Nach 119 Jahren! Läutverbot für sächsische Rathaus-Glocke
von Benjamin Schön, Marko Förster
Pirna - Ein Klang, der Generationen begleitete, ist plötzlich verstummt. Wo seit 1906 die Rathausturm-Glocke von Pirna-Copitz zur halben und vollen Stunde den Takt des Lebens schlug, herrscht nunmehr gespenstische Stille. Ein einziger Anwohner hat sich beschwert - und eine ganze Nachbarschaft leidet.

"Dieser Verlust schmerzt. Die Stille, wo einst der vertraute Klang war, hinterlässt eine Lücke", so Apothekerin Claudia Meerz (53). Für das Apotheken-Team ist der Schlag um 18 Uhr das Signal: Jetzt ist Feierabend!
Über ihren Praxen freuen sich auch verschiedene Ärzte über den vertrauten Klang. Und für viele Copitzer gehört das Läuten längst zum Alltag. Bis jetzt!
Der Pirnaer Stadtverwaltung scheinen die Hände gebunden. Man verweist lediglich auf die Immissionsschutzbehörde im Landratsamt.
"Der Sachverhalt befindet sich in der laufenden Bearbeitung. Eine abschließende Entscheidung wurde noch nicht getroffen. Vielmehr wurde der Betreiber im Rahmen einer Anhörung aufgefordert, lärmmindernde Maßnahmen in der Nachtzeit zu treffen."


Pirna-Copitz: Anwohner wollen Glockenspiel zurück - Petition soll es richten
Doch wie soll das funktionieren? Das alte Uhrwerk kennt weder Schalldämpfer noch Zeitschaltuhr. Rechtlich gilt die Turmglocke als "Anlage" - so steht's im Bundes-Immissionsschutzgesetz.
Und da heißt es: Alles, was zu laut ist, muss gedämpft werden. Entscheidend ist die "TA Lärm", eine Art Geräusch-Bibel der Behörden. Dort stehen Grenzwerte drin. Und diese überschreitet die Glocke laut Messungen des Landratsamtes nachts um 19 Dezibel.
Folge: An oder aus - und um Bußgelder zu vermeiden, ist sie nach der Beschwerde vom neuen Nachbarn derzeit aus.
Doch Copitz kämpft! In der Rathaus-Apotheke liegt bis Ende des Monats eine Unterschriftenliste aus - schon jetzt haben sich etwa 600 Bürger eingetragen.
Titelfoto: Montage: Marko Förster