Pulsnitz - Nie war der Begriff "selten" wohl treffender: In Deutschland gibt es noch etwa zehn von ihnen, in Sachsen nur noch zwei. In Pulsnitz ist Cordula Reppe die allerletzte ihrer Zunft. Sie zaubert aus blütenweißen Stoffen Blaudruck-Kunstwerke. Schon ihre Werkstatt in der Bachstraße 7 sieht noch aus wie vor hunderten Jahren.
Wie die Ornamente auf den ursprünglich blütenweißen Stoff kommen, ist ein kleines chemisches Wunder, wird als Betriebsgeheimnis von Generation zu Generation weitergegeben.
Es gibt Dinge, die ändern sich nie.
So blieb beim Handwerk von Reppe seit 2000 Jahren ziemlich alles beim Alten. Sie druckt und färbt wie schon zu Jesus Zeiten. Und wie die Jungfrau zum Kinde kam sie auch ins Geschäft.
"Ich war 25 Jahre lang Leiterin des Pulsnitzer Stadtmuseums, habe dabei auch viele Reisegruppen durch die Blaudruck-Werkstatt begleitet und war fasziniert." 2014 übernahm sie die Manufaktur von Vorgänger Alfred Thieme.
Am Anfang steht immer blütenweißer Stoff. "Wir verwenden Baumwolle, Leinen und besonders leichtes, dicht gewebtes Batist", sagt Reppe. "Die Stoffe kommen in 50-Meter-Rollen aus Reichenbach im Vogtland oder Neukirch."
Doch wie wird er blau und wie kommen die weißen Muster auf den Stoff? Durch traditionellen Blaudruck!
Druckerschwärze ist dabei ein Mix aus Kaolin und Gummi arabicum
Die Druckerschwärze ist dabei ein Mix aus Kaolin und Gummi arabicum (auch als Akaziengummi bekannt), ein Pflanzensaft von Akazienbäumen.
Der Sud wird Papp genannt.
Das genaue Mischungsverhältnis ist ein streng gehütetes Färbergeheimnis. "Das Papp-Rezept und bestimmte Zusatzstoffe hat mir mein Vorgänger übergeben", schmunzelt Reppe.
Die Druckmuster erzeugen sogenannte Model - die Stempel der Blaudrucker.
"In meinem Archiv befinden sich über 1000 verschiedene Model", verrät Reppe. "Die ältesten davon sind fast 200 Jahre alt." Und es kommen immer neue hinzu. Reppe: "Zuletzt haben wir zwei neue Model anfertigen lassen."
Jetzt kann man Decken und Läufer auch mit einem Engelchen oder dem Pfefferkuchenmännchen verzieren lassen, das Symbol der traditionellen Pulsnitzer Lebkuchenfiguren. Die filigran gearbeiteten Model werden wie rohe Eier behandelt.
"Sie bestehen entweder aus Holz oder Messingstiften und funktionieren wie Stempel", erklärt Reppe. Das Stempelkissen ist der Kaolin-Gummi-Sud Papp.
Mit ruhiger Hand stempelt Reppe die Model-Muster auf die weißen Stoffbahnen. Hintereinander, nebeneinander, übereinander. Dabei sind auch gute Augen gefragt, denn der Stempeldruck ist sandfarben und hebt sich auf dem weißen Stoff kaum ab. Welche Ornamente später genau auf den Stoffen prangen, bestimmen die Kunden.
Blumen, Blätter, christliche und sorbische Motive, filigrane Figuren und Formen. "Je nach Auftrag werden auch Muster miteinander kombiniert", sagt Reppe.
Seit elf Jahren führt Cordula Reppe die Manufaktur
Sind die Stoffbahnen bedruckt, gehen sie baden. Im Nachbargebäude werden sie in einem Fass mit synthetischem Indigo eingetaucht. "Dieses Fass wird Küpe genannt und ist 2,50 Meter tief", sagt Reppe. Für 20 Minuten taucht der Stoff unter, dann muss er 20 Minuten an der Luft trocknen.
Küpen nennen Blaufärber diesen Prozess. Fünfmal wiederholt sich das Rein-Raus jeweils im 20-Minuten-Takt. Was dabei passiert, ist als Blaudruck-Wunder bekannt: Die blaue Indigo-Farbe legt sich wie ein Film über den weißen Stoff, aber auch über die gestempelten Kaolin-Gummi-Muster.
Bei jedem Tauchgang wird die Indigoschicht dicker und damit das Blau satter. Werden die Stoffbahnen aus dem Fass gezogen, ist jedoch alles blau. Von Mustern keine Spur! Doch keine Sorge, sie sind nicht verschwunden, sondern nur noch verdeckt.
Erst beim anschließenden Waschen zuerst in verdünnter Schwefelsäure, dann in Seifenlösung und zum Schluss beim Spülen mit Wasser werden sie sichtbar.
Reppe: "Dabei muss der Papp aus dem Stoff ausgewaschen werden." Dann erscheinen plötzlich wie von Geisterhand die weißen Muster auf dem blaugefärbten Stoff - das Wunder des Blaudrucks ist geboren.
Seit elf Jahren führt Reppe die Manufaktur. "Den Essiggeruch, den Kunden bei Besuchen wahrnehmen, rieche ich längst nicht mehr." Sie will noch Hunderte Blaudruck-Bahnen schaffen und im nächsten Jahr im Garten der Manufaktur einen Blauen Salon für Veranstaltungen und Workshops eröffnen.
Nur eines ist für sie, die ihr Alter genauso geheim hält wie ihre Papp-Rezeptur, sicher: "Nach einem Nachfolger zu suchen, dafür ist es noch zu früh."
Vom Deckchen bis zum Mantel - der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt
Blaudruck gibt's für den kleinen Geldbeutel als flauschige Herzchen ab 5 Euro oder Deckchen für den Brotkorb ab 10 Euro.
Die Stoffe liegen als Tischdecke oder Läufer flach oder stehen im angeschlossenen Manufaktur-Lädchen als Handtaschen, Kittelschürzen, Ostereier, Puppenkleider und Lavendel-Duftkissen mit den typischen weißen Mustern kaufbereit.
Reppe: "Einmal hat sich eine ganze Gaststätte mit Blaudruck-Servietten und Läufern ausstatten lassen."
Die Blaudruck-Waren werden aber auch bundesweit in 20 Geschäften verkauft. Reppe: "Wir liefern zudem nach Österreich, Schweden, Dänemark, Korea und bis nach Australien."
Die wohl süßeste Blaudruck-Versuchung ist ein Blaudruck-Brotbeutel mit Brezeln, den man auf dem 21. Pulsnitzer Pfefferkuchenmarkt vom 7. bis 9. November 2025 kaufen kann.
Doch das alte Blaudruck-Handwerk geht längst auch moderne Wege. Direkt über der Blaudruck-Werkstatt hat die Dresdner Modedesignerin Katja Fietz (47) ihr Atelier. Für ihr Label Womblu entstehen an Schnitttisch und Nähmaschine tragbare Kreationen aus Blaudruck-Stoffen - Blusen, Röcke, Hosen, Kleider, Westen, sogar Mäntel.
In der Färbewerkstatt legt Fietz dabei selbst Hand an. Sie kurbelt die Stoffe bei der Verküpung zum Baden hoch und runter und schwingt anschließend den Wäschestampfer in den Waschzubern.
Ihre Stammkunden danken es ihr: "Manche tragen Blaudruck nicht nur zu festlichen Anlässen wie Hochzeiten, sondern auch im Alltag." Blaudruck hat eben immer Saison.