Dieser Musiklehrer aus Sachsen sammelt kuriose Schüler-Ausreden

Zwickau/Crimmitschau - "Meine Noten sind in den Goldfischteich gefallen" - "Meine Oma hat mein Instrument versteckt!" Wenn Musikschüler begründen wollen, warum sie nicht geübt haben, fallen ihnen mitunter äußerst kreative Ausreden ein. Fast 30 Jahre lang hat Saxofon-Lehrer Andreas Bacher (66) still in sich hineingekichert und die Ausflüchte aufgeschrieben. Nun macht er die Kinder-Sprüche öffentlich.

Saxofonlehrer Andreas Bacher (66) sammelte über die Jahrzehnte fast 150 Ausreden der Musikschüler.
Saxofonlehrer Andreas Bacher (66) sammelte über die Jahrzehnte fast 150 Ausreden der Musikschüler.  © Kristin Schmidt

Meine Mutti hatte Nachtschicht. Meine Brille war weg. Mein Handy hat mich nicht an die Übungsstunde erinnert. Es können recht simple Begründungen sein, welche Schüler als gute Rechtfertigung erachten.

Es geht aber auch komplizierter: Sie sagten, ich soll zwischen den anderen Hausaufgaben üben - ich hatte aber keine Hausaufgaben. Oder: Ich hatte so etwas Ähnliches wie einen Antikreativschock.

Über 150 Ausreden sammelte Bacher während drei Jahrzehnten im Zwickauer Robert-Schumann-Konservatorium. Jetzt hängen die kindlichen und jugendlichen Geistesblitze oder auch Hilferufe als eine Art "Kunst im öffentlichen Raum" im Schaufenster eines leer stehenden Ladens in der Innenstadt von Crimmitschau. Lutz Hanzig (63), ehemaliger Kunstlehrer, hat einige lustige Karikaturen dazu gezeichnet.

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Auch wenn man bei manchen Sprüchen herzhaft lachen muss, geht es nicht darum, die Schüler lächerlich zu machen. Als Andreas Bacher als Musiklehrer begann, stand er plötzlich auf der anderen Seite und fühlte sich an seine Kindheit erinnert: "Motivation kann man nicht erzwingen. Auch ich war nicht der fleißigste Schüler und habe mir ebenfalls manchmal auf dem Weg zur Musikschule überlegt, was als Entschuldigung glaubhaft ist. Vielleicht der Leichtathletik-Wettkampf am Wochenende?"

Daher schimpfte er seine Schüler auch nie aus, selbst wenn sich so manche Ausrede arg nach einer Lüge anhörte.

Ex-Kunstlehrer und Karikaturist Lutz Hanzig (63) lieferte die Zeichnungen zu den Ausreden.
Ex-Kunstlehrer und Karikaturist Lutz Hanzig (63) lieferte die Zeichnungen zu den Ausreden.  © Kristin Schmidt

Saxofon-Lehrer Andreas Bacher: "Hatte auch mal faule Tage"

In den 1970er-Jahren spielte Andreas Bacher in der "Bindfaden Blues Band" das Saxofon.
In den 1970er-Jahren spielte Andreas Bacher in der "Bindfaden Blues Band" das Saxofon.  © Repro: Kristin Schmidt

Mit acht Jahren lernte er Blockflöte und später Klarinette. Bacher: "Anfang der 70er-Jahre hörte ich im Radio ein Saxofon, unter anderem bei Manfred Krug. Der Klang war so faszinierend, das wollte ich unbedingt probieren."

Er fand in Zwickau auch einen äußerst kompetenten Lehrer und spielte schon bald in der Schülerband. Weil er etwas "Ordentliches" lernen sollte, wurde er Elektriker und röhrte abends mit der "Bindfaden Blues Band".

Während der DDR-Zeit gab es die Möglichkeit, einen Abschluss als "Musikerzieher im Nebenberuf" zu erwerben. Zwei Jahre lang besuchte Elektriker Bacher die Wochenendseminare. Und acht Tage vor seinem 30. Geburtstag ergriff er 1988 die Gelegenheit, in Weimar ein vierjähriges Hochschulstudium als Musikpädagoge zu beginnen. Hier erwarb er sich auch den passenden Werkzeugkasten, mit den Ausreden der Schüler umzugehen.

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Meine Brille beschlägt bei den hohen Tönen. Von den tiefen Tönen bekomme ich immer Bauchweh. Bei so vielen schnellen Noten komme ich einfach nicht hinterher.

Bacher: "Man begegnet den Ausreden mit einer Gratwanderung aus drohendem Zeigefinger und sich innerlich schlapp lachen. Ich kann ihnen ja nicht böse sein, weil ich auch mal faule Tage hatte."

"Ich konnte nicht üben - meine Freundin hat gekocht" - die Schüler-Ausreden werden in humorvollen Zeichnungen gezeigt.
"Ich konnte nicht üben - meine Freundin hat gekocht" - die Schüler-Ausreden werden in humorvollen Zeichnungen gezeigt.  © privat
"Meine Noten sind in den Goldfischteich gefallen" oder "Mit Corona-Maske konnte ich nicht üben".
"Meine Noten sind in den Goldfischteich gefallen" oder "Mit Corona-Maske konnte ich nicht üben".  © privat

Ob "Oma hatte Migräne" oder "Unser Hund jault immer mit": Das sind die kuriosesten Schüler-Ausreden

"Mein Nachbar hat mit mir geschimpft - es war zu laut" - auch eine kreative Schüler-Ausrede.
"Mein Nachbar hat mit mir geschimpft - es war zu laut" - auch eine kreative Schüler-Ausrede.  © privat

Manche geben das auch ganz unumwunden zu: Ich habe mich nicht aufraffen können. Die ganze Woche war nichts los, da hatte ich auch keine Lust. Ich hatte eine kreative Schaffenspause. So kurz vor den Ferien mache ich nicht mehr so viel. Ich gehe das neue Schuljahr etwas langsamer an.

Oder völlig entwaffnend: Ich habe nicht geübt. Aber meine Eltern haben sich mit mir über meine Faulheit unterhalten. Hin und wieder gelingt es mit Menschenkenntnis, Empathie und Fingerspitzengefühl trotzdem, in den jungen Musikerseelen den Ehrgeiz zu kitzeln.

Außerdem verraten viele Ausreden eine versteckte Unsicherheit, auch weil man ein Saxofon nicht wirklich leise üben kann. Mein Nachbar hat mit mir geschimpft, weil ich das Lied immer noch nicht kann. Unser Hund jault die ganze Zeit mit. Meiner Mutti gefallen diese Lieder nicht. Oma bekommt davon Migräne. Gelegentlich ist dann ein Musikpädagoge gefragt, der das Selbstbewusstsein stärkt.

Vor einem Jahr ging Bacher in Rente und befindet sich seither im "kreativen Unruhestand". Denn noch immer leitet und dirigiert er die "Young People Big Band" in Crimmitschau und führt Band- und Jazzworkshops in ganz Deutschland durch. Auch gibt er weiterhin Saxofon-Unterricht, weil einige Schüler diesen coolen Lehrer nicht missen wollen.

Und er fand die Zeit, die ganzen Ausreden der vergangenen Jahrzehnte herauszusuchen und für die Ausstellung aufzubereiten. Sie ist noch bis zum 21. September in der Herrengasse 13 in Crimmitschau zu sehen.

Titelfoto: Bildmontage: Privat (2), Kristin Schmidt

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