Immer weniger Spenden bei immer mehr Bedürftigen: Sachsens Tafeln geraten unter Druck

Von Christiane Raatz

Dresden - Steigende Nachfrage, aber weniger Spenden: Die Tafeln in Sachsen stehen zunehmend unter Druck.

Der Druck auf die Tafeln in Sachsen nimmt zu. Inzwischen müssen sie mit bis zu 40 Prozent weniger Lebensmittelspenden klarkommen.
Der Druck auf die Tafeln in Sachsen nimmt zu. Inzwischen müssen sie mit bis zu 40 Prozent weniger Lebensmittelspenden klarkommen.  © Felix Kästle/dpa

Die 45 Tafeln im Freistaat müssten mit etwa 30 bis 40 Prozent weniger Lebensmittelspenden auskommen, sagte der Landesvorsitzende Stephan Trutschler. Zugleich gibt es mehr Bedürftige. "Die Schere klafft immer weiter auseinander", so Trutschler.

Nach Einschätzungen des Landesverbandes steigt auch bei den Einzelhändlern der Kostendruck - Lebensmittel werden oft mit Rabatten als Sonderangebote verkauft. Zudem helfen KI-gestützte Warenwirtschaftssysteme, dass weniger aussortiert wird. "Selbst, wenn es von uns eine Spendenquittung gibt, ist es für die Märkte Umsatz, der verloren geht", so Trutschler.

Das bekommen die Tafeln vielerorts zu spüren, wenn die Helfer am Morgen die Supermärkte abfahren. Die Tafeln sind daher vermehrt auf Großspenden von Unternehmen angewiesen. Ab und an bekommen die Einrichtungen Paletten voller Joghurt, Gebäck oder veganen Burgerpatties, auf denen versehentlich ein falsches Mindesthaltbarkeitsdatum gedruckt wurde. Das gilt es dann geschickt zu verteilen, so Trutschler.

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Den Angaben zufolge befinden sich auf einer Palette im Schnitt Waren im Wert von 400 bis 600 Euro. Diese werden derzeit für etwa 75 Euro an die einzelnen Tafelvereine abgegeben, die dann wiederum die Lebensmittel an die Kunden weitergeben.

Im vergangenen Jahr verbuchten die sächsischen Tafeln rund 900.000 Abholungen an den rund 200 Ausgabestellen. Der Andrang ist groß. Unter den Tafelkunden sind nach Einschätzung von Trutschler neben Alleinerziehenden oder Geflüchteten zunehmend Senioren.

"Das macht mir Sorge." Und die Zahl der Bedürftigen sei weitaus höher, vermutet der Landesvorsitzende. Viele schämten sich allerdings, die Dienste der Tafeln in Anspruch zu nehmen.

Den Tafeln fehlt es an Helfern

Während die Nachfrage bei den sächsischen Tafeln steigt, geht die Zahl der Helfer zurück.
Während die Nachfrage bei den sächsischen Tafeln steigt, geht die Zahl der Helfer zurück.  © Sven Hoppe/dpa

Rund 900 Ehrenamtliche helfen beim Einsammeln, Sortieren und Ausgeben der Lebensmittel. Zuletzt mussten die Helfer um ihre Aufwandsentschädigung bangen. Nach Verabschiedung des Landeshaushaltes bekommen sie nun aber weiterhin 40 Euro pro Monat.

Nach Angaben des Sozialministeriums wurden im vergangenen Jahr insgesamt 29.000 Menschen in 5700 Projekten über das Ehrenamtsprogramm "Wir für Sachsen" gefördert. Mancherorts fehlen aber nicht nur Ehrenamtliche, sondern auch geringfügig Beschäftigte.

Weil der Bundeshaushalt noch nicht endgültig beschlossen ist, haben die Jobcenter vielerorts keine Mittel, Helfer zur Tafel zu schicken – etwa um Transporter zu fahren. "Uns fehlen schlichtweg die Leute", erklärte Trutschler. Manche Tafeln hätten daher die Ausgabezeiten verkürzt.

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Auch die gestiegenen Sprit- und Strompreise stellen die Tafeln vor Probleme, die Abschläge sind den Angaben zufolge teils drastisch gestiegen. Die Einrichtungen sind unter anderem auf Technik zur Kühlung der Ware angewiesen – und das ist teuer.

Zunächst hatte das Land Sachsen für dieses Jahr rund 40.000 Euro für die Tafeln eingeplant. Nach Kritik an den Plänen – unter anderem von der Opposition – stehen für dieses und nächstes Jahr nun jeweils 400.000 Euro zur Verfügung.

"Gerade in Zeiten stark steigender Preise dürfen wir diejenigen nicht alleine lassen, die am meisten Unterstützung brauchen. Die Tafeln sind für viele Menschen ein wichtiger Anker", sagte Grünen-Politikerin Christin Melcher.

Mit 400.000 Euro müssen die Tafeln in diesem und im kommenden Jahr auskommen.
Mit 400.000 Euro müssen die Tafeln in diesem und im kommenden Jahr auskommen.  © Daniel Vogl/dpa

Sozialministerin Köpping hebt Bedeutung der Tafeln hervor

Die 400.000 Euro sind allerdings für Investitionen wie etwa Kühlfahrzeuge vorgesehen. Trutschler wünscht sich aber, zumindest über einen Teil des Geldes freier verfügen zu können – um es etwa für Vereinsarbeit oder gestiegene Energiekosten verwenden zu können. Eine Förderung dieser Ausgaben sei nicht vorgesehen, heißt es aus dem Sozialministerium.

Zugleich verwies Sozialministerin Petra Köpping (67) auf die Bedeutung der Einrichtungen. "Die sächsischen Tafeln bieten vielfältige Unterstützung für von Armut betroffenen Menschen und Familien, ihr Engagement kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden", so die SPD-Politikerin.

Mit den Stimmen von CDU, SPD, Grünen und Linken hätten die Mittel im Vergleich zum ursprünglichen Haushaltsentwurf erhöht werden können. "Mit den nun zur Verfügung stehenden Mitteln können die Prozesse optimiert werden, was auch die Tafelkunden spüren", so Köpping.

Titelfoto: Felix Kästle/dpa

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