustav II. Adolf verhindern musste.

Schwedenkönig fällt in Lützen

Der kurzsichtige Schwedenkönig Gustav II. Adolf (1594-1632) fiel im berüchtigten Lützener Nebel der größten Schlacht des Dreißigjährigen Kriegs zum Opfer.
Der kurzsichtige Schwedenkönig Gustav II. Adolf (1594-1632) fiel im berüchtigten Lützener Nebel der größten Schlacht des Dreißigjährigen Kriegs zum Opfer.  © Steffen Füssel

Ohne das schlagkräftige Sachsen stünden die Protestanten geschwächt da.

Als der Schwedenkönig erfuhr, dass Wallenstein von seinen Pappenheimern getrennt wurde, roch er seine Chance - und marschierte gen Lützen.

"Mehr oder weniger unvermindert kam es hier zur größten Schlacht des Dreißigjährigen Kriegs", sagt Manuela Dietz (42) zu TAG24, Direktorin der städtischen Museen Lützen.

Verkaufsoffene Sonntage im Advent: Wann Ihr shoppen gehen könnt
Sachsen-Anhalt Verkaufsoffene Sonntage im Advent: Wann Ihr shoppen gehen könnt

Gut 35.000 Mann standen sich plötzlich gegenüber. Am Ende waren bis zu 9000 tot - darunter der Schwedenkönig.

"Im berüchtigten Lützener Nebel soll der kurzsichtige Gustav Adolf in die gegnerischen Truppen geraten sein." Ein Schwarm kaiserlicher Reiter streckte ihn mit Stichen und Pistolenschüssen nieder.

Bis zum Einbruch der Dunkelheit konnten die Schweden das Feld für sich behaupten. Von Sieg kann keine Rede sein.

Mit gesenktem Haupt errichteten die übrigen Truppen den Schwedenstein an der ungefähren Stelle Gustav Adolfs Tod. "Der Mensch braucht etwas Materielles, wo das Immaterielle andocken kann", so Dietz.

Der Stein leitete eine Verbindung von Schweden nach Sachsen(-Anhalt) ein, die Jahrhunderte überdauern sollte.

Kapelle und Baldachin zementieren die fast 400 Jahre alte sächsisch-schwedische Freundschaft.
Kapelle und Baldachin zementieren die fast 400 Jahre alte sächsisch-schwedische Freundschaft.  © Steffen Füssel

Wie ein Banner das Gerücht in die Welt setzte

Das ist der Beweis: Mit diesem Banner vom Ende des 2. Weltkriegs verfestigte sich das Enklavengerücht von Lützen.
Das ist der Beweis: Mit diesem Banner vom Ende des 2. Weltkriegs verfestigte sich das Enklavengerücht von Lützen.  © privat

Schon im 17. Jahrhundert reisten Wirtschaftsdelegationen an, im 19. kamen die Protestanten dazu und errichteten die bis heute erhaltene Gastwirtschaft.

Die Preußen zelebrierten Militärparaden, Karl Friedrich Schinkel baute den heutigen Baldachin.

Mit der 1907 errichteten Kapelle zog ein schwedischer Wächter nach Lützen, der die Anlage dauerhaft bewachte. Auch während des Zweiten Weltkriegs.

Lützen wurde von den Amerikanern befreit - und Wächter Hans Svensson sprach zufällig Englisch. Aus Angst, von den Amerikanern überrannt zu werden, hing er ein Banner an Schinkels Baldachin.

"Swedish Property", schwedisches Eigentum. Das Gerücht war endgültig in der Welt. Und hielt sich wacker.

"Zu DDR-Zeiten war die Gedenkstätte mit bis zu 80.000 Besuchern eine der beliebtesten überhaupt", so Dietz. Ein Thüringer sei sogar eingebrochen, in der Hoffnung, nach Schweden ausgeliefert zu werden.

Auch heute erzählt sie fast allen 20.000 Besuchern pro Jahr diese Geschichte. Und das, obwohl es im letzten Jahr im neueröffneten Gebäude gar nicht um den Krieg geht. "Sondern welche Erkenntnisse die Schlachtfeld-Archäologie liefern kann", so die sichtlich stolze Dietz. Denn nach der Schlacht sind Massengräber entlang der Via Regia (heute die B87) entstanden, denen man ab 2011 nachgegangen ist - mit Erfolg.

Ein 52 Tonnen schwerer Massengrab-Block sollte nicht nur für Schweden eine Reise wert sein.
Ein 52 Tonnen schwerer Massengrab-Block sollte nicht nur für Schweden eine Reise wert sein.  © Steffen Füssel

Ein 52 Tonnen schwerer Massengrab-Block wurde zu zwei Teilen abgetragen und hängt heute - dank der lehmigen Lützener Erde - senkrecht im Keller des Museums.

Und erzählt die Geschichte, weshalb Kriege ins Museum gehören. Lützen ist also nicht nur für Schweden eine Reise wert.

Titelfoto: Montage: Steffen Füssel; privat

Mehr zum Thema Sachsen-Anhalt: