Nach großen Waldbränden sprießen plötzlich seltene Pilze

Bad Schandau - Die Waldbrände im Nationalpark Sächsische Schweiz vor drei Jahren und der Brand in der Gohrischheide 2022 und 2025 warfen die Natur auf den betroffenen Flächen zurück auf null. Es ist faszinierend zu beobachten, wie dort vor Ort nun neues Leben entsteht.

Der Mykologe Alexander Karich (41) beim Betrachten von Brandstellenflämmlingen. Nach Waldbränden findet man die häufig. Es ist eine kleine Überraschung, dass diese Pilze jetzt noch in der Richterschlüchte anzutreffen waren.
Der Mykologe Alexander Karich (41) beim Betrachten von Brandstellenflämmlingen. Nach Waldbränden findet man die häufig. Es ist eine kleine Überraschung, dass diese Pilze jetzt noch in der Richterschlüchte anzutreffen waren.  © Nationalpark/PR/Hartmut Landgraf

Forscher der Umweltwissenschaften begleiten die Prozesse und machen dabei spannende Entdeckungen - zum Beispiel mehr als fünf neue Pilzarten. Erfahrt hier Erstaunliches über die Lebensweise und die enormen Fähigkeiten der Fungi (lat.).

"Als wir 2022 knapp zwei Wochen nach dem Brand in der Sächsischen Schweiz waren, haben wir unter den verkohlten Bäumen in der Richterschlüchte bereits die ersten Pilze angetroffen - nämlich Brandstellenflämmlinge.

Der lateinische Name der Art lautet Gymnopilus decipiens", sagt Dr. Alexander Karich (41). Er ist Mykologe von Beruf und erforscht Pilz-Enzyme am Internationalen Hochschulinstitut Zittau (IHI). Das IHI ist eine Zentrale Wissenschaftliche Einrichtung der TU Dresden.

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Besagte Flämmlinge sind ganz besondere Pilze. Sie folgen dem Feuer und tauchen immer nur nach Bränden auf. Karich: "Weil es heute kaum noch Brände gibt, sind diese Pilze sehr selten. Wir fanden vor Ort Pilzarten, die zum Teil in Sachsen als ausgestorben galten. Wieder andere standen auf der Roten Liste als extrem bedroht."

Die Wissenschaft rätselt noch, wie die Brandstellenflämmlinge die Jahre ohne Brände überleben können. Schlummern ihre Pilzsporen tief im Boden, wo Feuer ihnen nichts anhaben kann? Oder überdauert ihr Myzel (Gesamtheit aller fadenförmigen Zellen des Pilzes) in Bäumen oder Pflanzen? "Da gibt es verschiedene Theorien, aber keine Gewissheiten", sagt Karich.

Rauch über dem Nationalpark Böhmische Schweiz. Das Feuer griff 2022 von dort nach Sachsen über.
Rauch über dem Nationalpark Böhmische Schweiz. Das Feuer griff 2022 von dort nach Sachsen über.  © picture alliance/dpa/CTK
Lichterloh brannte im Sommer vor drei Jahren Wald in den beiden Nationalparks Sächsische Schweiz und Böhmische Schweiz.
Lichterloh brannte im Sommer vor drei Jahren Wald in den beiden Nationalparks Sächsische Schweiz und Böhmische Schweiz.  © picture alliance/dpa
Ein Feuerwehrmann in Uniform 2022 in einem niedergebrannten Waldstück im Elbsandsteingebirge.
Ein Feuerwehrmann in Uniform 2022 in einem niedergebrannten Waldstück im Elbsandsteingebirge.  © picture alliance/dpa/CTK
Auf der Brandfläche in den Richterschlüchten wächst ein neuer Wald. Die Natur macht Tempo. Sehr wahrscheinlich, dass Pilze dabei zu den Wegbereitern gehören.
Auf der Brandfläche in den Richterschlüchten wächst ein neuer Wald. Die Natur macht Tempo. Sehr wahrscheinlich, dass Pilze dabei zu den Wegbereitern gehören.  © Nationalpark/PR/Hartmut Landgraf
Mit einem Messer schneidet ein Ranger die Rinde eines verkohlten Baumes ab. Darunter haben sich Pilze angesiedelt.
Mit einem Messer schneidet ein Ranger die Rinde eines verkohlten Baumes ab. Darunter haben sich Pilze angesiedelt.  © Christian Juppe
Brandstellenbecherlinge haben ein Stück Boden bedeckt.
Brandstellenbecherlinge haben ein Stück Boden bedeckt.  © privat
Der Geflecktblättriger Flämmling (lat. Gymnopilus penetrans) ist hübsch anzuschauen. Aber kein Speisepilz.
Der Geflecktblättriger Flämmling (lat. Gymnopilus penetrans) ist hübsch anzuschauen. Aber kein Speisepilz.  © imago/imagebroker
Pilzberaterin Heidrun Wawrok mit einem Birkenpilz in der Richterschlüchte. Der hellstielige Birkenpilz ist Symbiosepartner der Birke. Jungen Birken bringen das Grün zurück in die Waldbrandgebiete.
Pilzberaterin Heidrun Wawrok mit einem Birkenpilz in der Richterschlüchte. Der hellstielige Birkenpilz ist Symbiosepartner der Birke. Jungen Birken bringen das Grün zurück in die Waldbrandgebiete.  © Nationalpark/PR/Hartmut Landgraf

Pilze sind Pioniere darin, Wälder nach Bränden wiederzubesiedeln

Pilze-Sammeln für die Wissenschaft. Da werden alle Funde gewissenhaft aufbewahrt und dokumentiert.
Pilze-Sammeln für die Wissenschaft. Da werden alle Funde gewissenhaft aufbewahrt und dokumentiert.  © Nationalpark/PR/Hartmut Landgraf

Der Mykologe konnte Brandstellenflämmlinge zusammen mit Forschern des Zittauer Instituts auch 2022 und 2025 in der Gohrischheide nach Waldbränden nachweisen. Zuallererst fand er in der abgebrannten Heide aber nach dem Feuer Vertreter der Gattung Anthracobia. Die Becherlinge waren bereits eine Woche nach den Flammen dort anzutreffen.

Die Gattung Anthracobia zeichnen Besonderheiten aus. Die Pilze halten den Weltrekord im Schnellwachsen. Pro Stunde legen sie zwei Millimeter an Größe zu. Wobei sie insgesamt maximal einen Zentimeter groß werden.

Becherlinge changieren farblich zwischen orange und braun. Das kommt daher, dass sie Karotinoide (wie Möhren) eingelagert haben. Die Karotinoide schützen die Pilze vor Sonnenbrand auf den kahlen, abgebrannten Flächen.

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Pilze sind Pioniere, wenn es darum geht nach Bränden Wälder wiederzubesiedeln. Manche Arten breiten sich dabei so rasant aus, dass sie für wenige Tage nur wie ein Teppich den Boden bedecken. Diese Pilzflut ebnet Wege für neues Wachstum, denn von deren Nährstoffen profitieren Moose und Pflanzen. Welche Wechselwirkungen es dabei gibt, ist noch weitgehend unbekannt. Die Welt der Pilze hat mit der Tiefsee gemeinsam, dass es dort für den Menschen noch viel zu entdecken gibt .

Karich: "Wir betreiben Grundlagenforschung und tragen dazu bei, dass wir unsere Umwelt besser verstehen. Unsere Erkenntnisse können aber auch spannend sein für die Biotechnologie und die Lebensmittelproduktion."

Gut vernetzte Wunderwerke der Natur

Pilze am toten Baumstamm einer Birke. Die Organismen zersetzen das Holz.
Pilze am toten Baumstamm einer Birke. Die Organismen zersetzen das Holz.  © IMAGO/Lobeca

Pilze sind wahre Wunderwerke der Natur. Die Organismen besitzen sowohl tierische als auch pflanzliche Eigenschaften - sie sind aber keines von beiden. Pilze sind sesshaft wie Pflanzen, können aber keine Photosynthese betreiben. Sie müssen sich wie Tiere von organischen Substanzen ernähren, die sie in gelöster Form aus der Umgebung aufnehmen.

In puncto Ernährung haben die gut vernetzten Pilze bemerkenswert unterschiedliche Ess-Gewohnheiten entwickelt. Die "Netten" von ihnen gehen Symbiosen ein. Das funktioniert so: Über ihr feines, oft kilometerlanges Myzelgespinst im Boden treten Pilze überall in Kontakt mit dem Feinwurzelsystem von Bäumen, Pflanzen.

Die Pflanzen liefern Zucker, der Pilz im Gegenzug Stickstoff und andere Nährstoffe. Pilze sorgen für Austausch zwischen den Arten - auch "Nachrichten" sollen sich so im Wald verbreiten. Etwa die Ausbreitung von Schädlingen. Viele Arten haben beste Kumpels: Birkenpilze kooperieren mit Birken, Maronen mit Kiefern und Fichten.

Die "unfreundlichen" Fungi sind echte Parasiten, die ihren Wirt auslaugen und schädigen. Rostpilze oder der gefürchtete Wurzelschwamm leben so. Die Holzfresser unter den Pilzen laben sich - wie ihr Name sagt - an Holz. Andere Nahrungsspezialisten unter den Pilzen nennt man Streuzersetzer (Saprophyten). Sie futtern abgestorbenes, organisches Material oder auch Lebewesen.

DNA-Analyse zur Bestimmung

Eine Neuentdeckung: Arrhenia bryophthora. Der Moosfressende Brandstellennabeling.
Eine Neuentdeckung: Arrhenia bryophthora. Der Moosfressende Brandstellennabeling.  © privat

Alexander Karich ist ein sehr erfahrener Mykologe. Wenn er auf Exkursion geht, dann kriecht er in der Regel auf allen Vieren durchs Gelände. So gelang es ihm auch, nach den Waldbränden im Elbsandsteingebirge und in der Gohrischheide mehr als fünf neue Pilzarten zu finden.

"Lange Zeit war es mit herkömmlichen Mitteln kaum möglich, Unterschiede zwischen den einzelnen Pilzarten nachzuweisen. Molekularbiologische Mittel versetzen uns heute in die Lage, bislang unbekannte Arten zu identifizieren", sagt der Forscher.

Karich nutzt beispielsweise DNA-Analyse zur Pilz-Bestimmung. Seine Pilz-Entdeckungen tragen alle lateinische Namen. Einen Pilz davon kann man aber klangvoll ins Deutsche übersetzen. Er heißt: Moosfressender Brandstellennabeling.

Titelfoto: Bildmontage: picture alliance/dpa/CTK, Nationalpark/PR/Hartmut Landgraf

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